1. Januar 2007 Pit Wuhrer

Filmkritik: ''The Wind That Shakes the Barley''

Die meisten Filme von Ken Loach gehen unter die Haut, aber dieser geht buchstäblich unter die Fingernägel.

Er schildert den irischen Unabhängigkeitskampf, den die 1919 gegründete IRA bis zur Gründung des irischen Freistaats und der Teilung der Insel 1921 führte und der danach in einen Bürgerkrieg mündete, der Familien zerriss und, wie in diesem Film, Bruder gegen Bruder kämpfen ließ. Für diesen Film hat Loach 2006 beim Filmfestival von Cannes die Goldene Palme gewonnen.

Sein früherer Irland-Film "Hidden Agenda" – der Polit-Thriller zeigt das gnadenlose Vorgehen der britischen Armee und der Geheimdienste in Nordirland – wurde im Jahr 1990 ebenfalls in Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet. Ken Loach kennt sich also aus in diesem Thema.

County Cork, 1920: Damien (Cillian Murphy) ist auf dem Weg nach London, um dort in einem Krankenhaus eine Stelle als Arzt anzutreten, als er eine Gräueltat britischer Freischärler erlebt. Die "Black and Tans", Weltkriegsveteranen und Söldner im Dienst der britischen Krone, überfallen die Farm von Peggy, der Großmutter von nebenan, und schlagen den Enkel tot, weil der sich geweigert hatte, seinen Namen auf Englisch anzugeben. Damien lässt seine Karriere fahren und schließt sich einer IRA-Einheit an, zu der auch sein Bruder Teddy (Pádraic Delaney) gehört. Zusammen mit ihm und Dan (Liam Cunningham), einem Arbeiter aus den Slums von Dublin, zieht Damien in die Hügellandschaft Südirlands. Mit ihm gehen Bauern, Landarbeiter und Arbeitslose (die, wie bei Ken Loach üblich, von Laienschauspielern verkörpert werden, die den Drehort und die Materie kennen).

Sie attackieren – miserabel ausgerüstet, aber überzeugt von ihrem Tun – britische Einheiten, werden geschnappt und gefoltert, enttarnen einen Verräter und kidnappen einen Großgrundbesitzer (um inhaftierte Genossen freizupressen). Sie kämpfen mit der Unterstützung der Bevölkerung; sie töten, sie leiden und sie streiten sich. Aber sie sind eine Einheit, akzeptieren die Disziplin, die ihnen der Krieg aufzwingt und gewinnen immer mehr an Boden. Doch angesichts des Sieges bricht ihr Kollektiv auseinander: Der Feind, das Britische Empire, offeriert einen Deal.

Die britische Regierung bietet den irischen RebellInnen einen Waffenstillstand an. Wenn sie den ablehnen, will London die gesamte Macht des Imperiums mobilisieren. Die Führung der IRA und Teddy akzepieren das Angebot ("sonst war alles umsonst") und die damit verknüpfte Teilung des Landes in einen britisch dominierten Norden und einen Freistaat im Süden mit begrenzter Souveränität. Damien und Dan hingegen glauben weiterhin an die Vision des Sozialisten James Connolly: Es sei egal, welche Farbe die Flagge habe, die dereinst über Irland wehe, hatte der Gewerkschafter geschrieben, bevor er von britischen Soldaten nach dem Osteraufstand 1916 exekutiert wurde: "Ohne sozialistische Revolution wird uns Britannien immer beherrschen."

Teddy wird Offizier in der Armee des neuen Staates, und Damien kämpft weiter für eine neue Gesellschaft - und das geht nicht gut aus.

"Der Wind, der über die Gerste streicht" schildert diesen Konflikt mit all der Unerbittlichkeit, Leidenschaft und Schärfe, wie man es von Ken Loach und seinem Drehbuchautor Paul Laverty gewohnt ist. Er entspricht den Fakten, wie ein früheres IRA-Mitglied – der inzwischen 104 Jahre alte Dan Keating – nach der Premiere des Films in Irland dem "Independent" bestätigte ("die Freistaatler waren noch schlimmer als die Black and Tans"). Und er öffnet den Blick auf das, was später folgte: den langen Krieg der IRA im Norden. Kann politisches Kino besser sein?

Siehe auch das ausführliche Interview, das Pit Wuhrer für Sozialismus in Heft 1-2007 mit dem britischen Filmemacher und Sozialisten über sein Filmschaffen und sein politisches Engagement geführt hat.

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