30. Juni 2022 Türker Baloglu: Erfolg der IG Metall-Liste bei SAP SE zur Betriebsratswahl 2022

Fuß in der Tür der digitalen Revolution

In der Mai- und Juni-Ausgabe des »Forum Gewerkschaften« wurde der Ausgang der Betriebsratswahlen 2022 an Fallbeispielen in der Automobilindustrie beleuchtet und Ergebnisse der Wahlen der betrieblichen Interessenvertretung im Bezirk Mitte der IG Metall, der die vier Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie Thüringen umfasst, präsentiert. Mit der Bewertung des Erfolgs der IG Metall bei den Betriebsratswahlen im Softwarekonzern SAP SE schließen wir das Thema ab.

In der Nacht des 5. April 2022 türmte der Wahlvorstand der SAP SE zur Betriebsratswahl die Stimmzettel der 13 konkurrierenden Listen in der Kantine der Zentrale in Walldorf nebeneinander auf. Die Kandidat*innen bangten um die Höhe ihres Stapels. Niemand hatte eine realistische Prognose zum Abschneiden der jeweiligen Listen. Nur in einem Punkt waren sich viele am Wahltag einig: Die IG Metall-Liste Pro Mitbestimmung würde gut abschneiden.

Holpriger Beginn

Als vor 16 Jahren die heutigen IG Metall-Listenführer zu einer Wahlversammlung zur Gründung eines Betriebsrats eingeladen hatten, schrieb der damalige SAP-Chef und Unternehmensmitgründer, Hasso Plattner, in einem offenen Brief an alle Beschäftigten: »Sollte es … zur Wahl kommen, dann geht es darum, einen Betriebsrat zu wählen, der nicht fremdgesteuert ist. Nur so lässt sich vermeiden, dass die übliche schwerfällige Bürokratie eingeschleppt wird und damit der SAP die unentbehrliche Wendigkeit und Reaktionsfähigkeit genommen wird. Nur so können wir eine Diskussion vermeiden, ob Walldorf noch der richtige Standort ist als Zentrale eines Weltunternehmens der Softwarebranche … Jedenfalls haben unsere Hauptmitbewerber keine fremdbestimmten Betriebsräte.«

Die Betriebsratsinitiator*innen mussten sich einer groß angelegten Anti-Betriebsrats-Stimmung aussetzen, deren Ziel es war, die Kolleg*innen einzuschüchtern. Das blieb nicht ohne Wirkung. Das Ergebnis der Wahlversammlung war ernüchternd. Rund 5.600 Beschäftigte votierten gegen die Gründung eines Betriebsrats.

Doch die Kolleg*innen ließen sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen und stellten einen Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstandes an das Arbeitsgericht. Das Unternehmen ließ es zu keinem Gerichtsentscheid kommen, und trieb die Gründung eines Betriebsrats von sich aus voran. Das Management hatte verstanden, dass es die Gründung eines Betriebsrats bei der SAP nicht verhindern, aber umso mehr Einfluss auf dessen Zusammensetzung nehmen konnte. Das Ergebnis war, dass zehn Listen zur Wahl antraten. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,8 Prozent. Zwei Listen konnten damals 27 Betriebsratssitze von 37 auf sich vereinen. Die erste Liste (»Wir für Dich«) wurde von der damaligen Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat angeführt. Die Kandidat*innen der zweiten Liste waren mit der Führungsetage eng verbunden. Dennoch schafften es auch unsere Betriebsratsinitiatoren in das Gremium. Durch die Unterstützung von 627 Kollegen*innen (8,8 Prozent der abgegebenen Stimmen) erzielten sie drei Sitze. Vier der zehn Listen schieden ohne Sitze aus dem Rennen.

Der Brief und weitere Verlautbarungen des damaligen SAP-Chefs hinterließen tiefe Spuren in der Unternehmenskultur.

Türker Baloglu ist Gewerkschaftssekretär in der IG Metall-Geschäftsstelle Wolfsburg, zuständig für Engineering und IT, vormals IG Metall GS Heidelberg u. a. zuständig für SAP.

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