30. Juni 2023 Joachim Bischoff

Die völkisch-nationalistische AfD im Aufwind

Erstmals seit der Parteigründung ist im Thüringer Kreis Sonneberg mit dem Landtagsabgeordneten Robert Sesselmann ein AfD-Politiker in das Amt des Landrats gewählt worden. Er erhielt in der Stichwahl vom 25. Juni 2023 52,8%.

Ein Bündnis von der CDU über die Grünen bis zur Linkspartei hatte vergeblich zur Unterstützung des CDU-Kandidaten Jürgen Köpper aufgerufen, der auf 47,2% kam. Christdemokratische Politiker sehen in der Unzufriedenheit vieler Bürger*innen mit der Bundespolitik den Grund für das Wahlergebnis. So ist für Thüringens CDU-Generalsekretär, Christian Herrgott, mit dem Wahlergebnis »klar, dass jetzt wir alle die Aufgabe haben, Lösungen gegen diese Art des Protestes gegen Berlin zu finden«. Ähnlich äußerte sich auch die Sonneberger Landtagsabgeordnete Beate Meissner: »Das ist kein Denkzettel, das ist die volle Breitseite gegen die Bundespolitik.« Die grüne Co-Chefin Ricarda Lang machte die Unionsparteien indirekt für das Ergebnis mitverantwortlich: »Wenn ein rechter Kulturkampf entbrennt – und von demokratischen Kräften gefüttert wird –, profitieren davon nicht die bürgerlichen Parteien, sondern das Original, in diesem Fall die rechtsextreme AfD.«

Für die Rechtsaußen-Partei ist dieser Wahlsieg ein Durchbruch. AfD-Chef Tino Chrupalla freut sich: »Das war erst der Anfang. Wir überzeugen Mehrheiten mit unserer Politik für die Interessen der Bürger. So werden wir für Deutschland die Wende zum Guten erreichen.« Für Thüringens AfD-Chef, Björn ­Höcke, geht von Sonneberg ein »politisches Wetterleuchten« aus. Man wolle diesen Schwung mitnehmen für die kommenden Landratswahlen. »Und dann bereiten wir uns für die Landtagswahlen im Osten vor, wo wir dann wirklich ein politisches Erdbeben erzeugen können.« Die AfD liegt in den Umfragen in Thüringen schon jetzt weit vor allen anderen Parteien, Höcke geht jetzt noch gestärkt in die Landtagswahlen im kommenden Jahr. Als Vorsitzender des ersten Verbandes mit einem kommunalen Wahlsieger dürfte sein ohnehin schon großer Einfluss auf die Bundespartei weiter zunehmen.

Das Ergebnis in Sonneberg bedeutet ohne Zweifel Rückenwind für die drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden Jahr. Sesselmann ist ein typischer AfD-Politiker. Auf seinem Wahlbus prangt das Wort »Heimatliebe«, in Landtagsreden fordert er, ähnlich wie der Co-Parteichef Chrupalla, den Ukraine-Krieg zu beenden und die Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Als der thüringische Ministerpräsident Ramelow den Justizminister der Grünen gegen dessen Willen aus dem Amt entließ, kommentierte Sesselmann das am 31. Januar 2023 so: »Eiskalt und skrupellos, meine Damen und Herren, serviert die Kriegspartei unter Vorsitz des Klimaschauspielers zusammen mit der geistig minderbemittelten Grünen-Spitze ihren einzigen Realo ab und demontiert die Landesregierung damit.«

Sesselmann sieht die CDU kritisch und stellt wie die Co-Parteichefin Weidel das Bestehen der Brandmauer von der CDU zur AfD auf Landesebene infrage: »Die CDU ist in Thüringen auf einem guten Weg, sich selbst abzuschaffen«, sagte er im Gespräch mit der »Jungen Freiheit«. Wenn die Christdemokraten nicht bereit seien, über ihren »Schatten zu springen«, würden sie spätestens bei den nächsten Landtagswahlen von den Wähler*innen abgestraft werden.

Aufwind für die Rechtspopulisten in Europa

Die AfD wird in Deutschland immer stärker, die von den Christdemokraten ausgerufene Brandmauer zwischen bürgerlich-konservativen und rechten Parteien bröckelt. Sonneberg, das Land Thüringen oder die anderen ostdeutschen Bundesländer sind aber keine politische Rarität. Was sich bei der Landratswahl ereignet hat – das schlechte Abschneiden der »Ampel«parteien sowie der Aufstieg der AfD – ist in Wahrheit genau das, was seit Jahren fast überall auf dem europäischen Kontinent passiert. Große christdemokratische und sozialdemokratische Parteien, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges über bequeme Mehrheiten verfügten, kommen ins Trudeln oder sind häufig komplett abgestürzt.

Joachim Bischoff ist Mitherausgeber von Sozia­lismus.de.

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