23. Mai 2019 Interview mit Katrin Lompscher

Der Kampf ums Wohnen – Berlin als Labor für städtische Demokratie

Katrin Lompscher (DIE LINKE), zunächst Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung in Berlin-Lichtenberg, seit Dezember 2016 amtierende Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, mit fachgerechter Ausbildung als Baufacharbeiterin und anschließendem Studium zur Diplomingenieurin für Städtebau, steht vor großen Herausforderungen.

Nicht nur in Berlin ist Wohnen zu einem vorrangigen sozialen Problem geworden. Mit seinem im Vergleich zu anderen Ländern besonders hohen Anteil an Mieter*innen (in Berlin 85%) hat Deutschland sich zu einem Eldorado für Immobilienspekulation entwickelt.

Neoliberale Politik betrieb zugleich den Raubbau am gemeinnützigen Wohnungsbestand: 1990 Abschaffung der Gemeinnützigkeit der Genossenschafts- und Werkswohnungen unter Kanzler Kohl sowie deren Freigabe zum Verkauf, wie z.B. die 112.000 Wohnungen der privatisierten Bahn; 2001 Verkauf der 82.000 Wohnungen der Gagfah, der Wohnungsgesellschaft der Bundesanstalt für Angestellte; Privatisierungen kommunaler Wohnungsbestände durch etliche Landesregierungen und Kommunen, so auch die damalige rot-rote Berliner Landesregierung mit Finanzsenator Sarrazin; nicht zuletzt eigneten sich nach dem Ende der DDR Kapitalanleger Immobilien aus dem staatlichen Wohnungsbau zu »Schnäppchenpreisen« an. Während es 1987 in der alten Bundesrepublik noch 5,5 Millionen Sozialwohnungen gab und in der DDR Wohnen für alle erschwinglich war, gibt es heute nur noch 1,5 Millionen Sozialwohnungen, von denen jedes Jahr etwa 100.000 ihre Sozialbindung verlieren.

Diese Verwüstungen sind Ausgangslage und Lektion für eine Politik, die das soziale Menschenrecht auf Wohnen umsetzen und die Vision einer sozialen Stadt voranbringen möchte. Dennoch Achtung gegenüber dem Unkenruf einer unregierbaren Metropole: Berlin hat ein großes Potenzial an aktiven und widerständigen Bürgerinnen und Bürger, was es zu nutzen gilt.

Sozialismus.de: Ihr Ziel ist es, Berlin zu einem Modell für eine Stadtentwicklung zu machen, in der »soziale, ökonomische und ökologische Ziele nicht im Widerstreit stehen, sondern sich gegenseitig befördern« (siehe www.katrin-lompscher.de/willkommen). Das ist die Vision einer ressortübergreifenden Politik, die soziale Fragen, Ökonomie, Verkehr und ökologische Gestaltung in Zusammenhang mit der Wohnpolitik stellt. Ist das eine weit entfernte Utopie oder schon hier und da erfolgreich von der rot-rot-grünen Regierung umgesetzt worden?

Katrin Lompscher: Es ist ein ständiges Ringen. Wir werden bis zur bevorstehenden Halbzeit der Legislaturperiode unsere Entwicklungspläne für Berlin, sei es Wirtschaft, sei es Wohnen, Gestaltung der Zentren, Verkehr und Mobilität, die soziale Infrastruktur bis hin zu den Kleingärten komplett miteinander abgestimmt haben. Vernünftige Lösungen erfordern, all diese raumbezogenen verschiedenen Nutzungsansprüche unter einen Hut zu bringen. In der Stadtplanung ist der integrative Gedanke tief verankert, allerdings innerhalb des administrativen Systems in der Umsetzung schwierig. Ein Fachressort kann keine Hoheit über ein anderes Fachressort gewinnen. Wenn wir also eine übergreifende Gesamtidee für die soziale Metropole Berlin verankern wollen, muss das im gesamten Senat und in der gesamten Koalition verabredet und getragen werden. Das gelingt in verschiedenen Feldern ganz gut. Ein weiterer Aspekt: Wenn man wirklich alles zusammen denken und planen will, muss man sich auf allen administrativen Ebenen entsprechend gut aufstellen. Es gibt aber aufgrund des jahrelangen Spardrucks in den allermeisten Bezirken keine oder nur unzureichende Kompetenz in der jeweiligen Fachplanung, wie bei der Verkehrs- oder Sportentwicklungsplanung, der Bibliotheksplanung, der Kinder- und Jugendplanung usw. So etwas braucht man aber, um entsprechende räumliche Ansprüche anmelden zu können, die dann wiederum vom Fachamt für Stadtentwicklung einbezogen werden. Doch das Verständnis wächst. Mit den zuständigen Bau- und Stadtentwicklungsstadträten bin ich in sehr engem Austausch.

Katrin Lompscher, DIE LINKE, ist Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin. Für Sozialismus.de sprachen mit ihr Stephanie Odenwald (sie war im GEW-Hauptvorstand zuständig für Berufliche Bildung und Weiterbildung) und Klaus Kohlmeyer, Geschäftsführer des Vereins BQN (Berufliches Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten in Berlin).

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