1. Juni 2025 Hasko Hüning: Fragile Perspektiven und labile Existenzen

Eine andere SPD?

Großumbau der Partei
Man wird es als Leser der »Frankfurter Allgemeinen« wohl als bemerkenswert empfinden dürfen, dass sich die »Zeitung für Deutschland« (FAZ) um die Sozialdemokratie sorgt.

Mit durchaus anerkennendem Unterton kommentiert[1] sie mit Blick auf die Rolle der SPD in der neuen Regierung den Aufstieg und die Machtfülle, die sich Lars Klingbeil bisher erfolgreich organisieren konnte: Parteivorsitzender und während der Koalitionsverhandlungen kurzzeitiger Fraktionsvorsitzender, nun Vizekanzler und Finanzminister. Damit beende er eine Ära der geteilten Macht in der SPD und kehre »zum Modell ›Die Partei, das bin ich‹« wie zur Zeit von Gerhard Schröder zurück, bei dem er das politische Handwerk gelernt habe. Zugleich habe er sich bei aller sichtbar werdenden Verjüngung und Erneuerung der sozialdemokratischen Regierungsmannschaft bis hin auf die Ebene der Staatssekretäre sowie der parlamentarischen und Parteifunktionen (Fraktionsvorsitz, Ausschussvorsitzende, Generalsekretär) mit lauter »Frols«, will heißen »Friends of Lars« umgeben: »Alle Männer und Frauen der SPD im Kabinett leiten ihre Macht von ihm ab.«[2]

Demzufolge kommt die FAZ nicht umhin, ihm große machttaktische Cleverness beim »Großumbau der SPD« zu bestätigen. Doch an diesem Punkt beginnen die Sorgen des großbürgerlichen Zentralorgans: Zieht er wirklich bei der von ihm groß angekündigten »Veränderung der SPD« die richtigen Schlüsse aus dem historisch schlechten Wahlergebnis vom 23. Februar 2025 (16,4%)? Die Partei, so Klingbeil, solle nicht noch polarisierter, radikaler und linker werden, »was bitter nötig ist,« denn – so die FAZ – die Partei sei seit geraumer Zeit »ein Scheinriese« und »in der Regierung einflussreicher, als es das Wahlergebnis hergibt.« Da sie auch organisatorisch und strukturell gemessen am Koalitionspartner CDU/CSU im Hintertreffen sei, bestehe die Gefahr, sie werde »zu einer Fata Morgana« herabsinken und so werde auch das von Klingbeil favorisierte »Projekt 2029« verfehlt, nämlich in dieser kurzen Frist parteipolitische Stabilität und die Mehrheitsfähigkeit zu erringen. Denn: »Kaum mehr jemand glaubt der SPD, dass sie gute Konzepte für die Zukunft hat. Klingbeil will das ändern. Aber es herrscht keineswegs Einigkeit darüber, wie der Weg dahin aussehen soll.« (FAZ) Auch an der Parteibasis, in den Ortsvereinen, wüsste man gern, so z.B. Fragen aus dem Landesverband NRW, welche Lehren Klingbeil aus der historischen Niederlage der diesjährigen Bundestagswahl zieht und wie unter seinem Parteimanagement eine Neuaufstellung der Bundespartei gelingen könnte.

»Politik der Mitte« statt Linkswende

Von Niemandem bestritten steht ein Erneuerungsprozess der deutschen Sozialdemokratie an.[3] Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD am 10. Mai 2025 in Duisburg kam es zur ersten größeren öffentlichen Aussprache der Partei nach der Regierungsbildung.

Hasko Hüning, Politikwissenschaftler in Berlin, arbeitet zu Transformationsprozessen ökonomisch-sozialer Strukturen, Arbeits- und Geschlechterverhältnissen sowie politischen Parteien, Mitarbeiter der Sozialistischen Studiengruppe (SOST). In Heft 1-2025  schrieb er zu »Modern Times? Altes und Neues im betrieblichen Geschlechterverhältnis«. 

[1] Mona Jaeger: Eine andere SPD. FAZ v. 12. 5. 2025: 1
[2] Es mag zwei Ausnahmen geben, nämlich Verteidigungsminister Boris Pistorius und die Ministerin Bärbel Bas (Arbeit und Soziales). Mögliche Differenzen zu Klingbeils inhaltlichen Positionen sind nicht bekannt.
[3] Dies ist wahrlich kein neues Thema. Vgl. Hasko Hüning: Erfolgreiche Erneuerung der SPD? In Sozialismus.de, Heft 5-2023, S. 15–20.

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