28. September 2017 Redaktion Sozialismus

Die »Berliner Republik« rückt nach rechts

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Die Regierungsparteien der großen Koalition CDU/CSU und SPD haben die Bundestagswahl deutlich (-13,7 %) verloren. Die Abwahl dieser Konstellation drückt eine massive Verschiebung in der politischen Tektonik der Republik aus. Das Beben wird die gewohnten Verhältnisse und Institutionen nachhaltig erschüttern.[1]

Trotz Verlusten bleibt die Union die stärkste Kraft in Deutschland: Bundesweit haben CDU und CSU 33% der Stimmen erhalten, aber die Union schnitt in allen 299 Wahlkreisen schlechter ab als bei der letzten Wahl im Jahr 2013. Auffallend sind die zweistelligen Verluste der CDU: in Sachsen (-15,8%), in Baden-Württemberg (-11,3%), in Sachsen-Anhalt (-10,9%) und in Thüringen (-10%). Auch der Schwesterpartei CSU ist es nicht gelungen, durch Verstärkung ihrer rechtskonservativen Programmatik (innere Sicherheit, Flüchtlingspolitik) die AfD klein zu halten. Sie verliert in Bayern 10,5% und landet bei nur noch 38,8%, weit entfernt von der absoluten Mehrheit. Rechts von der CSU hat sich auch in Bayern die AfD mit 12,4% festgesetzt.

Deutschland wird für weitere vier Jahre von Angela Merkel regiert werden, die Union will mit der FDP und den Grünen eine »Jamaika«-Koalition vereinbaren. Eine Koalition nur mit den Liberalen, die sich viele Wirtschaftsvertreter wünschten, ist nicht zu realisieren. Die Grünen, der von Merkel favorisierte Koalitionspartner, konnten sich zwar gegen Stimmverluste wehren, ob die Partei als Koalitionspartner die sich abzeichnende Rückkehr zu einer neoliberalen Deregulierungs- und Umverteilungspolitik aufhalten oder abschwächen kann, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall dürften die Koalitionsverhandlungen langwierig und kompliziert werden.

Die SPD muss das schlechteste Ergebnis seit der Gründung der Bundesrepublik verbuchen. Nach 2009 (23%) und 2013 (25,7%) erhielt sie jetzt nur noch 20,5% der Stimmen. Ein weiterer Niedergang der Sozialdemokratie zeichnete sich zwar seit Monaten ab. Das Ausmaß der Niederlage veranlasste nun die Parteiführung dazu, eine Fortführung der großen Koalition auszuschlagen. Sie will in der Opposition eine »Erneuerung« auf den Weg bringen. Insgesamt schwächelt die europäische Sozialdemokratie extrem und steckt in einer tiefen programmatisch-organisatorischen Krise. Allein der Wechsel der SPD in die Oppositionsrolle schafft bestenfalls bessere Bedingungen für eine Neuerfindung.

Die Linkspartei hat ihr Ziel, erneut drittstärkste Kraft zu werden, deutlich verfehlt, zugleich aber das bisher zweitbeste Ergebnis bei Bundestagswahlen überhaupt erreicht. Bei den absoluten Zahlen zeigt sich eine klare Ausweitung des gesellschaftlichen Rückhalts. Aber auch für die Partei der sozialistischen Linken werden mit dem Übergang der SPD in die Opposition die politischen Rahmenbedingungen schwieriger. DIE LINKE steht vor der Aufgabe, die Transformationsstrategie der kapitalistischen Gesellschaft zu präzisieren und – zusammen mit Bündnispartnern – die Widerstandskräfte gegen die Fortsetzung des Rechts­trends zu entwickeln.

Politisch herausragend und von weiterreichender Bedeutung ist der weitere Aufstieg der AfD. Die rechtspopulistische Partei hat 12,6% der Stimmen erreicht und damit im Vergleich mit der Wahl von 2013 ihr Ergebnis um 7,9 Prozentpunkte verbessert. Sie konnte rund 1,2 Millionen NichtwählerInnen mobilisieren, der Union nahm sie eine Million WählerInnen ab, der SPD eine halbe Million und der Linken 400.000. Die AfD ist die Siegerin der Bundestagswahl 2017. Sie wird mit 94 Abgeordneten als drittstärkste Kraft ins Parlament einziehen. Alle Phantasien vom nahen Ende der modernen Rechten wurden als Illusionen entlarvt.

[1] Vor dem 15. Oktober, dem Tag der Landtagswahlen in Niedersachsen, wird es zu keinen politischen Weichenstellungen kommen. Die sofort nach dem Wahltag ausgebrochenen internen Auseinandersetzungen in der AfD und im Unionslager sowie bei den Grünen, aber auch in der SPD und bei der LINKEN, zeigen, wie schwierig es für die Parteien ist, sich auf die dras­tisch veränderten politischen Konstellationen einzustellen und neue Bündnisse zu schmieden.

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