23. Dezember 2016 Joachim Bischoff

Italien: Neuwahlen nach Regierungswechsel?

Der selbsternannte »rottamattore« (Verschrotter) der alten politischen Kas­te, Matteo Renzi, hat das Referendum zur Parlamentsreform krachend verloren und damit seinen Platz in der ersten Reihe der Republik geräumt. Bei hoher Wahlbeteiligung (68%) wurde die Abstimmung über eine Verfassungsreform von ca. 60% der WählerInnen abgelehnt.

Der zurückgetretene Ministerpräsident, der selbst in der demokratischen Partei nicht alle für die Reform mitnehmen konnte, erklärte: »Wir haben sie nicht überzeugen können. Die Nein-Front hat auf unglaubliche Weise gewonnen. Ich übernehme die Verantwortung für die Niederlage. Wer für ein Ideal kämpft, kann nicht verlieren.«

Die Stimmung gegen Renzis »Modernisierung« hatte sich in den letzten Monaten gedreht. Das Kernprojekt hatte zu viele Schattenseiten und die Unterstützung schwand dahin. Bei seinem Antritt im Februar 2014 hatte er versprochen, das seit der großen Krise 2008/2009 in einer Krisenkaskade feststeckende Land zu reformieren und wieder auf einen Wachstumspfad zu führen. Bis zu Beginn des Jahres 2016 fand Renzi breite Unterstützung, seitdem hat er kontinuierlich an Popularität eingebüßt. Denn von einem Aufschwung ist noch immer wenig zu spüren und die Aufbruchstimmung in Sachen politischer Reform hat sich zunehmend in Misstrauen gegen den Regierungschef verwandelt. Außer dem regierenden Partito Democratico (PD) und einigen kleineren Koalitionspartnern kämpften am Ende alle Parteien gegen die Verfassungsreform. Auch Teile der sozialistischen oder radikalen Linken haben sich in die Nein-Front eingereiht. Sie störte das Projekt einer neoliberalen Deregulierung des Arbeitsmarktes und der Übergang zu einem autoritären Politikstil. So stimmte Beispielweise Rossana Rossanda, eine Vorkämpferin für eine sozialistisch-feministische Erneuerung der italienischen Linken, mit der »rechten Meute«. Ihr Argument: Renzi sei »genauso schlimm« wie jene Populisten. Mit ähnlicher Motivation haben auch viele Parteifreunde von Renzi gegen das Referendum gestimmt, wie der Ex-Regierungschef Massimo D’Alema oder der langjährige Parteivorsitzende Pier Luigi Bersani.

Der bisherige Außenminister Paolo Gentiloni hat nun eine neue Regierung gebildet und wird bis zu den nächsten Wahlen die politische Leitung übernehmen. »Ich bin mir der Dringlichkeit bewusst, Italien eine Regierung in ihrer vollen Stärke zu geben, um unsere Mitbürger zu beruhigen und um mit der größten Verbindlichkeit, der größten Entschlossenheit den internationalen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu begegnen.«

Joachim Bischoff ist Mitherausgeber von Sozialismus. Siehe auch seinen Beitrag »Italien – ein hoffnungsloser Fall im Kriseneuropa?« in Heft 12-2016 von Sozialismus  sowie den Kommentar zu Renzis Niederlage beim Referendum »Operation ›Verschrottung‹ gescheitert« auf SozialismusAktuell.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

 

Zurück