26. März 2025 Redaktion Sozialismus.de

Ein deutscher »Marshall-Plan«?

Die Union und die SPD haben sich mit einem historischen Kompromiss – das heißt, mit einer gigantischen Verschuldung – auf die Auflösung von Deutschlands Reformstau verständigt. Dreieinhalb Jahre wurde Deutschland von einer rot geführten »Ampel« regiert. Die nächsten vier Jahre soll Schwarz-rot das Land steuern.

Das grüne Licht soll heller strahlen, auch wenn die gleichnamige Partei nicht mehr Bestandteil der Regierung ist. Das ist die politische Formel der Einigung der künftigen Koalitionäre von CDU, CSU und SPD sowie dem Sonderdeal mit den Grünen zur Sicherung der Stimmenmehrheit für eine Reform der Schuldenbremse.

Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat eine Verfassungsänderung beschlossen und damit die Aufnahme gewaltiger Schulden ermöglicht, um die Bundeswehr und die Infrastruktur in Deutschland auf Vordermann zu bringen. Deutschland kann in den kommenden Jahren Schulden in einer Größenordnung machen, wie es sie seit der deutschen Einheit nicht mehr gegeben hat. Die Schuldenbremse ist gelockert, der Weg für ein milliardenschweres Ausgabenpaket für Nachrüstung, Infrastruktur und Klimaschutz frei.

35 Jahre nach der Implosion des Sowjetsystems und der Auflösung der DDR steht Deutschland erneut vor einem historischen Kompromiss. Mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen verabschiedete der Bundestag ein Investitionspaket von mindestens einer Billion Euro. Die Dimension ist mit dem Transformationsprojekt »Aufbau Ost« vergleichbar.

Vor der Bundestagswahl hatte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz eine Reform der Schuldenbremse genauso ausgeschlossen wie unbeschwertes Schuldenmachen. Stattdessen wollte er das Geld für zusätzliche Verteidigungsausgaben durch Kürzungen im Sozialetat beschaffen. Durch Kürzungen beim Bürgergeld, Streckung bei der Rentenanpassung, Minderung der Anhebung des Mindestlohns etc. wollte die Union das Leistungsbewusstsein stärken und die Ressourcen freimachen für eine Erhöhung der Beiträge für die Bundeswehr, inklusive der Unterstützung für die Ukraine.

Im Ergebnis der Bundestagswahlen haben wir jedoch die größte anzunehmende Kehrtwende gesehen. Der vermutlich zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz und seine engere politische Führungscrew starten mit einem enormen politischen und persönlichen Vertrauensverlust in die neue Regierungsetappe. Sie haben die Wähler*innen nicht bewusst belogen, sondern sie haben selbst an die Illusion von der Erneuerung der kapitalistischen Marktwirtschaft durch Bürokratieabbau und Rotstiftpolitik geglaubt. Dabei hat sich die Welt seit der Wahl nicht verändert. Die geopolitische Lage ist dieselbe wie vor vier Wochen, der marode Zustand der Infrastruktur auch. Und die drängenden Probleme der Altersrenten, der Pflege und des Gesundheitssystems erfordern eine radikale Neuordnung der Einnahmen und sind letztlich durch kleinere Umschichtungen nicht zu lösen.

Als Kanzlerkandidat von CDU/CSU propagierte Merz bis zum Wahltag: Die gravierenden Fehlentwicklungen im Bereich des Militärs, des öffentlichen Kapitalstocks der Berliner Republik und bei den sozialstaatlichen Sektoren wie Gesundheit, Pflege und Altersrenten seien nur durch Umverteilungen und Steigerungen der wirtschaftlichen Effizienz zu lösen. Nun wurde die Wirtschaftswende zum wundersamen Passepartout für die in der Stagnation feststeckende Berliner Republik.

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