24. Dezember 2023 Fritz Fiehler: Klimapolitik – mit einem ökologisch bekehrten Marx?

Die globale Zielvereinbarung

Karl Marx arbeitet sich am »Tableau économique« ab (Sozialismus-Archiv, Montage).

In Dubai haben sich 198 Nationalstaaten auf eine Abkehr von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen verständigt. Auch soll der Umbau für die Begrenzung der Klimaerwärmung beschleunigt werden, von einer Verdreifachung erneuerbarer Energien bis 2030 ist die Rede.

Allen Unzulänglichkeiten zum Trotz steht die jahrzehntelange Verhandlung der Konferenz von Bretton Woods, der Gründung der Vereinten Nationen oder der Dekolonisation in nichts nach. Und sie wird auch ihre Wirkung auf die Umwälzung haben, die in den industriellen Zentren bereits eingesetzt hat.

Deren außen- und binnenwirtschaftliche Veränderungen setzen allen Nationalstaaten sichtlich zu. Sie lassen auch Verteilung und Wohlfahrt nicht unberührt. Jedenfalls erschwert das die öffentliche und politische Willensbildung, in deren Namen Unterschriften in Kyoto, Paris oder jetzt Dubai getätigt worden sind. Anstelle eines täglichen Räsonierens über die klimapolitischen Ziele wäre eine verständige Orientierung von Vorteil. Aber dafür bieten Rechnungswesen, Haushaltspolitik, Klimaberichte, Meinungsforschung etc. nur Bruchstücke, an deren Synthese es fehlt.

Von dieser Gesellschaft ist erwartet worden, dass sie ihren geschichtlichen Zweck in »der Kooperation und des Gemeinbesitzes der Erde und der durch die Arbeit selbst produzierten Produktionsmittel«[1] erfüllen würde. Aber schafft sie das? »Eine Gesellschaftsformation geht nie unter«, schreibt Marx, »bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Bedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind. In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche als progressive Epochen der Gesellschaftsformation bezeichnet werden.«[2]

Die drei Sätze dürften zu seinen umstrittensten zählen. Hat sich Marx hier geschichtsphilosophisch verstiegen? Davon ist Kohei Saito überzeugt: Ob die Voraussetzungen für eine gemeinschaftliche Aneignung des Blauen Planeten auf diesem Weg zustande kommen, und ob dafür auch unterschiedliche Entwicklungsverläufe in Rechnung gestellt werden – das bezweifelt Saito. Und er hat seine Gründe in seinem viel beachteten Buch »Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus«[3] vorgelegt. [...]

Fritz Fiehler arbeitet in der Sozialistischen Studiengruppe (SOST).

[1] Vgl. Karl Marx (1969): Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, Berlin, S. 791.
[2] Karl Marx (1971): Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, Berlin, S. 9. [3] Kohei Saito (2023): Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus. München. Im Folgenden als Systemsturz // zitiert.

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