30. Juni 2022 Jens Schäfer/Mark Seeger: Zur aktuellen Debatte in den Gewerkschaften

Frieden und Abrüstung

Krieg, Vertreibung und unmenschliches Leid bestimmen seit nunmehr vier Monaten die Nachrichten. Der Angriff von Russland auf die Ukraine hat den Krieg zurück ins Bewusstsein, zurück nach Europa gebracht.

Das Ausmaß dessen, wie es weitergeht und mit welchen Auswirkungen wir noch konfrontiert sein werden, ist heute, bei allen Umrissen, die erkennbar sind, noch gar nicht absehbar, aber bereits an der Tankstelle oder beim Einkauf spürbar. Die Bilder über Zerstörung und menschliches Leid im Kriegsgebiet erschüttern uns alle.

Wir repräsentieren als IG Metall einen relevanten Teil der Gesellschaft, auf den man in dieser Zeit schaut und von dem völlig zu Recht Orientierung erwartet wird – Orientierung in schwierigen Zeiten. Bei unserer Arbeit als Betriebsrat bzw. Vertrauenskörperleiter der IG Metall sind wir im Betrieb in Diskussionen mit unseren Kolleg*innen mit unterschiedlichen Meinungen konfrontiert. Viele sind verunsichert. Dies bestätigen auch Umfragen aus der jüngsten Vergangenheit: So haben sich beispielsweise bei der Frage nach der Lieferung von schweren Waffen 45% der Befragten dafür und 45% dagegen ausgesprochen.[1]

Umso wichtiger ist es, dass wir Diskussionsräume schaffen, aber auch eine friedenspolitische Orientierung geben. Deshalb haben wir auf der Bezirkskonferenz des IG Metall Bezirkes Niedersachsen und Sachsen-Anhalt am 16. Juni 2022 in Hannover einen Initiativantrag eingebracht.[2] Nach einer ausführlichen Debatte wurde der Antrag »Gegen den Krieg und Aufrüstung« einstimmig angenommen. Er präzisiert den Beschluss zum Initiativantrag 01 des DGB-Bundeskongresses von Mitte Mai 2022, der sich ebenfalls mit dem Krieg gegen die Ukraine und den Folgen befasst hat.[3]

Aktuell erleben wir, dass unsere Werte und Vorstellungen eines friedlichen Miteinanders auf den Prüfstand gestellt werden. Bisher nicht Vorstellbares ist wieder sagbar geworden, und nicht Verhandelbares kommt erneut auf den Tisch. Die traditionelle Losung der Friedensbewegung »Frieden und Abrüstung« muss angesichts der derzeitigen Debatten in der Gesellschaft und in den Medien präzisiert werden. Zwar gibt es einen allgemeinen Konsens, dass in der Ukraine wieder Frieden hergestellt werden soll. Allerdings unterscheiden sich die Wege erheblich, wie das geschehen kann. Es lassen sich in der Debatte zwei konträre Ansätze beobachten.

Jens Schäfer ist Betriebsratsvorsitzender von ZF-WABCO in Hannover und Mitglied der IG Metall Bezirkskommission. Mark Seeger ist IG Metall Vertrauenskörperleiter und Betriebsratsmitglied von Volkswagen Braunschweig und Delegierter der IG Metall Bezirkskonferenz.

[1] Umfrage infratest dimap für den ARD DeutschlandTrend im April 2022.
[2] www.igmetall-nieder-sachsen-anhalt.de/fileadmin/user/News/2022/Dokumente/20220616_Initiativantrag_zur_Bezirkskonferenz_Niedersachsen_und_LSA_-_Gegen_Krieg_und_Aufruestung.pdf . In einem weiteren Antrag der IG Metall Magdeburg-Schönebeck wird ein sofortiger Waffenstillstand gefordert.
[3] 22. Ordentlicher DGB-Bundeskongress, Beschluss Antrag I001: Krieg gegen die Ukraine sofort beenden. Transformationskurs halten, wirtschaftliche und soziale Kriegsfolgen abfedern. Rahmenbedingungen für Frieden und Sicherheit in Europa neu bewerten.

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