27. Juni 2018 Friedrich Steinfeld

Joschka Fischer, der Abstieg des Westens und der Aufstieg des Rechtspopulismus

Joschka Fischer, ehemaliges Mitglied des Bundestages, 1998 bis 2005 Außenminister der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder, später Lobbyist für verschiedene deutsche Konzerne (u.a. Siemens, BMW, RWE), hat unter dem Titel »Der Abstieg des Westens«[1] ein neues Buch vorgelegt.

Darin zeigt er sich angesichts des Zerfalls der Nachkriegsordnung, der Entwicklung Chinas zum globalen Player sowie des Aufstiegs des Rechtspopulismus überrascht: Nach dem Zusammenbruch des völkisch-rassistischen Nationalismus der Nazis mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Westeinbindung Deutschlands in NATO und EU schien die demokratische Lernkurve in Europa steil und, seit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums 1989, der Fortschritt der westlichen Demokratien unaufhaltsam. »Die Attraktivität und Produktivität des westlichen ... Erfolgsmodells fußte auf einem liberalen Individualismus, der zugleich die traditionellen Klassenschranken aus der Hoch-Zeit der Industrialisierung überwand, indem er die höhere Bildung für die Kinder der Arbeiterklasse öffnete, deren gesellschaftlichen Aufstieg förderte und generell die Arbeiterklasse in eine neue Mittelschicht mittels Massenwohlstand transformierte. Der Ausbau des Sozialstaates zur kollektiven Vorsorge gegen Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit kam vor allem in West- und Nordeuropa hinzu.« /173/

Aufgrund dieser überschwänglichen Einschätzung verabschiedete sich Fischer seinerzeit von der Systemkritik an Kapitalismus und Klassengesellschaft und mutierte zum »postideologischen« Politiker. Nunmehr muss er zur Kenntnis nehmen, dass das westliche Erfolgsmodell von innen in eine Akzeptanz- und Systemkrise gerutscht ist, und zwar von rechts. Die Sehnsucht nach Heimat, Tradition und Herkunft wird »auch in Deutschland wieder nationalistisch und rassistisch-völkisch bewirtschaftet« /219/.

Friedrich Steinfeld ist Diplom-Psychologe und Autor des 2016 im VSA: Verlag erschienenen Buches Religiöser und politischer Fundamentalismus im Aufwind. Die Sehnsucht nach Identität.

[1] Joschka Fischer (2018): Der Abstieg des Westens. Europa in der neuen Weltordnung des 21. Jahrhunderts, Köln. Die in // gesetzten Zitate beziehen sich auf diesen Text.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

 

 

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