1. Juli 2001 Redaktion Sozialismus

Eine Bewährungsprobe für ver.di: Tarifpolitik bei Lufthansa

Sozialismus: Einen Tag nach der ver.di- Gründung im März habt ihr im Rahmen eurer Tarifverhandlungen für das Bodenpersonal bei Lufthansa - für die Beschäftigten aus der Technik, der Fracht, Service, Gebäude-Management, Passagierabfertigung, usw. - auf allen bundesdeutschen Flughäfen einen Warnstreik durchgeführt. Eure Aktion wird somit als erster ver.di-Streik in die Geschichte eingehen, auch wenn dann der Pilotenstreik die Presse beherrschte. Bezeichnenderweise wurden in der Öffentlichkeit nur die erreichten 3,5% Lohn- und Gehaltserhöhung plus Gewinnbeteiligung bekannt, während für euch doch etwas anderes im Vordergrund stand.

Bernd Niklas: Wir haben vorrangig für den Bestandsschutz-Tarifvertrag gestreikt. Daran waren überraschenderweise auch sehr viele Unorganisierte beteiligt. Hintergrund war das Auslaufen des Bestandsschutz-Tarifvertrages für alle Beschäftigten außer für die LH-Piloten. Es ging also um die Absicherung aller tariflichen und betrieblichen Sozialstandards bei Ausgründungen. Mittlerweile ist Lufthansa an über 350 Betrieben beteiligt, bzw. hält deren Mehrheit, und aktuell sind weitere Ausgründungen und Börsengänge geplant. Für uns ging es erst in zweiter Linie um die reine Lohntariferhöhung, gekoppelt mit einer Gewinnbeteiligung von etwa 30% eines Monatslohnes, einer verbesserten Altersteilzeit- und Job-Ticket-Regelung. Gut vorbereitet, war das der erste bundesweite Warnstreik nach der Privatisierung der Lufthansa 1995.
Parallel - und das zum ersten Mal - haben die Piloten im Alleingang mit LH verhandelt. Bis letztes Jahr haben ÖTV und DAG die Tarifverträge für alle - angefangen von der Kaltmamsell, über die Techniker bis hin zu den Piloten - in einem mehr oder weniger konfliktreichen Willensbildungs- und Verhandlungsprozess immer gemeinsam und zeitgleich abgeschlossen. Das heißt, bei uns hat eine differenzierte flexible Tarifpolitik bereits eine lange Tradition, mit Ergebnissen, die bisher keine »Sozialneid-Debatten« provoziert haben. Wichtiges Anliegen war bisher für uns, für einen sozialen Ausgleich auch in den unteren Lohngruppen zu sorgen und trotz der gewaltigen Einkommensspreizung die Konzerntarifklammer zu erhalten. Ich denke, unsere Tarifabschlüsse konnten sich in jeder Hinsicht sehen lassen, lagen z.T. im Gesamtergebnis auch über dem Bundesdurchschnitt anderer Branchen.

S: Also war die Initialzündung für den Warnstreik, dass die Absicherung eurer betrieblichen und tariflichen Sozialstandards gefährdet war.

Niklas: Der Konzernvorstand wollte den Bestandsschutz-Tarifvertrag nur für ein Vierteljahr verlängern, um politischen Druck auf die Vergütungsstruktur-Verhandlungen auszuüben, mit dem Ziel, Eingruppierungsmerkmale, Lohnstrukturen aus ihrer Sicht entsprechend »zu reformieren« - sie u.U. nicht mehr in einem Konzern-Tarifvertrag sondern aufgebrochen in eine Vielzahl geschäftsbezogener Tarifverträge neu zu vereinbaren. Eine Zersplitterung, ein Aufbrechen der Konzern-Tarifklammer wäre die Folge. Ohne die Verlängerung des Bestandsschutz-Tarifvertrages bis Anfang 2003 würden wir in dieser Frage bedeutend erpressbarer sein. Der bundesweite Warnstreik - begleitet von einem Internet-Auftritt (»vonnix-kommtnix.de«) - hat großen Anklang gefunden. Die Solidarität bis hinein in die mittlere Führungsebene war beeindruckend. Viele neue Mitglieder konnten so gewonnen werden.
Für die Piloten gab es im Gegensatz zum Bodenpersonal diese Bedrohung nicht, da sie seit 1992 (erster Sanierungstarifvertrag) durch einen Konzern-Tarifvertrag einen 100%igen Bestands- und Ausgründungsschutz genießen. Dieser vom übrigen LH-Markt losgelöste »Closed-Shop-Effekt« stärkt natürlich ihre Schlüsselposition im Unternehmen. Dadurch brauchten sie nicht zu befürchten, dass sie im Zuge der Internationalisierung des LH-Aviation-Konzerns - z.B. befinden sich seit 1995 50% der 20.000 Lufthansa-Technikarbeitsplätze in weltweiten LH-Technikbeteiligungen - durch die Einstellung von Piloten aus anderen Ländern verdrängt werden könnten. Gestärkt durch diese Position konnten die Piloten parallel zu unseren Verhandlungen mit ihren Forderungen von 35% und zusätzlichen Verbesserungen ihres Manteltarifvertrages auftreten. Der Konflikt war vorgezeichnet.

S: Der Pilotenstreik führte in der Schlichtung zu Einkommensverbesserungen in Höhe von 28% im laufenden Jahr. Das hat unterschiedlichste Stellungnahmen ausgelöst. Einerseits wurde der Abschluss als Infragestellung einer solidarischen Tarifpolitik kritisiert. Andererseits wurde er als das lang ersehnte »Ende der Bescheidenheit« gefeiert. Beispielsweise wurde ein Solidaritätsschreiben an die Vereinigung Cockpit von ver.di-Kollegen aus Berlin-Brandenburg, aus dem Bereich der früheren IG-Medien, in der DGB-Zeitschrift »einblick« veröffentlicht, in dem deren Abschluß begrüßt wird und diese aufgefordert werden, doch mit allen anderen LH-Beschäftigten gemeinsam für so ein hohes Ergebnis zu kämpfen. Wie siehst Du diese Gemengelage?

Niklas: Nach diesem Abschluss geht ein tiefer Riß durch das Unternehmen, durch alle Beschäftigten, aber auch durch die Gewerkschaftsmitglieder und das Management. Wer kann rational erklären, dass ein 747-Kapitän laut Schlichtungsergebnis neben seiner 12%igen Gehaltssteigerung in 2001 eine Gewinnbeteiligung von zwei Monatsgehältern, bis zu ca. 45.000,- DM bekommt, während diese Summe für so manchen Beschäftigten einem gesamten Jahresgehalt entspricht? Die Beschäftigten fühlen sich von der LH gedemütigt und sehen den bisher hoch gehaltenen Gleichheitsgrundsatz bei der Gewinnbeteiligung zum ersten Mal eklatant verletzt. Nach ihrer Ansicht wurde die Wertschätzung aller mit Füßen getreten, da alle 58.000 LH-Beschäftigten das Unternehmen vom Sanierungsfall bis hin zu einem sehr erfolgreichen Unternehmen mit tarifpolitischen Zugeständnissen entsprechend mitgetragen haben. Zentrale Begründung der Piloten für ihre hohe Forderung war, dass sie auf Grund der guten Unternehmensbilanz nun ihren Sanierungsbeitrag wieder zurückerstattet haben wollen. Zurück bleibt ein Gefühl, dass die einen, nämlich 4100 Piloten, ihren Beitrag zurückerhalten, »der Rest«, das sind 54.000 Beschäftigte, jedoch nicht.
Nehmen wir nun an, dieser Abschluss würde auch für die anderen Beschäftigten (Boden und Kabine) umgesetzt, dann würde dies ohne (Pensions-) Rückstellungen über 1,5 Mrd. zusätzliche Lohnkosten verursachen. Für eine solche Forderung wäre ver.di garantiert als tarifpolitisch durchgeknallt und als Totengräber des Unternehmens in aller Öffentlichkeit zerrissen worden. In der Tat hätte dies für ein Unternehmen, das mit seinen Konzerngesellschaften auf derart unterschiedlichen internationalen Märkten agiert, weitreichende Arbeitsplatzfolgen gehabt.

S: Jedenfalls kommt ver.di nicht an der Frage vorbei, wie die Piloten einen solchen Abschluss erreichen konnten und was sie bewegt hat, in dieser Auseinandersetzung mit so hohen Forderungen aufzutreten. Ist dies ihrer Sonderstellung geschuldet, also der Tatsache, dass es nur eine beschränkte Anzahl hoch qualifizierter Piloten gibt, die viel schwerer als andere Fachkräfte zu ersetzen sind?

Niklas: Richtig. Aber es läuft im Flugverkehr auch nichts ohne hochqualifizierte Flugzeugmechaniker und -elektroniker, wie unser Warnstreik gezeigt hat. In kürzester Zeit kann von uns die ganze Flotte still gelegt werden. Das gilt auch für die IT-Techniker, die die gesamten Computernetze aufrecht erhalten. Oder wenn die Kolleginnen an den Schaltern und Terminals nicht mehr abfertigen. Dutzende von z.T. hoch spezialisierten Beschäftigtengruppen sind ebenfalls nicht kurzfristig ersetzbar. Der Flugverkehr funktioniert wie ein fein abgestimmtes Uhrwerk.
»Die« Piloten gibt es nicht. Mehrere Hunderte von ihnen sind unorganisiert, manche sind Mitglieder von ver.di, früher ÖTV oder DAG, und in der Bundesvereinigung Cockpit gibt es eine soziale Spaltung zwischen hoch bezahlten Lufthansa-Piloten und wenig sozial abgesicherten Piloten anderer deutscher Fluggesellschaften. In der aktuellen Auseinandersetzung sind interessanterweise überwiegend junge Piloten aktiv geworden, die bisher weder das Unternehmen noch unsere Unternehmenskultur des »rheinischen Kapitalismus« kennen. Ihre Slogans waren von daher entsprechend verkürzt auf den Punkt gebracht: Vereinigung Cockpit = VC = »viel cash« und »good pay for good performance«.
Entscheidend ist auch, dass in den letzten drei Jahren maßgebliche Teile der Unternehmensleitung die Vereinigung Cockpit tariffähig machen wollten und sie darin unterstützt haben. Ziel war m.E., den bestehenden Haustarifvertrag zu sprengen und die starke Hausmacht der ÖTV/DAG, jetzt ver.di, entsprechend zu schwächen. Das hat sich nun als Rohrkrepierer erwiesen.
Interessant ist die Tatsache, dass die anfängliche Forderung von über 35% auf eine Vereinbarung zwischen Lufthansa-Vorstand und Vereinigung Cockpit über die Aufstellung eines Benchmarking zurückgeht, das die Lufthansa-Bezüge mit denen anderer westlicher Fluggesellschaften vergleichen sollte. Dieses Benchmarking über die reine Vergütung ergab zunächst, dass Lufthansa-Piloten mit ihrer Bezahlung augenscheinlich im unteren Drittel liegen. Nicht einbezogen waren z.B. die Kaufkraftentwicklung in den jeweiligen Ländern und die vielfältigen sozialen Zusatzleistungen. Danach hätte sich nämlich ein grundsätzlich anderes Bild ergeben. Der Vorstand hat sich auf diesem Wege ein klassisches Eigentor geschossen. Nach diesem Konflikt ist der Personalvorstand des Konzerns zu folgender Erkenntnis gelangt: »Ich denke, dass wir erst am Anfang einer Diskussion stehen zu der Thematik einer einheitlichen gewerkschaftlichen Vertretung in Betrieben und wir in diesem Zusammenhang auch über die innerbetrieblichen Folgen sprechen müssen, wenn einzelne Berufsgruppen spezielle Interessen durchsetzen wollen.« (Welt am Sonntag, 10.6.)
Wichtig zu wissen ist auch, dass im letzten Jahr, nachdem die letzte gemeinsame Verhandlung abgeschlossen war, in der Vereinigung Cockpit ein Richtungskampf offengelegt wurde. Damals warnten weitsichtige, in der VC organisierte Piloten davor, dass es Kräfte gibt, welche die gemeinsame Tarifpolitik bei LH zugunsten einer berufsständischen Interessenvertretung beenden wollten und dafür selbst Arbeitsplatzverluste in den Konzerngesellschaften in Kauf nehmen würden. Daraus klang die berechtigte Sorge, dass die Falken in der VC aus berufsständischem Egoismus das bisher erfolgreich geschlossene tarifpolitische Vorgehen aufs Spiel setzen und einfach ein möglichst großes Stück vom Kuchen herausschneiden wollten, egal wie die schlechter Abgesicherten und Verdienenden dabei abschneiden mögen. Der Gedanke der gewerkschaftlichen Solidarität wird, wenn er mit persönlichen Nachteilen für ihre Berufsgruppe verbunden wird, abgelehnt und als gewerkschaftlicher Anachronismus als »Sozialneid« verunglimpft. Dagegen wissen die älteren Piloten, dass das gemeinsame Vorgehen aller Beschäftigtengruppen während der Sanierungsphase mitentscheidend war, das Unternehmen aus der Krise zu führen.
Die Macht der erstarkenden berufsständischen Vertretungen hat m.E. noch einen anderen wesentlichen Aspekt. Wenn eine große Organisation wie ver.di ein Unternehmen wie LH bestreikt, greift direkt das auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel abstellende Arbeitskampfrecht. Mit möglicher Aussperrung der unter den Tarifbereich fallenden Beschäftigten durch die Arbeitgeber und daraus u.U. resultierenden millionenfachen Streikkosten für die Gewerkschaft. Dagegen hat VC bisher keinen Pfennig Streikunterstützung zahlen müssen, da Streikgeld erst ab dem dritten Tag in Folge (!) gezahlt werden muss. Die »VC-Nadelstichtaktik«, in einer Woche einen Tag Streik und angekündigte »go slow«-Aktionen, können nicht nach klassischer Methode mit Aussperrung belegt werden. Erst recht nicht, wenn sich die anderen Unternehmensteile in einem ungekündigten Tarifverhältnis befinden. Deshalb wird hinter den Kulissen der Arbeitgeberverbände schon über eine Änderung, eine Einschränkung des jetzigen Streikrechts bezogen auf Arbeitnehmer in Schlüsselstellungen nachgedacht. Eine nicht ungefährliche Entwicklung, wenn die Gewerkschaften zukünftig mit wenig Streikaufwand Erfolge in Flächentarifen durchsetzen wollen.

S: Die Gefahr der Spaltung ist das eine. Andererseits trifft der Slogan vom »Ende der Bescheidenheit« ein tatsächliches Problem, dass die Unternehmensgewinne im Verhältnis zu den Einkommen der abhängig Beschäftigten unverhältnismäßig ansteigen und von deren angemessener Beteiligung an der Wertschöpfung nicht die Rede sein kann.

Niklas: Unser Abschluss lag rechnerisch zwischen 5 und 7% und liegt mit dem on-Top vereinbarten Altersteilzeit-Tarifvertrag vermutlich wieder an der Tarifspitze. Was aber heißt denn dieser Slogan vom »Ende der Bescheidenheit« nun konkret? Muss man ihn doch in einen gesellschaftlichen Kontext stellen und bedenken, dass wir neben den großen Flächentarifverträgen auch Bereiche haben, die tariflos sind und werden, und in denen sich zunehmend ungesicherte Beschäftigung ausdehnt? Oder dass es Ost-Tarifverträge gibt, die ohnehin unter Weststandards liegen, und dass dann obendrein individuell noch auf tarifliche Leistungen verzichtet wird, um angeblich Arbeitsplätze nicht zu gefährden? Das andere Prob-lem sind die Kommunikationsprozesse in den Tarifkommissionen, wo wesentlich ehrenamtliche Kollegen mitbestimmen, die sich in ihren Betrieben aber nicht zutrauen, hohe Forderungen zu stellen und diese entsprechend mit allen Mitteln durchzusetzen. Klar, sie sehen einerseits die hohen und steigenden Unternehmensgewinne, die Inflationsrate, die Produktivitätsraten und den möglichen Reallohnverlust. Andererseits sehen sie die konkreten Wettbewerbsbedingungen ihrer Betriebe im Markt, u.U. den niedrigen Organisationsgrad, usw. Ein gutes Beispiel ist die Banken-Tarifrunde. Gemessen an deren Gewinne hätte der Tarifabschluss nicht bei 2,8%, sondern im Vergleich zu Lufthansa-Unternehmensergebnissen allemal bei weit mehr als 28% liegen müssen.
Ich finde die Diskussion vom »Ende der Bescheidenheit« notwendig, aber nicht nur bezogen auf reine Lohnpolitik. Es gibt erfolgversprechende Ansätze, wie tarifliche Vereinbarungen zur Weiterbildung, zu leistungsorientierter Vergütung, nämlich besondere Kompetenzen z.B. im Rahmen von Projektarbeit, die über die fachlichen Leistungen hinausgehen, zu vergüten, und Arbeiter-Angestellteneingruppierungen in Frage zu stellen und weiter zu entwi-ckeln. Wir benötigen eine differenzierte Tarifpolitik: so viel Flächentarifvertrag wie nötig und so viel betriebsspezifische Regelungen wie möglich.

S: Das Vorgehen der Vereinigung Cockpit wird von vielen Stimmen als Signal gewertet, dass auch andere Berufsgruppen sich zu Tarifgemeinschaften zusammenschließen und ihre bisherige Gewerkschaft verlassen. Gibt es dazu bei Lufthansa schon erste Anzeichen?

Niklas: Ja, es gibt Austritte im Kabinenbereich, wo die »Unabhängige Flugbegleiterorganisation« (UfO) gegenüber dem Vorstand ihre Anerkennung als Tarifpartner geltend macht, obwohl ver.di hier richtungsweisende Tarifabschlüsse, z.B. Übergangsvereinbarungen ab 55 Jahren, vereinbart hat und aktuell Vergütungsstrukturverhandlungen für diese Beschäftigtengruppe führt. Im Intranet melden sich betriebliche Bereiche zu Wort, die gerne dem Beispiel der Piloten folgen würden. Aber ihre Äußerungen sind zwiespältig.
Auf der einen Seite wissen und fühlen sie, dass eine große Gewerkschaft ihre Tarifnormen gesichert hat und der Kettenbrief »Hauptsache ich erhalte mein Stück vom Kuchen« nicht aufgeht. Andererseits können sie nicht ertragen, dass die Piloten dermaßen bevorzugt behandelt werden und die Arbeit der anderen Beschäftigten nicht diese Wertschätzung erfährt. Sie stellen sich vor, dass diese Wertschätzung durch eine unabhängige berufsständische Interessenvertretung wiederhergestellt werden könnte. Ihre Befürchtung ist, in einer großen Organisation in der Masse unterzugehen. Sie wollen aber, dass ihre Probleme im Arbeitsalltag ernst genommen werden, miteinander besprochen und zur Geltung gebracht werden können.
Das Fazit für ver.di kann nur sein, dass es darauf ankommt, in einem intensiven Kontakt mit den Beschäftigten zu stehen, ihre Sorgen und Nöte aufzugreifen, ihre Sprache zu treffen, Sprachlosigkeit zu überwinden. Gerade jetzt müssen wir in dieser Auseinandersetzung präsent sein, Gesprächsforen anbieten, Information und Orientierung ermöglichen, was in der heutigen komplexen Welt, vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und betrieblichen Wandels wichtiger ist als je zuvor. Wir dürfen das Bedürfnis nach lebendiger und persönlicher Kommunikation, nach Eingehen auf die Probleme der einzelnen Menschen, nach individueller Unterstützung nicht gering schätzen und als unpolitischen Service abtun. Persönliche Anteilnahme und Unterstützung haben einen großen Stellenwert für das Zugehörigkeitsgefühl zur Gewerkschaft und dürfen neben anderen Formen der Solidarität, wie sie in gemeinsamen politischen Aktionen, z.B. gegen die Absenkung unserer Sozialstandards, zum Ausdruck kommen, nicht vernachlässigt werden. Die Beschäftigten müssen sich in ihren Gewerkschaften wiederfinden. Eine solche Kommunikationsstruktur schafft mit die Grundlage für eine solidarische und gleichzeitig differenzierte und kampffähige Tarifpolitik.
Das »Ende der Bescheidenheit« kann nicht in einem gewerkschaftlichen Elfenbeinturm diskutiert werden, sondern muss zu einem Thema der Beschäftigten werden. Das ist auch eine große Bewährungsprobe für ver.di. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, dafür unsere Kräfte einzusetzen und mit unserer Organisation nach außen zu wirken. Dafür ist die Gewerkschaft da. Im Moment sehe ich die Gefahr, dass ein Großteil der Energie der ver.di-Hauptamtlichen im internen Aufbau und Zuständigkeitsgerangel verschlissen wird.

Bernd Niklas ist Vorsitzender des Gesamt-Betriebsrates Lufthansa-Technik und Mitglied der Lufthansa-Bundestarifkommission.
Für Sozialismus diskutierte Stephanie Odenwald.

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