24. April 2023 Kai Burmeister/Maren Diebel-Ebers/Jendrik Scholz: Thesen, Befunde und Handlungsempfehlungen aus gewerkschaftlicher Sicht

Fachkräftemangel

Die Debatte über den Fachkräftemangel, wie sie auch in Baden-Württemberg überwiegend von Arbeitgeberverbänden und Wirtschaftskammern geführt wird, hat gerade nicht gute Arbeit mit gesundheitsförderlichen und alterns- wie altersgerechte Arbeitsumgebungen, ausreichendem Personal, aktiven Betriebs- oder Personalräten, Aus- und Weiterbildung sowie angemessen hohen Verdiensten als Grundvoraussetzungen für mehr Fachkräftegewinnung zum Gegenstand.

Gleichwohl bietet die öffentliche Diskussion zu diesem Thema für Gewerkschaften mannigfaltige Ansätze, Diskurshegemonie in der Arbeits- und Qualifizierungspolitik zurückzuerlangen und dabei zudem Ansätze zur gewerkschaftlichen Erneuerung zu entwickeln.

Der Analyse des Sachverständigenrats ist zuzustimmen, wonach »verbesserte Löhne und Arbeitsbedingungen zentrale Hebel« seien, »um Arbeitskräfte zu gewinnen und optimal einzusetzen«.[1] Mit Fachkräftemängeln drohen Arbeitgebern mehr Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt, steigende Lohnkosten und ggf. sinkende Gewinne. Abhängig Beschäftigte und Gewerkschaften könnten profitieren, wenn ihre individuelle wie kollektive Verhandlungsmacht wächst.

Chancen

Im Sinne des Jenaer Machtressourcenansatzes lautet die Fragestellung aus gewerkschaftlicher Sicht: Wie lässt sich die neue Arbeitskräfteknappheit strategisch nutzen?[2] In der Tat bieten Fachkräftemängel den Gewerkschaften Chancen, mehr Betriebe und Beschäftigte wieder bzw. erstmals in die Tarifbindung zu bekommen, bessere Verdienste und Arbeitsbedingungen mit genügend Personal durchzusetzen, die Qualität und Attraktivität der Berufsausbildung zu stärken und in bzw. an diesen Konflikten in den Betrieben selbst (wieder) zu wachsen. ver.di beispielsweise streitet aktiv für bessere Fachkraftausstattungen in der Pflege und eine Gewerkschaftsmitgliedschaft u.a. unter dem Slogan »Mehr von uns ist besser für alle«.

Kai Burmeister, Dipl.-Volkswirt und Master of European Studies, ist DGB-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg. kai.burmeister@dgb.de. Maren Diebel-Ebers, Dipl.-Volkswirtin, ist stellvertretende DGB-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg. maren.diebel-ebers@dgb.de. Jendrik Scholz, Dr., Dipl.-Sozialwissenschaftler und Dipl.-Verwaltungswirt (FH), ist Abteilungsleiter Arbeits- und Sozialpolitik beim DGB-Landesbezirk Baden-Württemberg. jendrik.scholz@dgb.de

[1] Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten – Jahresgutachten 2022/2023, Wiesbaden 2022, S. 282 und 285.
[2] Vgl. Klaus Dörre: Machtressourcen, Nachhaltigkeit und die strategische Wahl der Gewerkschaften, in: spw 6/2021, Heft 247, S. 12ff.

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