23. Dezember 2021 Jonathan Diesselhorst/Inga Jensen/Patrick Schreiner: Wohnen und Bauen im Koalitionsvertrag

Der Teufel steckt im Detail

SPD, Grüne und FDP wollen ausweislich ihres Koalitionsvertrags »Mehr Fortschritt wagen«. Für das Themenfeld Wohnen und Bauen wird dieses Versprechen nur teilweise eingelöst: Bei der Regulierung von Mietverhältnissen bleibt die Ampel weit hinter dem Notwendigen zurück.

Beim Neubau sind ihre Ziele ambitioniert, aber wohl nur schwer umzusetzen. Bei der Leistbarkeit des Neubaus, beim Klimaschutz, bei der Wiedereinführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit und bei der Reform der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wird es auf die Details der Umsetzung ankommen.


Neubau: Durch wen und für wen?

Der Koalitionsvertrag sieht vor, jährlich 400.000 Wohnungen zu errichten, davon 100.000 öffentlich gefördert. Dies entspricht einer Steigerung der Wohnungsbauleistung um ein Drittel (im Durchschnitt der letzten Jahre wurden ca. 300.000 Wohnungen fertiggestellt) und einer Vervierfachung der bisher fertiggestellten Zahl an geförderten Wohnungen.

Angesichts fehlender personeller Kapazitäten in Baugewerbe und Bauindustrie muss sich die Bundesregierung jedoch fragen lassen, wie sie ihr Versprechen erfüllen will: Seit 2010 hat die Zahl der sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen in der Bauwirtschaft um knapp 200.000 Personen zugenommen. Um eine derart massive Steigerung des Wohnungsbauvolumens umzusetzen, müsste die Baubranche innerhalb weniger Jahre noch einmal so stark wachsen wie im ganzen letzten Jahrzehnt. Hierbei ist außerdem zu berücksichtigen, dass in den kommenden Jahren viele Beschäftigte der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge aus dem Berufsleben ausscheiden werden. Schon allein vor dem Hintergrund dieser Engpässe, aber auch solcher in den kommunalen Planungs- und Genehmigungsbehörden ist der Neubau von 400.000 Wohnungen pro Jahr zumindest kurz- bis mittelfristig nicht zu erreichen.

Es ist unumstritten, dass von hohen Wohnkosten und Wohnungsmangel in Deutschland zuvorderst Personen bzw. Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen betroffen sind. Der Koalitionsvertrag der »Ampel« sieht zwar vor, dass pro Jahr 100.000 Wohnungen mit öffentlicher Förderung errichtet werden sollen (unklar ist, ob darunter auch geförderte Eigentumswohnungen sowie gemeinnützige Wohnungen gefasst werden). In 2019 sind allerdings über 70.000 Sozialmietwohnungen aufgrund der zeitlichen Befristung aus der Mietpreis- und Belegungsbindung herausgefallen. Ein tatsächlicher Zuwachs an Sozialwohnungen setzt demnach voraus, dass die Zielmarke von 100.000 Wohnungen annähernd erreicht wird und ganz überwiegend Mietwohnungen gefördert werden.

Jonathan Diesselhorst arbeitet als Gewerkschaftssekretär im Bereich Wirtschaftspolitik der Gewerkschaft IG BAU, Inga Jensen ist Wohnungsforscherin und promoviert an der Bauhaus-Universität Weimar zu Fragen der (Re-)Kommunalisierung von Wohnraum, Dr. Patrick Schreiner ist Gewerkschaftssekretär in der ver.di-Bundesverwaltung, Bereich Wirtschaftspolitik.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

Zurück