26. Januar 2024 Hajo Funke: Die seit Jahrzehnten größte Demokratiebewegung fordert die Politik heraus

Ein AfD-Masterplan

Am 10. Januar 2024 veröffentlichte das investigative Journalistennetzwerk »Correctiv« seine Recherche zu einem Treffen hochrangiger AfD-Politiker, Neonazis, finanzstarker Unternehmer und Mitgliedern der Werteunion in der CDU, das am 25. November im Landhaus Adlon am Lehnitzsee in Potsdam stattgefunden hat.

Thema war die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland. Eingeladen hatte der ehemalige Düsseldorfer Gernot Mörig, der zuvor in der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ) aktiv war und zu den allerextremsten gehörte. In der Einladung ging es auch um eine »konkrete Machtperspektive für die AfD in Sachsen«.

Diskutiert werden solle ein »Gesamtkonzept, im Sinne eines Masterplans«, den ein Redner vorstellen werde, den er stolz ankündigt: »Kein Geringerer« als Martin Sellner, der österreichische Gründer der Identitären, der schon als Jugendlicher Neonazi war.

Und Sellner trug in der Tat vor, und zwar eine Strategierede zum Umsturz und zur zwangsweisen Vertreibung von Millionen von in Deutschland nicht gewünschten sogenannten Ausländern und Staatsbürgern mit Migrationshintergrund, die er für nicht assimilierbar hält. Er will sie in einen Musterstaat bzw. in eine Musterstadt in Nordafrika umsiedeln, d.h. mit gesetzlich verordnetem Zwang deportieren.

Die Bekanntwerdung des »Masterplans« hat in Deutschland einen Sturm der Entrüstung und eine Bewegung gegen rechts und insbesondere gegen die AfD ausgelöst, wie sie lange nicht mehr stattgefunden hat. Es gab bundesweit Demonstrationen von insgesamt mehr als einer Million Menschen aller Altersgruppen, keineswegs nur Migrantinnen und Migranten. Diese Protestbewegung ist womöglich der Anfang eines Aufstands gegen den absehbar immer größer werdenden Einfluss dieser Partei und gegen die Kritik an Migration und Migranten – und zwar nicht nur in den großen Städten wie München, Hamburg und Berlin, sondern auch in anderen Städten und selbst kleineren Gemeinden der Bundesrepublik.

Zudem haben in weniger als einer Woche mehr als 1.000.000 Bürgerinnen und Bürger die Petition unterschrieben, Björn Höcke, dem AfD-Vorsitzenden in Thüringen und inzwischen dem maßgeblichen Taktgeber der Partei (siehe hierzu auch meine Flugschrift »Die Höcke AfD. Eine rechtsextreme Partei in der Zerreißprobe«, VSA: Verlag Hamburg 2021), die Grundrechte zu entziehen. Sie treffen den Richtigen, auch wenn die Aussichten zur Einschränkung der Grundrechte gering sind, denn die Verwirkung von Grundrechten ist zwar mehrfach beantragt, aber noch nie umgesetzt worden.

Die Veröffentlichung durch »Correctiv« wurde bereits am 17. Januar vom Berliner Ensemble in einer Inszenierung aufgegriffen, in der die in Potsdam Beteiligten von Schauspielerinnen und Schauspielern nachgespielt und zitiert wurden: Martin Sellner, der einladende Mörig, zwei Frauen der noch der CDU angehörenden Werteunion, ein als Gewalttäter bekannter Neonazi und hochrangige Akteure der AfD, unter anderem die rechte Hand von Alice Weidel, Roland Hartwich, von dem sie sich inzwischen ohne Begründung getrennt hat.

Durch die Enthüllung wurde der Öffentlichkeit mit einem Mal klar, dass es der AfD mit einer Umsturzperspektive nach den Landtagswahlen im September 2024 in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg ernst wird.

Hajo Funke ist Professor im (Un)Ruhestand an der Freien Universität Berlin, engagiert sich im Kampf gegen rechts und für die Beendigung der aktuellen Kriege durch Verhandlungslösungen. Dieser Beitrag ist eine Vorabfassung aus seiner Flugschrift »AfD-Masterpläne. Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie«, die im Frühjahr 2024 im VSA: Verlag erscheinen wird und an sein Buch »Die Höcke-AfD« anschließt.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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