24. April 2023 Redaktion Sozialismus.de

Ein »langwieriger Nichtfriede« in der Ukraine?

In seiner Rede zur »Zeitenwende« durch den russischen Angriffskrieg im Februar 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz sowohl eine massive Unterstützung des angegriffenen Landes als auch eine Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt. Unter anderem versprach er 100 Mrd. Euro zusätzlich für die Aufrüstung der Bundeswehr.

1.

Ein Jahr später bilanziert er: »Wir brauchen eine laufende Produktion von wichtigen Waffen, Gerät und Munition.« Mit »langfristigen Verträgen und Anzahlungen« wolle die Regierung dafür sorgen, dass die Unternehmen ihre Kapazitäten erweiterten. Auf diese Weise solle in Deutschland eine industrielle Basis, also faktisch der Ausbau einer Kriegswirtschaft, geschaffen werden, die einen Beitrag zur Sicherung von Frieden und Freiheit in Europa leiste. Faktisch heißt dies: Auch in Deutschland wird die Wirtschaft deutlich stärker auf Rüstung und den Ukraine-Krieg ausgerichtet.

Es bleibt aber wie bisher in Absetzung zu der christdemokratischen Opposition bei der Scholz-Doktrin: Erstens unterstützt Deutschland die Ukraine in ihrem Recht auf Verteidigung mit beträchtlichem Engagement. Zweitens erfolgt diese Militärhilfe im Verbund und in Abstimmung mit den Alliierten in Europa und vor allem den USA. Und drittens werde Deutschland dieses Engagement danach ausrichten, dass weder die Republik noch die NATO in einen Krieg hineingezogen werden.

Ein »Schlafwandeln« in einen dritten Weltkrieg soll es mit Scholz und der SPD nicht geben. Der Kanzler wendet sich an die Bevölkerung: »Ihnen versichere ich, die von mir geführte Regierung macht sich Entscheidungen über Waffenlieferungen niemals leicht.« Trotzdem sei die Unterstützung der Ukraine wichtig für eine spätere Beendigung des Krieges.

Diese Doktrin der Kriegsunterstützung, d. h. der Befähigung zur Selbstverteidigung der Ukraine, ist mehrheitsfähig innerhalb der SPD, aber auch in den anderen Koalitionsparteien. Die christdemokratische Opposition fordert immer wieder eine Intensivierung und zeitliche Beschleunigung der Unterstützung für das ukrainische Militär und wird darin von Teilen der Koalitionsparteien unterstützt. Auch in der Bevölkerung gibt es laut Umfragen nach einem Jahr eine Billigung für diese Politik (siehe Abbildung 1).
Allerdings ist nicht zu übersehen, dass eine Mehrheit unzufrieden mit dem bisherigen Einsatz der diplomatischen Mittel zur Überwindung der Kriegskonstellation ist.

2.

Der Krieg geht in sein zweites Jahr. Waffenlieferungen aus den USA und Europa haben der Ukraine bisher das Überleben gegen den Angreifer gesichert. Der Westen wolle, wie Scholz versichert, dem Land auch weiterhin militärisch und finanziell beistehen, solange es notwendig sei. Da Russlands Präsident Putin nicht zu Friedensverhandlungen bereit sei, werde Deutschland mit den westlichen Verbündeten die Ukraine weiter mit Waffen und Finanzmitteln unterstützen. »Friedensliebe heißt nicht Unterwerfung unter einen größeren Nachbarn, [daher] bauen wir unsere Unterstützung noch aus«. Offiziell lautet die Zielsetzung daher: Der Ukraine das Überleben sichern, und nicht etwa das russische System strukturell so schwächen, dass es längerfristig zu keinem Angriff fähig ist.

Das erste Jahr nach der russischen Invasion hat die Ukraine geeint. Tatsächlich begann der Krieg vor neun Jahren mit den Kämpfen im Donbass um eine regionale Autonomie der östlichen Provinzen, mit der nachfolgenden Krim-Annexion und der Annexion des Donbass. Noch zu Zeiten dieser Kämpfe waren Misstrauen und Ressentiments zwischen dem Osten und dem Westen des Landes präsent geblieben. Erst der russische Feldzug 2022 zerstörte die noch vorhandenen Sympathien für den Nachbarn.

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