23. August 2017 Otto König/Richard Detje: »Diesel-Gate« und die Widerstände, auf neue Mobilitätskonzepte umzuschalten

Das Schummel-Kartell

Foto: dpa

Mit großem Tamtam wurde in Berlin der »Diesel-Gipfel«[1] inszeniert. »Die Automobilindustrie ist sich mit der Politik einig in dem Ziel, die Luftqualität weiter zu verbessern.

Fahrverbote können und müssen in Deutschland vermieden werden«, lautete danach die Siegesmeldung des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA). Die Auto-Lobbyisten haben ihr wichtigstes Ziel vorerst durchgesetzt.


Mogelpakete als Gipfelbilanz

Statt einer verbindlichen und überprüfbaren Nachbesserung der Euro-5-Diesel in einem klar definierten Zeitrahmen,[2] einigte man sich auf einen Minimalkonsens, den die Autobranche selbst angeboten hatte: Software-Updates bei 5,3 Millionen Dieselfahrzeugen, damit diese künftig weniger Schadstoffe ausstoßen. Ein Mogelpaket! Darin enthalten sind 2,5 Millionen Fahrzeuge von VW, für die nach Bekanntwerden des Skandals um manipulierte Werte ohnehin Abgas-Nachbesserungen angeordnet waren, sowie vor dem Gipfel bereits angekündigte – freiwillige – Rückrufe von Audi, Daimler und BMW.

Wie hoch die tatsächliche Zahl der »nachgebesserten« Diesel letztlich sein wird, ist damit ungewiss. Die Halter von Alt-Pkws der Euro-Norm 1-4 sollen mit Rabatten zum Umstieg auf die Euro-Norm 5 und 6 bewegt werden. Die Autoproduzenten BMW, Daimler, Opel und VW spielen also flugs eine neue Software auf – und schon ist das Problem hoher Schadstoffbelastung durch Pkws mit Dieselmotor gelöst? Nein, nur ein neues Mogelpaket. Verkündet wurde im Kontext des Gipfels, dass per »Nachrüstung« der Ausstoß von Stickoxiden um durchschnittlich 25-30% gesenkt werden könne.

Die Deutsche Umwelthilfe hat demgegenüber hochgerechnet, dass die Reduktion bestenfalls bei fünf Prozent liegen wird. Doch selbst wenn die Angaben der Hersteller stimmen sollten: Derzeit überschreiten die Realwerte im Straßenverkehr die Grenzwerte im Durchschnitt um das Sechsfache, so das Umweltbundesamt. Nach einer erfolgreichen »Nachrüs­tung« würden die Grenzwerte folglich immer noch um das Vierfache überschritten.

Otto König ist Mitherausgeber, Richard Detje ist Redakteur von Sozialismus. Beide haben zuletzt in Sozialismus 4/2017 zu aktuellen Entwicklungen in der Automobilindustrie geschrieben.

[1] Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatte mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Chefs der großen Autokonzerne sowie Branchenverbände und die IG Metall am 2. August 2017 zu einem Gipfel nach Berlin eingeladen. Auch neun Länder-Ministerpräsidenten waren bei dem Treffen anwesend.
[2] Von den zwölf Mio. in Deutschland zugelassenen Diesel-Pkws haben rd. neun Millionen die Abgasnormen 5 und 6, die für eine Umrüstung in Frage kommen. Mit diesen Normen – nach Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 – sind die Abgas-Grenzwerte geregelt, die Pkws einhalten müssen, um in der EU eine Typgenehmigung zu bekommen. Autos ohne eine solche Typgenehmigung dürfen in der EU nicht zugelassen werden.

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