24. November 2019 Lutz Brangsch

Das Regime Putin: Was zu lange währt, wird nicht besser …

Gefühlt täglich liest man in der russländischen Presse Umfragen mit dem immer gleichen Ergebnis: Die Menschen wollen Veränderungen, gar grundlegende Veränderungen. Offen bleibt allerdings, welche.

Diese anhaltende und wachsende Unzufriedenheit ist angesichts der Entwicklungen seit der letzten Präsidentschaftswahl durchaus ernst zu nehmen. Die Auseinandersetzungen um die Wahlen zur Moskauer Duma und die z.T. harten Reaktionen auf die damit verbundenen Proteste haben, so zeigt sich jetzt, durchaus auch in anderen Landesteilen die Kritik am politischen System wachsen lassen (Aptekar’ 2019).

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Levada sieht an der Spitze der Probleme, die die Bevölkerung beunruhigen, die Preissteigerungen (59% der Befragten), die drohende Verarmung (42%) und die Korruption (41%). Gegenüber dem August 2018 sind vor allem die Ängste bezüglich der wachsenden Zahl von Migrant*innen (von 10% auf 18%), der Willkür seitens der Beamten (von 14% auf 16%), der Schwäche der Staatsmacht (von 9% auf 15%), der Unmöglichkeit, vor Gerichten Recht zu bekommen (9% auf 13%), der Polizeigewalt (7% auf 11%) sowie Rückständen bei der Auszahlung von Löhnen und sozialen Leistungen (7% auf 10%) gewachsen (Levada-centr 2019b).

Durch die Installierung der Partei »Einiges Russland« und der »Gesamtrussischen Volksfront« (Общероссийский народный фронт) wurde schon vor Jahren versucht, der Gesellschaft ideologisch-organisatorische »Streben« einzuziehen, Vermittlungen zwischen der Präsidialmacht und der »Zivilgesellschaft« zu schaffen. Inzwischen scheint die Kritik an der Politik der Zentralregierung in Moskau auch aus den Reihen von »Einiges Russland« zu wachsen.

Eine stabilisierende Wirkung trat also in dem wahrscheinlich erhofften Maße nicht ein. Auch das Vorgehen gegen Korruption und Amtsmissbrauch scheint kaum derartige Wirkungen zu haben; es erscheint punktuell und selektiv. Dadurch erhöhen selbst derartige Aktionen das Vertrauen der Bevölkerung in die Staatsmacht nicht. Der Regierung fallen da auch nur kontraproduktive Lösungen ein.

Lutz Brangsch ist wissenschaftlicher Referent im Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung. In Sozialismus.de 5/2019 schrieb er über »Russland – Auf dem Weg zur dunklen Seite der Macht«.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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