23. Oktober 2020 Otto König/Richard Detje: Transformation zu »grünem Stahl« mit staatlicher Unterstützung

Existenz der Stahlindustrie gefährdet

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Die deutsche Stahlindustrie steht unter Druck. Seit Jahren ist die Produktion rückläufig, Werke werden geschlossen, Arbeitsplätze vernichtet.

Die Bilanzen der Unternehmen gleichen oftmals »Offenbarungseiden«. Die Ursachen sind vielfältig: Überkapazitäten auf dem Weltmarkt erhöhen den Konsolidierungsdruck in der Branche, US-Schutzzölle erschweren den Export. Trotz der EU-Sonderzölle, die verhindern sollen, dass der amerikanische Stahlprotektionismus Lieferungen nach Europa umleitet, wächst der Importdruck. Gleichzeitig schlägt die konjunkturelle als auch die coronabedingte Absatzflaute in der Autoindustrie auf den Stahlabsatz durch. Zusätzlich machen der Branche strukturelle Probleme zu schaffen: Der Stahlbedarf wird voraussichtlich auch deshalb weiter sinken, weil deutsche Automobilhersteller im Übergang zur E-Mobilität ausländische Märkte verstärkt durch Produktionsstätten vor Ort bedienen.

In ihrem aktuellen »Stahlbericht« kommt das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen zu der Einschätzung, dass die Rohstahlerzeugung in Deutschland in diesem Jahr wegen der Corona-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der deutschen Industrieproduktion um 15% sinken wird. Im nächsten Jahr soll die Produktion zwar wieder um 10,9% auf 37,5 Millionen Tonnen steigen. Damit werde das Vorkrisenniveau jedoch weiterhin deutlich verfehlt. Insgesamt dürften die Kapazitäten im kommenden Jahr laut RWI lediglich zu gut 75% ausgelastet sein. Das ist ein im längerfristigen Vergleich niedriger Wert.

In der Studie heißt es weiter, dass der Arbeitsplatzabbau in der Branche, in der seit Herbst 2019 bereits 4.000 Stellen gestrichen wurden, weitergehen werde. Die Forscher*innen rechnen damit, dass im Jahresverlauf 2021 die Beschäftigtenzahl noch einmal um vier Prozent sinken wird. Es geht um die Zukunft von noch rund 86.000 Beschäftigten, einst waren es mehr als 200.000. »Eine Fortsetzung und Beschleunigung dieser Entwicklung könnte über kurz oder lang zur Gefährdung dieses wichtigen Industriesektors führen«, heißt es in dem im Juli vom Bundeskabinett beschlossenen »Handlungskonzept Stahl«.

Eine langfristig »international wettbewerbsfähige und klimaneutrale Stahlherstellung« hierzulande sei deshalb von »herausragender Bedeutung«, heißt es in dem mit Unterstützung der Branche und der IG Metall erarbeiteten Konzept. Darin werden Handlungsfelder aufgezeigt, um den technologischen Wandel zu einer CO2-armen und schließlich CO2-freien Produktion zu bewerkstelligen – vor allem durch den Einsatz von »grünem« Wasserstoff, der mithilfe von Ökostrom gewonnen wird.

Otto König ist Mitherausgeber, Richard Detje Redakteur von Sozialismus.de.

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