23. Februar 2017 Euclid Tsakalotos im Gespräch mit Haris Golemis über Griechenland und die EU

Die Linke kann nicht abseits stehen

Haris Golemis: Die griechische Regierung ist derzeit damit befasst, die zweite Überprüfung jenes schmerzlichen dritten Hilfsprogramms abzuschließen, dem zuzustimmen sie im Juli 2015 gezwungen war. Ich gehe davon aus, dass es deine Position und die der gesamten Regierung ist, dass die Evaluierung dieses dritten Memorandums so schnell wie möglich abgeschlossen werden muss, damit eine Übereinkunft über den Restrukturierungsplan für kurzfristige Schulden erreicht werden kann.

Das wird dann auch Griechenland in die Lage versetzen, von der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, dem »quantitive easing«, zu profitieren, was im Gegenzug auf den Finanzmärkten wieder das Vertrauen herstellen würde. Das alles soll neben der fiskalischen, sozialen und politischen Stabilität dazu dienen – zusammen mit dem ausgedehnten Privatisierungsprogramm, zu dem wir durch das Memorandum verpflichtet sind – Investitio­nen im Inland und aus dem Ausland zu generieren, die dann Wachstum und eine Verringerung der Arbeitslosigkeit mit sich bringen.

Daher meine Frage: Denkst du, dass eine derartige Politik in die Strategie einer radikalen linken Partei integriert werden kann? Oder provokativ gefragt: Inwiefern gibt es hier überhaupt eine Differenz zum neoliberalen Narrativ der Krisenüberwindung?

Euclid Tsakalotos: Eine gute Frage, und sicherlich mit am schwierigsten zu beantworten. Aber anders als deine Frage unterstellt, ist die Sache komplexer und nicht so einseitig, sowohl bei dem erreichten Abkommen als auch bei unseren Verhandlungszielen.

Ich möchte das mit einigen Beispielen verdeutlichen. Wir haben zwar wie auferlegt die Renten gekürzt, aber überwiegend am oberen Ende der Einkommensskala.

Euclid Tsakalotos ist seit Juli 2015 griechischer Finanzminister und war 2004 Gründungsmitglied von Syriza. Zahlreiche Publikationen zu politökonomischen Themen. Letzte Buchveröffentlichung (zusammen mit Christos Laskos): Brennpunkt Griechenland. Krise, Eurozone und die Weltwirtschaft, Köln 2015: Neuer ISP-Verlag (zuerst London 2013).
Haris Golemis ist Ökonom und Direktor des Nicos-Poulantzas-Instituts in Athen. Er ist Mitglied des Zentralkomitees von Syriza und Legal Representative von transform! europe.
Das am 12. Dezember 2016 geführte Gespräch ist kürzlich in der englischen Ausgabe des transform!-Jahrbuchs 2017 erschienen, dessen deutschsprachige Fassung im April 2017 bei VSA herauskommt. Übersetzung aus dem Englischen von Hinrich Kuhls.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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