22. Dezember 2022 Alban Werner: Über eine Partei in schrittweiser Auflösung

DIE LINKE: Hoffen auf ein Licht am Ende des Tunnels

DIE LINKE ist in einer existenziell bedrohlichen Lage. Sie ist praktisch an allen wichtigen, inneren und äußeren Handlungsumwelten einer Partei akut gefährdet. Bei Wahlen hat sie nahezu überall verloren. Ihr Einzug in Landtage westdeutscher Flächenländer scheint nach den Verlusten im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gerade nirgendwo absehbar.

Eine, allerdings begrenzte, Sonderrolle spielen die Stadtstaaten Bremen und Berlin, in denen DIE LINKE mitregiert. Auch in den neuen Bundesländern ist die Zustimmung bei Wahlen deutlich rückläufig, einschließlich der bisherigen Hochburg Thüringen. Weiterhin ist DIE LINKE erheblich weniger präsent und wirkmächtig als politische Kraft im öffentlichen Raum, als Referenzgröße und Ansprechpartnerin politischer Anliegen. In vielen Alltagsgesprächen über Probleme auf der innen-, europa- und weltpolitischen Ebene spielt sie keine Rolle.

Der »heiße Herbst« gegen die Krisenpolitik der Ampel-Regierung ist überdeutlich gescheitert, konnte er doch weder in relevantem Umfang Massen mobilisieren, noch merklich die Koordinaten der Debatte verschieben. Schließlich gibt DIE LINKE als Organisation kein schmeichelhaftes Bild ab. Hierzu beigetragen haben erstens der inzwischen verhärtete Streit zwischen der Mehrheit der Bundestagsfraktion und derjenigen im Parteivorstand, der durch provokative Äußerungen Sahra Wagenknechts wiederholt befeuert wurde. Negativfaktoren waren zweitens die sog. me too-Skandale, bei denen bis heute ungeklärt ist, wie stark die Skandalisierung sachgerecht tatsächlichen Missständen entspringt oder unter Hinzunahme von Massenmedien als zynischer Schachzug im innerparteilichen Machtkampf sowie als Spielweise eines empörungsgetriebenen Politikstils genutzt wurde. Negativ zu Buche schlagen drittens die sich mehrenden Austritte in alle Richtungen, die bei ausbleibender Umkehr auf ein sukzessives »Ausbluten« der Partei hinauslaufen.


Versuch einer Periodisierung der LINKEN

Ohne der Zeitgeschichte über Gebühr Gewalt anzutun, lassen sich in der Entwicklung der LINKEN bislang fünf Phasen unterscheiden.

In der ersten Phase von 2003–2005 gelingt der Übergang von außerparlamentarischer linker Bewegung zur erstmalig erfolgreichen Kandidatur einer Partei links von SPD und Bündnisgrünen zum Bundestag. Im Nachhinein wird deutlich, wie spezifisch und daher wahrscheinlich unwiederholbar diese Konstellation gewesen ist. Zum einen verlagert sich unter dem Eindruck der Agenda 2010-Politik der rot-grünen Bundesregierung das Themenregister der außerparlamentarischen und vielfach zersplitterten linken Gruppen und Grüppchen von abstrakt-komplexeren Themen wie Antikapitalismus, Finanzmärkten und Globalisierung auf alltagsnähere Probleme wie soziale Rechte. Die kritisierte Politik trifft nicht nur Marginalisierte, sondern auch die Kernklientel der Sozialdemokratie. Relevante Teile des gewerkschaftlichen Mittelbaus wenden sich von der SPD ab. Unter dem Eindruck einer neoliberalen Allparteienkoalition, mit der hinzugetretenen Prominenz des vormaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine reicht es für einen historischen Einzug in den Bundestag.

In der zweiten Phase 2005–2009 folgt zunächst ein heute bereits vergessenes Zwischentief in den Umfragen, das jedoch durch den ersten erfolgreichen Einzug in ein westdeutsches Landesparlament in Bremen und den Vereinigungsparteitag 2007 überwunden wurde.

Alban Werner lebt in Köln und ist Mitglied der SOST AG.

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