1. September 2007 Christina Ujma

Der Mann, der der Geschichte auf die Sprünge half

In Italien ist Garibaldi überall, eine Piazza Garibaldi gibt es noch im kleinsten Dorf und in Städten, in denen sich Garibaldi länger aufgehalten hat, findet sich oft ein Museum, in dem man die Pantoffeln und den Schlafrock, den er während des Aufenthalts getragen hat, ein paar Zigarrenstummel und natürlich die obligatorischen roten Locken vom Haupt des Helden besichtigen kann.

Diese Devotionalien zusammen mit den roten Hemden der Garibaldianer erinnern ein wenig daran, dass Garibaldi zu Lebzeiten eigentlich eine Lichtgestalt der Progressiven war, weshalb ihn Marx und Bakunin, konkurrierenden Persönlichkeiten grundsätzlich abgeneigt, nicht sonderlich ausstehen konnten, auch wenn er am Ende seines Lebens zur Internationale und den italienischen Sozialisten gehörte.

Anlässlich seines zweihundertsten Geburtstags im Sommer 2007 wurde nicht nur in Italien, sondern auch in England, Frankreich, New York, Brasilien, Uruguay und Ungarn dieser internationalen Heldengestalt gedacht. Bis zur staatlichen Einigung 1870/71 gab es auch in Deutschland einen Garibaldi-Kult; die Tatsache, dass der Held der italienischen Einigung von Bismarcks autoritärer Staatsgründung wenig hielt, brachte ihm den Liebesentzug der deutschen Freunde ein, der bis heute anhält, obwohl sich seine Einschätzung des Bismarck-Staates doch als außerordentlich weitsichtig erwiesen hat.

Beim Blick zurück auf die erstaunliche Vita des Giuseppe Garibaldi gibt es für Linke allerdings nicht nur den Che Guevara des 19. Jahrhunderts zu entdecken, sein Leben gibt auch Einblick in die Bedingungen und Ambivalenzen progressiver Bewegungen im Zeitalter der Nationengründung und ist zudem der Stoff, aus dem abenteuerliche Romanzen sind.[1]

Held zweier Welten

1807 wird Giuseppe Garibaldi im damals noch eher italienisch definierten Nizza geboren. Seine Eltern hätten gern etwas Höheres aus dem schlauen Giuseppe gemacht, aber der wollte wie Vater und Brüder zur See fahren. Von Genua aus nimmt Garibaldi das Seefahrerleben erfolgreich in Angriff. Geschickt, gebildet und polyglott kommt er bald mit dem Risorgimento, der italienischen Freiheits- und Nationalbewegung in Kontakt, die in der Hafenstadt Genua besonders stark verwurzelt ist; frühsozialistische und saint-simonistische Ideen beeinflussen sein Denken.

1833 wird er Mitglied von Mazzinis Geheimorganisation Giovine Italia, deren Ziel die Befreiung Italiens von Fremdherrschaft und die Errichtung eines liberalen demokratischen Einheitsstaates ist. 1834 nimmt er an einem der vielen gescheiterten Revolutionsversuche dieser Organisation teil, muss fliehen und wird in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Dies war damals nicht außergewöhnlich, seit den gescheiterten Carbonari-Aufständen 1821 und 1831 gab es in der Schweiz, in Paris und London ganze Kolonien von geflohenen Risorgimento-Aktivisten, die sich entweder an die Gastländer assimilierten oder auf die nächste italienische Revolution warteten.

Sich in den europäischen Wartezimmern der Revolution niederzulassen, war allerdings nicht nach Garibaldis Geschmack, er ging nach Brasilien, wo es eine große Giovine Italia Zelle gab, der er sich sofort anschloss. Als 1837 in der brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul der Aufstand ausbrach, schloss sich Garibaldi zusammen mit anderen Giovine Italia Aktivisten der Rebellion an. Seine abenteuerlichen Erlebnisse bei diesem Unternehmen haben ihm zu Recht den Titel Held zweier Welten eingebracht.

Sein Leben wird noch abenteuerlicher, als er sich 1839 in Anita Ribeiro verliebt, die aus dem Seemann Garibaldi einen Gaucho macht, der auch später in Italien vom Poncho nicht lassen mochte. Die verheiratete Frau aus der tiefen brasilianischen Provinz und der weltgewandte italienische Freiheitskämpfer wurden in der Folge je nach politischem Standpunkt zum idealen revolutionären oder skandalösen Paar, denn in vielen Schlachten kämpften sie Seite an Seite, obwohl Anita zwischendurch vier Kinder in die Welt setzte. Anfang der 1840er Jahre geht das Paar nach Uruguay, wo Garibaldi die italienische Legion anführte, die auf der Seite der liberalen Regierung gegen Argentinien und die konservativen einheimischen Kräfte kämpfte. Hier kamen auch die berühmten roten Hemden, die das Wahrzeichen der Garibaldianer werden sollten, erstmals zum Einsatz.

Die römische Republik

Während der 1840er Jahre begann die italienische Bewegung, sich von den Niederlagen zu erholen; als dann 1846 noch der neue Papst Pio IX (Pio Nono) mit Reformen ernst machte, wurden die Hoffnungen auf Einigung und Demokratisierung auf einmal konkret. Dies blieb auch Garibaldi in Südamerika nicht verborgen, der nach der Nachricht von der Revolution in Palermo im Januar 1848 sofort Richtung Heimat segelte.

Hier wurde ihm ein rauschender Empfang bereitet, denn die progressive italienische Öffentlichkeit wusste über linke Blätter bestens über seine südamerikanischen Heldentaten Bescheid. Zunächst bot Garibaldi seine Dienste König Carlo Alberto von Sardinien-Piemont an, der zwar unter Druck der 1848er Revolution viele schöne Reformen eingeführt hatte, dem aber letztendlich die Courage fehlte, diese auch zu verteidigen.

Die Revolutionen der Jahre 1848/49 machte die Zerrissenheit der italienischen Bewegung schlaglichtartig deutlich, jede Region gründete ihre eigene Republik, die sich wie im Fall von Venedig oder Florenz auch gern von den radikaleren Kreisen um Mazzini abgrenzte, was ihnen gegen die Österreicher, die in Italien den Job übernommen hatten, mit den Revolutionen aufzuräumen, wenig half. Die revolutionäre Entwicklung wäre ähnlich ruhmlos wie in Deutschland verpufft, wenn sich nicht im Frühjahr 1849 die Revolution in Rom und dem mittelitalienischen Papststaat radikalisiert und den Papst in die Flucht geschlagen hätte. Nun strömten Radikale aus ganz Italien nach Rom, es gab Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung, Mazzini wurde zusammen mit Getreuen zum Regierungschef und Garibaldi übernahm die Verantwortung für die Verteidigung der Stadt.

Die römische Republik hat kurz die Konturen eines anderen, eines demokratischen und freiheitlichen Italien aufblitzen lassen, was dem Risorgimento in Italien wie in Europa viel Prestige einbrachte: Es wurden das Bildungswesen und die Landbesitzverhältnisse reformiert sowie eine moderne rechtsstaatliche Verfassung erlassen, die das allgemeine Frauen- und Männerwahlrecht vorsah. Mazzinis und Garibaldis Idee war es, ein drittes Rom zu schaffen: dopo la Roma degli imperatori, dopo la Roma dei papi, verrà la Roma del popolo nach dem Rom der Cäsaren und dem der Päpste, nun ein Rom des Volkes zu verwirklichen.[2] Das konnte natürlich nicht gut gehen, von Süden attackierten die Neapolitaner Truppen, vom Westen die 40.000 Mann starken französischen Truppen, doch die Entschlossenheit der Verteidiger machte die Niederschlagung der Römischen Republik zum langwierigen und verlustreichen Gefecht, in dessen Verlauf Garibaldi mehrfach verwundet wurde.

Die Revolution als Schiff

Nach der heroischen Niederlage versuchten Garibaldi und einige Tausend Getreuen, von französischen und österreichischen Truppen gejagt, sich nach Venedig durchzuschlagen, wo Daniele Manin mit seiner venezianischen Republik der österreichischen Belagerung standhielt. Keiner kam dort an, im Laufe dieses extrem verlustreichen Marsches starb die schwangere Anita, Garibaldi schaffte es nur mit Mühe zu entkommen und ging auf einigen Umwegen nach New York. Die Niederlage war, nachdem kurz darauf auch Manin in Venedig aufgab, komplett, an Neuanfang war vorerst nicht zu denken.

Viele führende Risorgimento-Persönlichkeiten waren entweder umgekommen oder erschöpft, krank und traumatisiert im Exil gelandet, das durch Konflikte zwischen Mazzinianern und Moderaten dominiert wurde. Die Lage war desolat, da half es auch wenig, dass Garibaldi mittlerweile der Ruhm eines internationalen Idols der Progressiven zu Teil und er 1854 während eines Besuches in London stürmisch gefeiert wurde. Der Zweck der englischen Reise bestand vor allem darin, Mazzini und andere exilierte 1848-Protagonisten zu treffen, wie Alexander Herzen, Kossuth und Ledru Rollin. Das Resultat dieser Gespräche war nicht sehr ermutigend, die Revolution war verloren, Garibaldi erwähnt im privaten Gespräch mit Alexander Herzen seine Idee, eine Art "Revolutionsambulanz" zu gründen, ein Schiff mit Revolutionären bemannt, das überall dorthin fährt, wo die revolutionäre Sache Unterstützung benötigt.

Dazu sollte es nicht kommen, die Revolution mochte verloren sein, aber für die italienische Einheit gab es neue Hoffungen. In Paris hatte sich das Nationalkomitee etabliert, das darauf setzte, mit Sardinien-Piemont und dessen neuem König Vittorio Emanuele eine Einigung im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie zu erreichen. Premierminister Cavour arbeitete, allein schon wegen der wirtschaftlichen Vorteile, die ein geeintes Italien der piemontesischen Industrie bringen würde, jedenfalls in diese Richtung; nur die risorgimentale Bewegung mochte nicht gleich mitziehen, denn die war, wie auch Garibaldi, eher republikanisch gesonnen. Immerhin war es dem Nationalkomitee gelungen, die Unterstützung des überzeugten Republikaners Daniele Manin zu bekommen, der schwerkrank im Pariser Exil lebte, was Mazzini, der auf von Garibaldi missbilligte Terrorakte, Aufstände und Überfälle setzte, sehr empörte.

Realpolitische Wende

Die neue piemontesische Regierung brachte Garibaldi auch ganz persönliche Vorteile, es wurde ihm erlaubt, nach Sardinien-Piemont zurückzukehren. Mit dem Geld, das ihm sein Bruder vererbte, kaufte Garibaldi Caprera, eine unbewohnte kleine Insel vor Sardinien, wo er seinen Traum vom einfachen Leben verwirklichen wollte. Unter seinen Gefährtinnen jener Jahre ist besonders Elisabeth von Schwarz zu erwähnen, die unter dem Namen Elpis Melena Reiseliteratur und Romane veröffentlichte. Die heute fast vollkommen vergessene Schriftstellerin übersetzte Garibaldis Schriften ins Deutsche und wurde zu seiner Biographin. Der wichtigste moderne Garibaldi Biograph Denis Mack Smith nennt sie die einflussreichste Frau in Garibaldis Leben nach Anita.[3]

Garibaldi hätte sie gern geheiratet, aber sie konnte sich nicht dazu entschließen, ihren römischen Salon und ihre Reisen für das karge Leben auf Caprera aufzugeben. Aus lauter Frust heiratete er 1859 eine achtzehnjährige Frau aus adligem Hause, eine Ehe, die bereits in der Hochzeitsnacht in die Brüche ging. Die Beziehung mit Elisabeth von Schwarz ging trotzdem weiter, sie verhandelte für Garibaldi, der sich in Italien damals nicht frei bewegen konnte, und war auch zur Stelle, wenn er in den kommenden Schlachten verletzt wurde.

In der nächsten Schlacht erntete er aber vor allem Ruhm, denn der Krieg, den Sardinien-Piemont 1859 zusammen mit Frankreich gegen Habsburg führte, beruhte auf der Geheimvereinbarung zwischen Cavour und Napoleon III., dass nach einer Niederlage der Habsburger diese aus Italien vertrieben werden sollten und so im Norden und der Mitte der Halbinsel die Einrichtung eines italienischen Staates unter piemontesischer Führung ermöglicht würde. Garibaldi nahm an diesem Krieg als piemontesischer General mit einer Freiwilligen-Truppe teil und gewann nach bewährter Manier seine Gefechte.

Insgesamt war das militärische Ergebnis des Krieges aber nicht so eindeutig und die Franzosen machten Habsburg im Frieden von Villafranca viele Zugeständnisse auf Kosten der Italiener, für die allenfalls ein Großpiemont unter Beibehaltung der Machtverhältnisse im restlichen Italien heraussprang; zudem verlangten die Franzosen für ihre Hilfe auch noch die Abtretung von Nizza, was Garibaldi empörte. Das Risorgimento als Volksbewegung war immer noch lebendig, in Mittelitalien kam es zu Volksaufständen, die dortigen Habsburger Herrscher wurden vertrieben und per Volksabstimmung der Anschluss an das neue Italien beschlossen.

Der vollkommene Ausschluss Roms und Süditaliens aus dem Einigungsprozess, die Tatsache, dass Cavour nicht abgeneigt war, die italienische Halbinsel zwischen Piemont und dem despotischen Königreich beider Sizilien aufzuteilen, hatte zum Aufstand in Sizilien geführt. Süditalienische Risorgimento-Aktivisten bedrängten Garibaldi, er solle nach Süden aufbrechen, um die dortigen Gebiete zu befreien, was Cavour nicht nur deshalb ablehnte, weil Sardinien-Piemont keinesfalls bei einem Angriff auf einen Nachbarstaat beteiligt sein wollte. Über die Kontroverse zwischen Garibaldi und Cavour, über das entscheidende Jahr 1860, darüber, wer Garibaldi wann unterstütze, wer die Expedition finanzierte, gibt es Berge an Forschungsliteratur, allerdings nicht auf Deutsch.[4]

Garibaldi und die legendären Tausend

Klar ist jedenfalls, dass Garibaldi am 5. Mai 1860 mit ca. 1.000 Freiwilligen, die zur einen Hälfte aus Arbeitern und zur anderen Hälfte aus Studenten und Akademikern bestanden, in See stach, um Sizilien und Süditalien zu befreien. Seine piemontesische Generals­uniform hatte er im Gepäck, um unterwegs auf einem piemontesischen Armeestützpunkt Gewehre und Munition zu requirieren bzw. zu entwenden. Ansonsten sah er so aus, wie er in die nationale Mythologie eingegangen ist, mit rotem Hemd, langen roten Haaren und wallendem Bart.

Nach der Landung in Marsala wurde schnell klar, warum Garibaldi gezögert hatte, diese Expedition zu unternehmen, Sizilien wurde von einer gutausgerüsteten, 25.000 Mann umfassenden Armee verteidigt. Seine Schlachten gewann er gegen drückende Übermacht, Palermo konnte er vor allem deshalb erobern, weil sich die Bevölkerung gegen die bourbonischen Herrscher erhob. Meisterhaft wurden die sizilianischen Ereignisse in ihrer Ambivalenz vom kommunistischen Adligen Giuseppe Tomasi di Lampedusa in seinem berühmten Roman Der Leopard beschrieben.

Obwohl Garibaldi seinen Feldzug unternahm, um Süditalien für den italienischen Nationalstaat zu erobern, versuchte Cavour weiterhin alles, um den Erfolg Garibaldis zu sabotieren, der nach der Eroberung von Sizilien wegen Mangel an Munition und Ausrüstung nicht gleich Richtung Neapel weiterziehen konnte. Cavour hatte die Rechnung allerdings ohne die internationale Solidarität gemacht, die in Form von Geld und Freiwilligen aus Italien wie aus dem restlichen Europa dafür sorgte, dass der Feldzug weitergehen konnte. Was Cavour noch mehr beunruhigte, war die Tatsache, dass auch Linke und Radikale aus ganz Europa zu Garibaldi strömten. Bald waren seine Truppen von 1.000 auf 20.000 angewachsen, mit denen die Eroberung Neapels und der Campagnia gelang.

Weniger erfolgreich als die Feldzüge stellte sich die Regierungszeit Garibaldis in Süditalien heraus, sein als Premierminister agierender Mazzianischer Mitstreiter Crispi ging drastisch gegen aufständische Bauern, die eine Landreform verlangten, vor und verärgerte damit sämtliche sizilianische Bevölkerungsgruppen. Die Mazzinianer wollten, dass Garibaldi in dem formell noch eigenstaatlichen Süden eine Republik ausrief und Wahlen für eine verfassunggebende Versammlung anberaumte, was Cavour so nervös machte, dass er die piemontesische Armee Richtung Süden schickte.

Immer wieder Rom

Garibaldi aber hatte weder Talent noch Interesse, einem italienischen Teilstaat vorzustehen, abgesehen davon, dass er seinen Eroberungszug mit dem Versprechen der Einigung und nicht der Teilung geführt hatte. So übergab er König Vittorio Emanuele im Oktober 1860 in Teano offiziell die Macht. Garibaldi wäre gern nach Rom weitergezogen, um eine alte Rechnung zu begleichen und die Stadt des Papstes für Italien zu erobern, aber das entsetzte die italienische Regierung noch mehr, denn die bemühte sich sehr um internationale Anerkennung und ein Angriff auf den Papststaat, der unter französischem Schutz stand, hätte zu großen Schwierigkeiten geführt. 1862 versuchte es Garibaldi trotzdem und wurde bei Aspromonte von italienischen Truppen gestoppt und angeschossen. Rom oder Tod war das Motto, und hierzu gibt es mit Gustav Seibts gleichnamiger Monographie auch einmal deutsche Literatur.[5]

Italien und Preußen näherten sich in den kommenden Jahren beträchtlich an, 1866 führten beide gegen Österreich Krieg, Ziel der Italiener war es, das Veneto zu erobern. Trotz der Feindschaft zwischen Garibaldianern und der Regierung, kämpfte Garibaldi auf der italienischen Seite, wie üblich schaffte er es, seine Gefechte zu gewinnen, während die reguläre Armee sämtliche Schlachten verlor. Das Veneto wurde trotzdem italienisch, denn die siegreichen Preußen gaben es an ihren Verbündeten weiter. Während die Schwächung Habsburgs im Interesse beider Länder lag, war Frankreich eine Art großer Bruder des jungen italienischen Staates, der bei aller Förderung Italiens den Papststaat durch eigene Truppen beschützte. Um diese Truppen in Rom zu binden, ließ ausgerechnet Bismarck die italienische Linke durch Geldzuwendungen unterstützen,[6] was Garibaldi vermutlich dazu brachte, 1867 einen Zug auf Rom zu unternehmen, der von französischen Truppen bei Mentana gestoppt wurde.

Bismarck und der historische Zufall ließen Rom dann doch italienisch werden: nach Niederlagen im preußisch-französischen Krieg wurde im September 1870 in Frankreich die Republik proklamiert und die Truppen aus Rom abgezogen, was die italienische Armee nutzte, um den Papststaat zu erobern. Garibaldi, der von der Realisierung des italienischen Staates in Form einer pompösen Monarchie recht enttäuscht war und Bismarck für einen autoritären Knochen hielt, zog nun gegen Preußen und für die Republik Frankreich in den Krieg, zudem solidarisierte er sich mit der Pariser Commune. Daraufhin wurde er von Progressiven als Symbol des Radikalismus in die französische Geschichte eingemeindet.[7] Diese Parteinahme brachte dem gefeierten Helden in Deutschland und Italien viel Kritik ein, außer von den italienischen Sozialisten, zu deren Lager er fortan gehörte.

Linkes Ende

Während Garibaldis Generäle wie Bixio oder Türr und seine mazzianisch gesonnenen jungen Männer wie Crispi oder Depretis mit fast unanständiger Eile nach rechts rückten und so die semirevolutionären Wurzeln des italienischen Nationalstaates vergessen machten, rückte Garibaldi nach links. Er wurde Mitglied der italienischen Sektion der Internationale und gab dem hoffungslos zwischen Marx- und Bakunin-Anhängern zerstrittenen Haufen ein bisschen Glanz. Ohne in dem Streit Partei zu ergreifen, distanzierte er sich von den italienischen Anarchisten. 1872 versuchte er, mit dem von ihm organisierten Einheitskongress die Spaltung durch Festlegung auf inhaltliche Gemeinsamkeiten zu überwinden, bei der die Forderung nach allgemeinem Männer- und Frauenwahlrecht ganz oben stand. Er wurde Parlamentsabgeordneter für die Radikalen und benutzte jeden Festakt, auf dem die alten Kämpfer von der Regierung geehrt wurden, um gegen den Staat zu sticheln, der die libertären und egalitären Versprechen des Risorgimento verraten habe. Bis zu seinem Tod 1882 inszenierte sich der durch Rheuma und Kriegsverletzungen fast gelähmte Garibaldi als schlechtes Gewissen der Nation und Mahner für die Freiheit, dem die Herzen des Volkes weiterhin zuflogen.[8]

Im direkten europäischen Freiheitsvergleich schnitt Italien damals nicht unbedingt schlecht ab, vor allem verglichen mit Deutschlands autoritärer Monarchie. Dies mussten nach einer Weile auch deutsche Altachtundvierziger feststellen, nachdem sie sich 1870 wegen Garibaldis Parteinahme für die Franzosen mit Abscheu von dem Helden der italienischen Einheit abgewandt hatten. Mit ein bisschen Neid wurde da gelegentlich konstatiert, dass der deutsche Einigungsprozess mit einem energetisch-charismatischen Revolutionär wie Garibaldi, der dem Weltgeist und dem historischen Prozess auf die Sprünge half, vermutlich besser gelaufen wäre.

Christina Ujma arbeitet seit 1994 als Hochschuldozentin am Department of European and International Studies an der Loughborough University, GB.

[1] Die einzig deutsche Biographie neueren Datums ist: Friederike Hausmann, Garibaldi. Die Geschichte eines Abenteurers, der Italien zur Einheit verhalf, Berlin. Alternativ ist ein Klassiker zu empfehlen: Ricarda Huch: Die Geschichten von Garibaldi.
[2] Zitiert nach Roland Sarti, Giuseppe Mazzini and his opponents, in: Italy in the Nineteenth Century 1796-1900, ed. By John Davis, (The Short Oxford History of Italy), Oxford 2000, S. 94.
[3] Vgl. Denis Mack Smith, Garibaldi. A Great Life in Brief, New York 1956, S. 62.
[4] Am bekanntesten ist vermutlich: Denis Mack Smith, Cavour and Garibaldi 1860. A study in Political Conflict, Cambridge 1954.

5 Gustav Seibt, Rom oder Tod, Berlin 2001
[6] Vgl. Jens Petersen, Garibaldi und Deutschland 1870/71, in: Jens Petersen, Italienbilder – Deutschlandbilder, Gesammelte Aufsätze, hrsg. v. seinen Freunden, Köln 1999, S. 120-131.
[7] Vgl. Maurice Agulhon, Der Mythos Garibaldi in Frankreich von 1882 bis heute, in: Der vagabundierende Blick. Für ein neues Verständnis politischer Geschichtsschreibung, Frankfurt 1995.
[8] Vgl. Lucy Riall, Garibaldi. Invention of a Hero, New Haven 2007, S. 370-387.

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