23. Oktober 2015 Joachim Bischoff
Fragiler Wirtschaftszyklus und Finanzmarktkapitalismus
Die Aussichten für die Weltwirtschaft in der näheren Zukunft sind sehr bescheiden. Europa verharrt in einer hartnäckigen Stagnation. Das Wachstum in China hat sich deutlich verlangsamt und liegt mittelfristig bei maximal 3 bis 4% pro Jahr. Dasselbe gilt für andere Schwellenländer. In Asien fallen die Exporte in praktisch allen Ländern, Brasilien und Russland befinden sich in der Rezession.
Seit dem Jahrtausendwechsel trugen die Schwellenländer einen bedeutenden Teil zum Wachstum der amerikanischen Unternehmensgewinne bei. Damit ist jetzt Schluss. Deshalb dürfte sich auch die US-Konjunktur abkühlen. Die Distrikt-Notenbank von Atlanta rechnet nur noch mit 1% Wachstum im vierten Quartal. Auch Goldman Sachs hat die Prognose gesenkt. Vieles deutet auf eine Rezession oder zumindest auf ein Nullwachstum der US-Wirtschaft.
Goldman Sachs warnt in einer Studie vor einer dritten Welle der Finanzkrise. Das finanzielle Desaster, das vor sieben Jahren mit dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes und des Investment Banking begonnen habe, sei jetzt in eine dritte Phase eingetreten (siehe Abbildung 1). Wegen der Niedrigzinsen ist seit der Finanzkrise vor allem aus den USA viel Kapital in Schwellenländer wie China oder Brasilien geflossen. Das trug dazu bei, dass sich dort an den Märkten Blasen bildeten und die Währungen unter Aufwertungsdruck gerieten. Das billige Geld bei relativ hohem Wachstum trieb die Verschuldung. Mit dem Aufschub der Zinserhöhung hat die US-amerikanische Zentralbank (FED) zugegeben, dass auf die rezessive Tendenz in den meisten Schwellenländern Rücksicht zu nehmen ist. Angesichts des starken US-Dollars, der Verknappung der Liquidität und des sich abkühlenden Wachstums wird die FED die Zinsen weiterhin nicht erhöhen. Die Globalökonomie steht vor einer folgenreichen Weggabelung.
Joachim Bischoff ist Mitherausgeber von Sozialismus.