27. Februar 2024 Manuel Rühle
Gewerkschaftliche Bildungsarbeit in Zeiten des verschärften Rechtstrends
Seit der zweiten Jahreshälfte 2023 hat sich der politische Rechtstrend in Deutschland noch einmal spürbar verschärft. Offensichtlichster Ausdruck hiervon ist das Umfragehoch, das die AfD derzeit erlebt, und die daran anschließenden Wahlerfolge der völkisch-nationalistischen Partei bei den zurückliegenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen.
Sie gehen einher mit einer allgemeinen Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts infolge einer teilweisen Übernahme rechter Redeweise und Forderungen durch die bürgerlichen Parteien bis hinein in die SPD.
Der schon länger bekannte Sachverhalt, dass Gewerkschaftsmitglieder keineswegs automatisch »immun« gegen rechte Ideologien sind, wird einmal mehr bestätigt.[1[ Für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften als Interessenvertretungen aller abhängig Beschäftigten, unabhängig von äußerlichen Merkmalen wie Nationalität, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung etc., stellt dies eine Reihe von Herausforderungen dar, denen auf unterschiedlichen Handlungsebenen begegnet werden muss. Im Folgenden gehe ich der Frage nach, welchen Beitrag die Bildungsarbeit zum gewerkschaftlichen Kampf gegen Rechts zu leisten vermag.
Meinen Ausführungen liegt ein Verständnis von gewerkschaftlicher Bildungsarbeit zugrunde, das diese nicht als unverbindliches »Beiwerk«, sondern als wesentlichen Bestandteil der politischen Arbeit der Gewerkschaften versteht. Allgemeine Aufgabe gewerkschaftlicher Bildungsarbeit ist es demnach, abhängig Beschäftigte bei der Erkenntnis ihrer gemeinsamen Interessen und deren Durchsetzung kraft solidarischen Handelns zu unterstützen, und zwar sowohl in betrieblichen und gewerkschaftlichen Strukturen wie auch in allen anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen.
Mit Blick auf den Kampf gegen Rechts bedeutet dies allgemein gesprochen: Gewerkschaftliche Bildungsarbeit muss die organisierten Kolleg*innen – haupt- und ehrenamtliche Funktionär*innen wie »einfache« Mitglieder – dazu befähigen, rechten Entwicklungen in ihren verschiedenen Erscheinungsformen wirksam entgegenzutreten. Dies betrifft sowohl die Auseinandersetzung mit rechten Alltagsphänomenen wie menschenfeindliche Äußerungen, Bedrohungen, Einschüchterungen etc., als auch die Formulierung mittel- und langfristiger gewerkschaftspolitischer Handlungsstrategien gegen das Erstarken des völkischen Nationalismus.
Antifaschistische gewerkschaftliche Bildungsarbeit
Im Einzelnen unterscheide ich drei Teilaufgaben antifaschistischer gewerkschaftlicher Bildungsarbeit, die jedoch nicht voneinander zu trennen sind:
Erstens: Aufklärung leisten. In dem Maße, in dem das Wissen um die Gefährlichkeit rechter Ideologien und Programmatiken aufseiten der Beschäftigten nicht vorhanden ist, womöglich sogar eine Identifikation mit rechtem Gedankengut vorliegt, ist die gewerkschaftliche Bildungsarbeit als Aufklärungsarbeit im klassischen Sinne gefordert. Sie muss argumentativ darlegen, aus welchen Gründen der völkische Nationalismus – als Leben, Arbeiten und ggf. auch Sterben fürs Vaterland – gerade keine Alternative für sie darstellt, wenn sie nicht gegen ihre ureigenen Interessen als Lohnabhängige handeln wollen. Dies kann beispielsweise in Form eines kompakten Einblicks in das arbeitnehmer*innen- und gewerkschaftsfeindliche Programm der AfD erfolgen, mittels einer Präsentation von Äußerungen von AfD-Funktionär*innen zu Arbeitnehmer*innen- und Gewerkschaftsthemen oder auch als »Crashkurs« zur allgemeinen Funktionsweise rechten Denkens und dessen praktischen Konsequenzen für abhängig Beschäftigte, ggf. unterlegt mit einschlägigen Beispielen aus Geschichte und Gegenwart.[2]
Wichtig ist, dass eine Thematisierungsweise gewählt wird, die sowohl der Zielgruppe (betriebliche/gewerkschaftliche Funktionär*innen, einfache Mitglieder, ggf. auch Nicht-Mitglieder etc.) als auch dem Veranstaltungsformat (Betriebsversammlung, Gremiensitzung, Bildungsveranstaltung etc.) angemessen ist.
Zweitens: Argumentations- und Handlungshilfen geben. Die aus nachvollziehbaren Gründen häufigste Erwartung, die aktive Kolleg*innen an eine antifaschistische gewerkschaftliche Bildungsarbeit richten, besteht in der Qualifizierung für die Bewältigung entsprechender Konfliktsituationen im Alltag.
Manuel Rühle ist pädagogischer Leiter beim DGB Bildungswerk Bayern e.V.
[1] Während bei der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober 2023 insgesamt 14,6% der Stimmen auf die AfD entfielen, stimmten von den Gewerkschaftsmitgliedern 18% für diese Partei; www.dgb.de/einblick/wahlgrafiken/++co++54d586ea-6695-11ee-b04a-001a4a160123. In Hessen erreichte die AfD insgesamt 18,4%, unter Gewerkschaftsmitgliedern 21%; www.dgb.de/einblick/wahlgrafiken/++co++1d202676-6698-11ee-8f72-001a4a160123.
[2] Einen strukturierten Überblick inkl. Materialsammlung und Analyse bietet die Broschüre »#noAfD – Keine Alternative für Beschäftigte« des DGB Bayern (verfasst von Stefan und Robert Andreasch); bayern.dgb.de/service/broschueren/noafd-keine-alternative-fuer-beschaeftigte_1