25. April 2022 Björn Radke

Ist das 1,5-Grad-Ziel noch realistisch?

In der Flut der brutalen Bilder vom Krieg in der Ukraine ist der Klimawandel trotz Starkregenereignisse in Asien und Afrika eher auf die hinteren Plätze in der medialen Öffentlichkeit gerückt. Gleichwohl ist der jüngste Bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC), der zweite Sachstandsbericht zur Anpassung an den Klimawandel, beunruhigend.

Die zentrale These lautet:

»Die globale Oberflächentemperatur wird bei allen betrachteten Emissionsszenarien bis mindestens Mitte des Jahrhunderts weiter ansteigen. Eine globale Erwärmung von 1,5 °C und 2 °C wird im Laufe des 21. Jahrhunderts überschritten werden, es sei denn, es erfolgen in den kommenden Jahrzehnten drastische Reduktionen der CO2- und anderer Treibhausgasemissionen.

Viele Veränderungen im Klimasystem werden unmittelbar im Zusammenhang mit der zunehmenden globalen Erwärmung größer. Dazu gehören die Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hitzeextremen, marinen Hitzewellen und Starkniederschlägen sowie in einigen Regionen von landwirtschaftlichen und ökologischen Dürren, eine Zunahme des Anteils heftiger tropischer Wirbelstürme sowie Rückgänge des arktischen Meereises, von Schneebedeckung und Permafrost.«[1]

Die globale Oberflächentemperatur wird im Durchschnitt der Jahre 2081-2100 sehr wahrscheinlich beim betrachteten Szenario mit sehr niedrigen Treibhausgasemissionen (SSP1-1.9) um 1,0°C bis 1,8°C, beim mittleren Szenario (SSP2-4.5) um 2,1°C bis 3,5°C und beim Szenario mit sehr hohen Treibhausgasemissionen (SSP5-8.5) um 3,3°C bis 5,7°C höher liegen als 1850–1900. Das letzte Mal, dass die globale Oberflächentemperatur dauerhaft um 2,5°C oder mehr höher lag als 1850–1900, war vor über drei Mio. Jahren.

Basierend auf der Bewertung von Belegen aus mehreren unterschiedlichen Untersuchungsansätzen, würde bei den in diesem Bericht betrachteten Szenarien (siehe Tab. 1) mit hohen und sehr hohen Treibhausgasemissionen (SSP3-7.0 beziehungsweise SSP5-8.5) im 21. Jahrhundert eine globale Erwärmung von 2°C gegenüber 1850–1900 überschritten werden. Eine globale Erwärmung von 2°C würde im mittleren Szenario (SSP2-4.5) äußerst wahrscheinlich überschritten werden. Bei den Szenarien mit sehr niedrigen und niedrigen Treibhausgasemissionen ist es äußerst unwahrscheinlich (SSP1-1.9) bzw. unwahrscheinlich (SSP1-2.6), dass eine globale Erwärmung von 2°C überschritten wird. Ein mittelfristiges (2041–2060) Überschreiten von 2°C globaler Erwärmung ist beim Szenario mit sehr hohen Treibhausgasemissionen (SSP5-8.5) sehr wahrscheinlich, beim Szenario mit hohen Treibhausgasemissionen (SSP3-7.0) wahrscheinlich, und beim mittleren Treibhausgasemissionsszenario (SSP2-4.5) eher wahrscheinlich (siehe Abb. 1 auf S. 9).[2]

Auf der Uno-Klima-Konferenz COP26 im November letzten Jahres wurden die Staaten aufgefordert, ihre nationalen Klimaschutzziele (NDC) schneller auf den Prüfstand zu stellen als bislang geplant – statt bis 2025 bereits bis Ende 2022. Bisher hatten viele größere Staaten vor allem Langfristziele zur Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts vorgelegt, ohne immer nachvollziehbar auszuweisen, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Die notwendige Transparenz, so haben es die Delegierten in Glasgow[3] verabredet, sollte daher nachgeliefert werden. Am 4. April 2022 folgte die Einlösung in dem dritten und letzten Sachstandsbericht für diesen Zyklus. Im Zentrum steht die Frage, wie der Klimawandel gebremst werden kann. Schon beim vorherigen Zwischenbericht wurde die Aufmerksamkeit durch den Krieg deutlich überschattet.

Bedrückende Erkenntnisse

Für den UN-Generalsekretär Antonio Guterres ist der jüngste Bericht eine »Akte der Schande«. Er dokumentiere eine »Litanei gebrochener Klimaversprechen«. Naiv sei die Welt mit Blick auf die Ergebnisse der Glasgower Klimakonferenz gewesen.

Björn Radke ist Redakteur von Sozialismus.de.

[1] www.de-ipcc.de/media/content/AR6-WGI-SPM_deutsch_barrierefrei.pdf.
[2] Ebenda.
[3] Siehe dazu: Björn Radke, Klima: »Noch nie stand mehr auf dem Spiel als jetzt«, in: Sozialismus.deAktuell, 1. März 2022

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