25. Oktober 2023 Melisa Atav: Über die Proteste gegen die Schließung von Binding in Frankfurt a.M.

»Du brauchst jemanden, der den Funken zündet«

Im September letzten Jahres wurde die Schließung der Binding-Brauerei in Frankfurt am Main verkündet, womit eine seit 1881 bestehende Unternehmensgeschichte auf dem Sachsenhäuser Berg endet.

Im Oktober 2023 soll, bis auf die Verwaltungszentrale, der gesamte Betrieb geschlossen und die Produktion an unterschiedliche Standorte verlagert werden.[1] Unmittelbar betroffen vom Kahlschlag des Werks sind etwa 170 Beschäftigte. Gründe für die Werkschließung seien bestehende Überkapazitäten (Unterauslastung der Produktionsmittel), ein generell rückläufiger Bierkonsum sowie die weiterhin andauernde Energiepreiskrise, ließ das Unternehmen verlauten.

Dass 2018 bereits eine Anlage aus dem Produktionszyklus entnommen und die Braukapazität dadurch um etwa 500.000 Hektoliter verschmälert wurde, macht das Argument der Betriebsführung von scheinbar bestehenden Überkapazitäten unplausibel. Eine Mär also, wie der stellvertretende Landesbezirksvorsitzende der NGG-Südwest (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten), Hakan Ulucay, klarstellt: »Es kann nicht sein, dass ein Volumen aus dem Standort abgezogen wird, um dann, mit dem Hinweis auf zu wenig Volumen, den Standort zu schließen.« Es träfe zu, dass der Bierkonsum abnehme, so der Geschäftsführer der NGG Rhein-Main, Hendrik Hallier. Die hohen Energiepreise hingegen seien kein exklusives Problem der Bierbranche. Hinzu käme, dass Binding am Standort genügend Kapazitäten im Erfrischungsgetränkebereich habe, das Unternehmen also das Produktionsvolumen hätte kompensieren können.[2]

Die Binding-Brauerei, die der Radeberger-Gruppe angehört und diese wiederum dem Oetker-Konzern, reiht sich in eine Serie von Brauereischließungen ein. So auch die Pfungstädter Brauerei, die das Grundstück bereits 2020 an Daniel Hopp, den Sohn des SAP-Mitbegründers Dietmar Hopp, verkaufte und in diesem Jahr den Betrieb einstellte. Für das Gelände der Pfungstädter-Brauerei ist nun der Bau von Wohnungen vorgesehen.

Es mag wie ein Déjà-vu erscheinen: Der beschriebene Vorgang erinnert an einen weiteren bekannten Markennamen aus Frankfurt, das Henninger Bräu. Nach der Insolvenz des Brau-Unternehmens wurde SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp zum Hauptaktionär und gab zuerst an, den Brauereibetrieb weiterführen zu wollen.[3] Stattdessen aber wurde der Betrieb eingestellt und das Gelände der Brauerei, nach jahrelangem Brachliegen, zum Abriss und für den Bau von Luxuswohnungen freigegeben. Die Marken- und Vertriebsrechte kaufte die Radeberger-Gruppe auf und braute das Henninger-Bier gegenüberliegend auf ihrem Gelände.

Melisa Atav ist Studentin der Soziologie an der TU Darmstadt mit dem Themenschwerpunkt Arbeit und Organisation. Sie ist studentische Hilfskraft im Funktionsbereich Sozialpolitik der IG Metall Vorstandsverwaltung.

Seit November des vergangenen Jahres habe ich im Rahmen einer eigenen Forschungsarbeit die Binding-Belegschaft bei ihrem Kampf gegen die Schließung der Brauerei begleitet. Es folgt ein Einblick in die dabei gesammelten Eindrücke und Ergebnisse. Ich danke der Binding-Belegschaft und insbesondere auch dem Betriebsrat und der NGG für die lehrreichen zehn Monate, die ich an ihrer Seite verbringen durfte.

[1] www.faz.net/aktuell/rhein-main/ende-der-binding-brauerei-frankfurter-bier-kommt-kuenftig-aus-franken-18999365.html [17.9.2023].
[2] www.hessenschau.de/wirtschaft/pfungstaedter-bier-wird-demnaechst-in-bayern-gebraut-v1,pfungstaedter-eder-koop-100.html [16.9.2023].
[3] www.spiegel.de/­wirtschaft/es-wird- sich-lohnen-a-ad830f77-0002-0001-0000-000015118795 [18.9.2023].

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