27. Juni 2018 Joachim Bischoff

Italien: Populistischer Aufbruch oder Comeback der Euro-Schuldenkrise?

Italien hat Monate nach den Parlamentswahlen und konflikt­reicher Verhandlungen eine neue Regierung. Sie wird getragen von zwei populistischen Bewegungen: der Fünf-Sterne-Bewegung und der weit rechts stehenden Lega. Obwohl die Lega bei den Wahlen nur halb so erfolgreich (17%) war wie M5S (32%), ist sie in der Regierung gleich stark vertreten. Allerdings hat die Lega laut Umfragen wegen ihrer harten Flüchtlingspolitik in den letzten Wochen auf etwa 30% zugelegt.

Ein erster Kabinettsvorschlag dieser Allianz stieß auf den Widerstand des italienischen Staatspräsidenten Sergio Matarella. Lega und Cinque Stelle wollten den 81 Jahre alten Ex-Industrieminister und Ökonomen Paolo Savona zum Wirtschafts- und Finanzminister machen. Savona ist ein äußerst euroskeptischer Denker und scharfer Kritiker Deutschlands. In seinen Memoiren beschreibt Savona die Gemeinschaftswährung als einen »deutschen Käfig« und skizziert einen Plan für den Austritt Italiens.

Mattarella wollte diese Berufung nicht akzeptieren und forderte die Koalitionäre zu einem anderen Personalvorschlag auf. Denn der Präsident hatte schon zu Beginn der Regierungsgespräche klargemacht, dass er kein Kabinett dulden wolle, das den Platz Italiens in Europa und der Welt fundamental infrage stelle. Der Staatspräsident wurde von den Populisten scharf attackiert. Sie sehen Mattarella als Symbol des verhassten Establishments, denn er sei von der abgewählten Parlamentsmehrheit berufen worden. Insofern sei er das letzte Bollwerk der Zweiten Republik und der »alten« Politik. Er stehe der »neuen« Politik und der schon ausgerufenen Dritten Republik im Weg und verhindere die Umsetzung des in den Wahlen manifestierten Volkswillens. Dieser Konflikt verdeutlicht: In Italien sehen wir den Zusammenbruch des etablierten Parteiensystems, und das steht am Rande der Zerstörung der 2. Republik.

Die vorangegangenen Regierungen von Monti über Letta und Renzi bis zu Gentiloni haben behauptet, die Systemkrise sei überwunden, und man könne das Licht am Ende des Tunnels sehen. In Wirklichkeit haben sich die wirtschaftlich-sozialen Bedingungen nicht nachhaltig verbessert. Italien befindet sich auf der anhaltenden, verzweifelten Suche nach neuem politischen Personal, deshalb der Umbruch des Parteiensystems, dessen Lebenszyklus immer kürzer wird.

Die Fünf-Sterne-Bewegung wie die Lega sind Anti­system­parteien, beide stellen das »Volk« über die »Eliten«. Beide sind euroskeptisch, die Lega noch stärker als die Fünf-Sterne-Bewegung, die in letzter Zeit ihre Anti-EU-Rhetorik gemäßigt hat. Letztere ist eher eine klassenübergreifende Partei, die ihre Unterstützung aus allen gesellschaftlichen Schichten bekommt, allerdings mit starkem Schwerpunkt in Süditalien und bei den jüngeren Staatsbürger*innen. Die Lega ist eindeutig eine Partei der modernen Rechten. Ihr Wirtschaftsprogramm ist rechtskonservativ (Steuern und öffentliche Sicherheit), während sie die Rolle des Staates in der Wirtschaft stärken will. Sie ist nicht für einen Abbau des Wohlfahrtsstaats, sondern für die Beschränkung des Zugangs auf italienische Staatsangehörige und den Ausschluss von Ausländer*innen. Die Rhetorik des »Italiener zuerst!« ist ihre zentrale Leitlinie.

Joachim Bischoff ist Mitherausgeber von Sozialismus. Im Mai erschien von ihm zusammen mit Klaus Busch und Hajo Funke bei VSA: Rechtspopulistische Zerstörung Europas? Wachsende politische Instabilität und die Möglichkeiten einer Kehrtwende, mit systematischen Länderuntersuchungen zu Italien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Deutschland.

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