27. Juni 2025 Klaus Bullan

Im Dauerkrisenmodus und in politischer Polarisierung – Jugend 2025

Die Bundestagswahlen am 23. Februar 2025 haben neben der weiteren Rechtsverschiebung in der Wahlbevölkerung mit einem schwachen Wahlerfolg für die Unionsparteien und einer Verdoppelung der Stimmenanzahl für die AfD, die deutlich zweitstärkste Kraft wurde, auch einen unerwarteten Zugewinn für Die Linke gebracht.

Unter den Erst- und Jungwähler*innen im Alter bis 25 bzw. 30 Jahre sind Linke und AfD mit großem Abstand die stärksten Parteien geworden. Auch wenn der Anteil der jüngeren Wähler*innen unter 30 Jahren nur bei 13,3% liegt und die Wahlen sicher nicht entschieden hat, ist dieses Ergebnis bemerkenswert: Noch bei der Bundestagswahl 2021 waren Grüne und FDP die stärksten Parteien bei der Jugend. Bei der AfD ist der Anteil der Jungwähler*innen ähnlich hoch wie bei der Gesamtheit ihrer Wähler*innen, bei der Linken ist dieser Anteil dreimal so hoch (siehe Abb. 1).

Jugend in Deutschland 2025

Vor welchem politischen und sozialen Hintergrund ist diese Orientierung der Jugend 2025 zu erklären? Eine aktuelle Jugendstudie gibt Hinweise darauf, wie die jungen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ihre eigene Lage und die Situation der nationalen und internationalen Entwicklungen heute sehen. Die Studie »Jugend in Deutschland«[1] aus dem Mai 2025 zeigt – wie zahlreiche Jugendstudien zuvor[2] – dass die junge Generation die letzten Jahre ihres Heranwachsens fast nur im Krisenmodus erlebt hat. Durch die Corona-Pandemie in Schule und Ausbildung stark eingeschränkt und in sozialer Isolation aufgrund der Schulschließungen und der oft nur aus dem Homeoffice aufrechterhaltenen Kontakte in einem Alter, in dem die persönlichen Beziehungen zu Gleichaltrigen besonders wichtig sind, hat diese Generation in der Folge dann die Kriegsgefahr aufgrund der Kriege in der Ukraine und in Gaza hautnah gespürt und die Militarisierung des Alltags (Stichwort: »Wir müssen kriegstüchtig werden«) als Bedrohung erlebt.

Die ökonomischen Folgen des sinkenden Lebensstandards aufgrund der massiven Verteuerung von Energie und Lebensmitteln trifft die junge Generation hart. Die folgende Wirtschaftskrise, die mit Null- bzw. Minuswachstum bis heute anhält, hat die Perspektiven auf gesicherte Arbeitsplätze bzw. den Übergang ins Beschäftigungssystem fragil gemacht. Hinzu kommt die durch die Notwendigkeit der Digitalisierung und Dekarbonisierung angestoßene Transformation der Wirtschaft, die zu tiefgreifenden Veränderungen von Produktion und Konsumtion führen wird. »›Für viele ist der Dauerkrisenmodus nach wie vor Realität – das Niveau psychischer Belastungen bleibt entsprechend hoch, und wir erleben knapp ein Viertel junger Menschen, die angeben, das Gefühl zu haben, eine Behandlung zu benötigen‹, sagt Kilian Hampel, der an der Studie mitgearbeitet hat. Fast jeder zweite Befragte klage über Stress, ein Drittel über Erschöpfung.«[3]

Klaus Bullan ist Mitherausgeber von Sozialismus.de. Zuletzt schrieb er in Heft 4-2025 »Von Berlusconi zu Meloni. Wie rechter Populismus entsteht und mehrheitsfähig wird«.

[1] Simon Schnetzer/Kilian Hampel/Klaus Hurrelmann: Trendstudie Jugend in Deutschland 2025 (sie Seitenangaben in Klammern ohne weitere Angaben beziehen sich auf diese Studie). Diese jährlich durchgeführte repräsentative Befragung wurde im Januar und Februar 2025 durchgeführt.
[2] Siehe Klaus Bullan: Jugend 2024 – Aufwachsen in einem multiplen Krisenmodus. Die Ergebnisse der neuesten Shell- Jugendstudie. in: Sozialismus.de, Heft 11/2024, S. 24ff.
[3] Zitiert nach: Jens Eberl, tagesschau.de vom 20.5.2025.

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