24. November 2019 Joachim Bischoff

Die AfD und die Transformation des Parteiensystems

Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen haben die »etablierten« Parteien gegen einen Wahlerfolg der AfD angekämpft. Der Verhinderungswahlkampf brachte einen Teilerfolg. Die AfD eroberte in Sachsen mit 27,5%, in Brandenburg mit 23,5% und in Thüringen mit 23,4% jeweils »nur« den zweiten Platz.

Die CDU hat in Sachsen, die SPD in Brandenburg und DIE LINKE in Thüringen gewonnen. Dass damit allerdings eine Wende im Kampf gegen den deutschen Populismus geschafft ist, wäre eine falsche Schlussfolgerung.

1.
In der medialen Verarbeitung der letzten Landtagswahlen überwiegt eher eine Unterschätzung der Neuen Rechten: »In Brandenburg haben 14 von 100 Wahlberechtigten die AfD gewählt, in Sachsen waren es 18. Andersrum haben 86 beziehungsweise 82 Prozent, also die große Mehrheit, die Partei nicht gewählt. Die AfD ist keine Volkspartei, sie ist nach wie vor eine Minderheit. Sie wird von einer verschworenen Gemeinschaft getragen, überwiegend von Männern, die das demokratische System ablehnen, sowie Statusängste und extrem pessimistische Erwartungen haben. Sie sind außerdem anfällig für völkisches Gedankengut.«[1] Die in dieser Kommentierung zum Ausdruck kommende Unterschätzung ist verständlich, aber die Erosion des bundesdeutschen Parteiensystems und die Gefährdung der Demokratie sind gefährlich.

In der Auswertung ihres Wahlerfolges erklärt sich die AfD einerseits zur »Volkspartei», andererseits heftet sie sich das Etikett »bürgerlich« an die Brust. AfD-Chef Alexander Gauland sieht sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg und Thüringen »bürgerliche Mehrheiten«, die aber noch nicht zum Tragen kämen. »Deutlich wird, dass wir inzwischen die neue bürgerliche Volkspartei sind und da es eine bürgerliche Mehrheit gibt, könnten wir mit der CDU regieren.« Mittelfristig, so Gauland, werde sich eine »bürgerliche Mehrheit« aus AfD und CDU durchsetzen.

Jörg Urban, der AfD-Chef von Sachsen, glaubt, dass seine Partei nicht 27,5%, sondern 35% der Stimmen geholt hätte, wenn sie von den anderen Parteien, Kirchen und Verbänden nicht so vehement bekämpft worden wäre. Der rechtsradikale Publizist Götz Kubitschek erklärt, wie die Partei ihren Einfluss noch ausweiten kann, indem sie sich Stärkung des »Bekennermuts« stark macht: »Die AfD ist in der seltsamen Lage, mehr Wähler zu haben als prozentual dafür notwendige Mandatsträger und Mitarbeiter. … Daß die Alternative bisher nicht genügend Leute davon überzeugen konnte, wahrnehmbar an diesem Politikwechsel mitzuarbeiten, ist das Ergebnis der geballten denunziatorischen Stigmatisierung der Partei: Jeder, der nicht sowieso aus ›unserem Milieu‹ stammt, wird sich vor seinen Verwandten, Freunden, seinen Vereinskollegen, der Lehrerschaft an der Schule seiner Kinder, vielleicht sogar vor seinen Kindern dafür rechtfertigen müssen, daß er mittut bei jenen, die nicht Gutes im Schilde führen.«[2]

2.
Wir haben es nicht mit einer kurzzeitigen Protesterscheinung zu tun, sondern mit einer rechtsradikalen System-Opposition, die sich formell auf das Grundgesetz bezieht, aber die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend infragestellt.

Joachim Bischoff ist Mitherausgeber von Sozialismus.de.

[1] Manfred Güllner, »Die AfD ist keine Volkspartei«, Interview mit NTV 2.9.2019.
[2] Götz Kubitschek, Nach den Wahlen: fünf Anmerkungen, in: Sezession vom 2.9.; https://sezession.de/61545/nach-den-wahlen-fuenf-anmerkungen.

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