24. August 2021 Ivan Curkovic/Andreas Flach/Marco Höne/Marcel Stegmeyer: Die Kfz-Tarifbewegung 2021 in Baden-Württemberg

Im Takt des Kampagnenplans

Foto: Joachim E. Rottgers; Graffiti

»Uns war klar, dass wir kein Stück vom Mantelvertrag hergeben dürfen. Das war auch die klare Erwartungshaltung an uns als Verhandlungskommission. In Mannheim waren Kolleginnen und Kollegen draußen, die noch nie im Leben an einem Warnstreik teilgenommen hatten. Der Ersatzteilverkauf war zu. Wir haben die Zugangsstraße zur Niederlassung gesperrt, kein Kunde konnte rein. Sogar manche Kollegen aus dem Verkauf sind mit rausgekommen.

Denen war klar: Fällt der Mantel, gibt es keine Begrenzung der Samstagsarbeit in den Verkaufshäusern mehr.« (Jutta Knapp, Betriebsratsvorsitzende Mercedes-Benz Niederlassung Mannheim-Heidelberg-Landau, Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission)

Die diesjährige Tarifrunde im Kfz-Handwerk begann mit einem Paukenschlag. Am 26. Februar kündigte die Tarifgemeinschaft für Betriebe des Kraftfahrzeug- und Tankstellengewerbes in Baden-Württemberg wesentliche Paragrafen des Manteltarifvertrags (MTV). Damit stellten die Arbeitgeber die tarifliche Wochenarbeitszeit von 36 Stunden, den arbeitsfreien Samstag und die Höhe der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Spät-, Sonntags- und Feiertagsarbeit in Frage. Kurz: Sie wollten erhebliche Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durchsetzen.

Offenbar rechneten sich die Hardliner im Arbeitgeberlager Chancen aus, mit ihrem Angriff durchzukommen. Die Corona-Pandemie mit Kurzarbeit, Homeoffice und Kontaktbeschränkungen hatte die gewerkschaftlichen Aktivitäten über Monate vielerorts weitgehend zum Erliegen gebracht. Die IG Metall – so womöglich das Kalkül der Arbeitgeber – würde geschwächt in die Auseinandersetzung gehen. Zudem war ein Großteil der gewerkschaftlichen Ressourcen noch durch die laufende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie gebunden.

In das Kalkül der Arbeitgeber floss vermutlich auch die Erfahrung vergangener Kfz-Tarifrunden und des Corona-Krisenjahres 2020 ein. Mehrfach hatten wir Verschlechterungen des Manteltarifvertrags wie zum Beispiel die Verkürzung der Ankündigungsfrist bei Kurzarbeit akzeptiert – ohne dafür eine Gegenleistung zu bekommen.

Alles in allem standen wir Ende Februar an einem Scheideweg: Würden wir in dieser Tarifrunde wesentliche Regelungen des MTV nicht verteidigen können, hätte das den Arbeitgebern womöglich Tür und Tor für weitere Angriffe geöffnet. Unsere Kernaufgabe, die Gestaltung und Sicherung der Lohn- und Arbeitsbedingungen unserer Mitglieder, würden wir in einer Branche mit landesweit 50.000 Beschäftigten schlicht und einfach nicht mehr in unserem Sinne erfüllen können. Die einzig akzeptable Wahl bestand also darin, diesen Angriff zu parieren. Klar war aber auch: In der hergebrachten Art und Weise, wie Tarifrunden im Kfz-Handwerk über Jahre und Jahrzehnte abliefen, war das nicht zu schaffen.

Ivan Curkovic ist als bezirklicher Tarifsekretär der IG Metall für das Kfz-Handwerk in Baden-Württemberg zuständig. Andreas Flach ist Projektleiter des Gemeinsamen Erschließungsprojekts (GEP) der IG Metall Baden-Württemberg. Marco Höne und Marcel Stegmeyer sind GEP-Teamleiter.

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