25. August 2022 Micha Brumlik

Die Documenta – Anlass einer neuen Antisemitismusdebatte

Während sich noch alle Welt über antisemitische Bilder aus dem globalen Süden, wie sie auf der Documenta zunächst präsentiert wurden, erregt, feiert der ganz normale Antisemitismus – wenn auch in homöopathischen Dosen – fröhliche Urstände.

So glaubte ein Professor für Nordamerikastudien, Josef Braml, in einem Fernsehgespräch mit der ansonsten klugen Moderatorin Dunja Hayali anlässlich von US-Präsident Bidens Nahostreise etwas von »jüdischer Lobby« bemerken zu müssen. Wohl ohne sich bewusst zu sein, damit ein klassisches antisemitisches Klischee zu bedienen.

Das war am 15. Juli 2022, und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, keine Bemerkung wert. Anders gut eine einige Tage später, als Schuster ausgerechnet der BILD-Zeitung folgendes zu Protokoll gab: »Bei der Documenta gipfelte, was wir leider seit Jahren in Teilen des deutschen Kulturbetriebes beobachten […] BDS wird gezielt verharmlost.«

Eine Aussage, die nicht nur auf die Kulturstaatsministerin Claudia Roth zielte, die sich bei der BDS-Resolution des Bundestages im Mai 2019 der Stimme enthielt, sondern auch auf die von nicht wenigen Jüdinnen und Juden mitgetragene Erklärung »Weltoffenheit« – wenn nicht gar auf die von namhaften israelisch-jüdischen WissenschaftlerInnen unterzeichnete »Jerusalem Declaration« – so Schuster am 15.7. in der BILD.

Vier Tage später wiederholte er seine Vorwürfe in einer Leitkolumne der vom Zentralrat herausgegebenen »Jüdischen Allgemeinen«, wo er schrieb: »BDS-Ideologen die staatlich finanzierten Räume zu nehmen, in denen sie sich aktuell bewegen, ist kein Ausdruck von Zensur. Das ist notwendig, wenn man die Antisemitismus Bekämpfung ernst nimmt.« Und das dem Umstand zum Trotz, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Januar des Jahres einen Beschluss der Stadt München rückgängig machte, einer Veranstaltung, die im Verdacht stand, mit BDS zu sympathisieren, Räume zu verweigern.

Das BDS Problem

Daher sei hier noch einmal daran erinnert, worum genau es im Falle BDS geht.

Micha Brumlik ist seit 2013 »Senior Advisor« am Selma Stern Zentrum für jüdische Studien Berlin/Brandenburg. Bis 2013 war er Professor für Theorien der Bildung und Erziehung und von 2000 bis 2005 Direktor des Fritz Bauer Instituts – Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte des Holocaust in Frankfurt a.M. Zuletzt schrieb er in Sozialismus.de 12-2021 zum geschichtspolitischen »Kurswechsel« des israelischen Außenministers Jair Lapid: »Rassismus und Antisemitismus«. Im VSA: Verlag erschien sein Buch »Postkolonialer Antisemitismus? Achille Mbembe, die palästinensische BDS-Bewegung und andere Aufreger« (aktualisierte Auflage Hamburg 2022).

[1] Zur BDS-Bewegung siehe auch das Kapitel 2 (»Die BDS-Bewegung und ihre Geschichte«) meines Buches »Postkolonialer Antisemitismus? Achille Mbembe, die palästinensische BDS-Bewegung und andere Aufreger« (aktualisierte Auflage, Hamburg 2022).
[2] www.gg53weltoffenheit.org/.
[3] jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/2021/03/JDA-deutsch-final.ok_.pdf.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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