22. August 2013 Otto König: »Union Busting« bei der Fast-Food-Kette Burger King

»Kampf mit harten Bandagen«

Die Beschäftigten der H&M-Filiale hatten sich am 8. August gerade in der Heilbronner Stadtgalerie versammelt. Es ging um die Betriebsratswahl. Doch bevor es zur Abstimmung kam, erschienen Polizeibeamte, gerufen vom Filialleiter, um zwei Vertretern der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Hausverbot zu erteilen.

Auf Wunsch der Beschäftigten wollten die Gewerkschafter die Wahlen beobachten. Im Ladengeschäft des schwedischen Textilhandelsunternehmens in der Stadt am Neckar wurde trotzdem erstmals ein Betriebsrat gewählt.

Um in Unternehmen Gewerkschaften zu verhindern, hat sich in den USA eine »union avoidance industry«[1] breitgemacht, die mehrere Hundert Millionen Dollar im Jahr umsetzt. Die Vorgänge in der Systemgastronomie bei Maredo[2] und Burger King zeigen, dass sich die Methoden der systematischen Bekämpfung von selbstbewussten Lohnabhängigen auch in Deutschland ausbreiten. Ist im amerikanischen Kontext von »Union Busting«, also der Zerschlagung von Gewerkschaftsstrukturen die Rede, so geht es in Deutschland vorrangig um die professionelle Zermürbung und Zerschlagung von Betriebsräten: Üble Nachrede, Abmahnungen, Hausverbot, Kündigungen aus nichtigen Gründen und Ausspionieren durch Detektive sind keine Seltenheit. Immer häufiger werden Betriebsratskandidaten oder gewählte Betriebsratsmitglieder unter Druck gesetzt. Bei diesem Mobbing werden die Unternehmen von Anwälten unterstützt, die unverhohlen damit werben, darauf spezialisiert zu sein, »unkündbare« Beschäftigte loszuwerden.


Burger King: Kampf gegen Betriebsräte

»Nur frisch gegrillt schmeckt wie frisch gegrillt« – mit diesem Slogan wirbt Burger King für seine Produkte. Tatsächlich werden derzeit Betriebsräte und die Beschäftigten der Fast-Food-Kette gegrillt. Seit die von der Muttergesellschaft Burger King Worldwide[3] in Deutschland selbst betriebenen 91 Filialen Anfang Mai 2013 von der Yi-Ko Holding GmbH übernommen wurden, regiert in jedem siebten Restaurant die Angst. Die neuen Besitzer, der türkisch-stämmige Ergün Yildiz aus Stade sowie der Russe Alexander Kobolov, haben mit dem Betriebsverfassungsgesetz und mit Tarifverträgen nichts im Sinn. Die neue Geschäftsführung beschnitt sofort die Rechte der Arbeitnehmervertretungen, setzte auf Drohungen und Einschüchterung, um Betriebsräte, die es in einem Drittel der 91 von Yi-Ko geführten Restaurants gibt, mundtot zu machen. So hat sie in den vergangenen Wochen nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG) 15 Verfahren an den Standorten München, Augsburg, Speyer, Bochum, Essen, Frankfurt a.M., Ludwigshafen, Köln und Dortmund eingeleitet. In »Internen Anweisungen« heißt es: Es würden sämtliche Betriebsvereinbarungen gekündigt, Dienstpläne ohne Mitsprache des Betriebsrats erstellt, die Umkleidezeiten nicht mehr als Arbeitszeit entgolten, die Anzahl der Freigetränke begrenzt und Mitarbeiter an der Kasse für Fehlbeträge oberhalb von 45 Cent haftbar gemacht. Zudem hätten Betriebsräte ihre Aufgabe als Belegschaftsvertreter künftig außerhalb der gestempelten Arbeitszeiten – und damit unbezahlt – zu erledigen (Frankfurter Rundschau, 21.5.2013).

Gleichzeitig kündigte der neue Arbeitgeber an, tarifliche Leistungen nicht mehr im vollen Umfang zu gewähren. So soll das Urlaubsgeld entfallen. Auch die anstehende Tariferhöhung soll es nicht geben. Stattdessen sind einheitliche Niedriglöhne vorgesehen (Berliner Zeitung, 25.5.2013). Neue Mitarbeiter sollen nur noch befristet als Teilzeitkräfte eingestellt werden. Der Urlaubs­anspruch, der laut Tarifvertrag je nach Betriebszugehörigkeit zwischen 25 und 30 Tagen beträgt, mithin fünf bis sechs Wochen, soll pauschal auf 24 Werktage inklusive Sonnabend, also auf vier Wochen, gekürzt werden. Die tarifliche Eingruppierung mit steigenden Entgelten nach Betriebszugehörigkeit soll außer Kraft gesetzt werden. Diese »Wild-West-Methoden« ihres Verbandsmitglieds, mit denen er das Unternehmen profitabler machen will, schreckten selbst den Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) auf. »Wir haben lange Zeit daran gearbeitet, wieder eine Tarifkultur und ein respektvolles Miteinander mit den Beschäftigten zu etablieren, und werden uns das nicht kaputt machen lassen.« (BdS-Hauptgeschäftsführerin Valerie Holsboer) Das Unternehmen kann aus vertraglichen Gründen nicht aus dem Verband austreten und spekuliert möglicherweise darauf, ausgeschlossen zu werden.

Trotz heftiger Auseinandersetzungen zwischen Management und Betriebsräten stieg deren Zahl seit Anfang Mai von 32 auf 38. Diese Entwicklung veranlasste die Geschäftsführer, den Arbeitgeber-Anwalt Helmut Naujoks zu beauftragen. Der Jurist hat sich auf Kündigungsverfahren gegen Betriebsräte, Schwangere und Behinderte und damit gegen Beschäftigte mit hohem Kündigungsschutz spezialisiert. Aktuellstes Beispiel ist die Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden Gökmen Y. in der Filiale Dortmund-Kley. Ihm wird vorgeworfen, sich mit einer vorgetäuschten Krankheit arbeitsunfähig gemeldet zu haben. Im Auftrag seines Arbeitgebers suchte am 20. Juni eine Distriktmanagerin seinen Arzt auf. »Ich bin nicht krank, will jedoch trotzdem von Ihnen krankgeschrieben werden«, soll die Managerin laut Schriftsatz des Firmenanwalts gesagt haben. Sie bekam die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, woraus die Burger King GmbH einen Kündigungsgrund konstruierte. Sie brachte das so genannte Beweismittel in dem Arbeitsrechtsstreit mit der Argumentation ein: Da der Betriebsratsvorsitzende vom selben Arzt krankgeschrieben wurde, müsse seine Erkrankung ebenfalls vorgetäuscht sein. Dies sei eine »Pflichtverletzung« und ein »schwerwiegender Vertrauensbruch« und erfordere im Interesse des »Betriebsfriedens« eine Kündigung. »Das Unternehmen will an ihm ein Exempel statuieren« (Zayde Turan, NGG-Sekretärin). Die Burger King GmbH wolle Personalkosten sparen und betreibe daher die Auflösung von Betriebsräten. So übergab der »Rambo« unter den Arbeitgeberanwälten dem Gericht in der Güteverhandlung zusätzlich einen Antrag auf Auflösung des gesamten Betriebsratsgremiums.


Taktik gegen Betriebsräte

Seit Helmut Naujoks, der sich laut »Spiegel« den Ruf als »Betriebsrätefresser« erworben hat, die Burger King GmbH vertritt, gilt für die Beschäftigten und die zuständige Gewerkschaft NGG Alarmstufe Rot. Betriebsräte sind für ihn, wie er in seinem »Schwarzbuch Betriebsrat« formuliert, »Schattenbosse zwischen Macht und Machtmissbrauch«, die keiner Kontrolle unterliegen und in nicht wenigen Fällen ihre Macht missbrauchen. Zu Naujoks’ Methoden, Betriebsratsmitglieder aus dem Betrieb zu entfernen oder ganze Betriebsratsgremien zu demontieren, gehören u.a. Abmahnungs- und Kündigungswellen (d.h. mehrere fristlose Kündigungen gegen eine Person aus verschiedenen Gründen), offene und verdeckte Bespitzelung, Hausverbote gegen Gewerkschaftssekretäre und Betriebsräte. Bei den von ihm angestrengten Arbeitsrechtsverfahren geht es vorrangig nicht um einen Sieg vor Gericht; »dass die Anschuldigungen rechtlich haltlos sind, ist nicht entscheidend, sondern der Umstand, dass die Betroffenen infolge des zermürbenden Mobbings so erschöpft sind, dass sie irgendwann aufgeben und der Arbeitgeber sein Ziel erreicht hat« (DGB-Bundesvorstandsmitglied Dietmar Hexel).[4]

Strategien zur Zermürbung von Betriebsräten und zum Raushalten von Gewerkschaften aus Betrieben bietet mittlerweile ein ganzes Netzwerk von professionellen Dienstleistern an.

Zu den »Hardcore«-Union Bustern gehört auch die Kanzlei Schreiner + Partner im sauerländischen Attendorn, die mit dem Slogan wirbt: »Wir wissen, wo wir stehen – nämlich auf Seiten der Arbeitgeber.« Entsprechend lauten die Themen ihrer Arbeitsrechtsseminare: Wo liegen die Grenzen der Mitbestimmung und des Betriebsrats? Wie steigen Sie aus dem Arbeitgeberverband aus? Gleichzeitig verbreiten immer neue Internet_seiten einschlägige Empfehlungen für Arbeitgeber im digitalen Netz. Die Seite www.arbeitgeber-Betriebsrat.de verspricht Geschäftsführern und Personalern, wie sie »ihrem Betriebsrat 100% rechtssicher seine Grenzen aufzeigen«.

Die Autoren der OBS-Studie »Union Busting«[5] halten jene Dienstleister für gefährlicher, die subtil vorgehen und sich nicht offen gewerkschaftsfeindlich positionieren. Dazu zählen sie Niederlassungen US-amerikanischer Anwaltskanzleien wie Allen & Overy oder Freshfields, die von so gut wie allen Konzernen bei Konflikten hinzugezogen werden. Aufgabe dieser Anwälte sei es, Streiks zu verhindern und höchstrichterliche Entscheidungen durchzusetzen. Doch diese Aktivitäten, so Werner Rügemer und Elmar Wigand, würden nicht nur von Rechtsanwälten, Medienkanzleien und PR-Agenturen betrieben. Auch »Human Relations«-Lehrstühle an privaten Hochschulen entwickelten in engem Kontakt mit Personalvorständen von Konzernen hochkomplexe Tests für die Belegschaft, um etwa so genannte Minderleister (Low Performer) zu identifizieren (AIBplus »Der Betriebsrat«, 3/2013).


Mitbestimmungsfeindliche Orientierung

Nach einer WSI-Befragung breiten sich mitbestimmungsfeindliche Einstellungen auch außerhalb des privaten Dienstleistungssektors aus. Dies belegen Ergebnisse einer Befragung in 130 örtlichen Geschäftsstellen der IG Metall, der IG BCE und der NGG. Mehr als der Hälfte der Befragten sind Fälle bekannt, in denen Unternehmer versucht haben, die Gründung einer Arbeitnehmervertretung zu verhindern. Besonders häufig seien Versuche, Kandidaten für die Betriebsratswahl einzuschüchtern: Laut Befragung wurde in sieben von zehn Fällen, in denen die Unternehmensleitung eine Betriebsratswahl verhindern wollte, Druck auf Kandidaten ausgeübt. In etwa jedem vierten Fall wurde Wahlbewerbern – bzw. den Mitgliedern des Wahlvorstands – gekündigt. In knapp 12% der Fälle versuchte das Management nach Angaben der Befragten, Kandidaten »herauszukaufen« – ihnen wurden Vorteile angeboten, wenn sie von ihrer Kandidatur zurückträten (Pressemitteilung WSI, 21.6.2012).

Behinderungen und Repressalien gegen bereits existierende Betriebsräte kommen nach der Befragung seltener vor als Versuche, eine Neuwahl zu unterbinden. Gleichwohl sind auch sie nicht nur Ausnahmen: Gut ein Drittel der befragten Gewerkschafter kennt Betriebe, in denen bereits existierende Betriebsräte vom Management behindert werden. Mitglieder des Betriebsrats werden gekündigt oder zum Rücktritt gedrängt. Eine mitbestimmungsfeindliche Orientierung des Managements ist hauptsächlich in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten und in inhabergeführten Unternehmen zu finden. »In patriarchalen Gebilden gilt der Wunsch, einen Betriebsrat zu wählen, nicht selten als Angriff auf die Familienehre, deren Wahrung irrationale und teils völlig überzogene Reaktionen hervorruft.« (Elmar Wigand, ND 27.7.2013)

Zurück zu Burger King. Gerichtliche Vergleichsangebote lehnt die Yi-Ko Holding ab. Man will Betriebsräte ausschalten und in einem Klima der Repression Betriebsratsgründungen verhindern. »Die Betriebsräte sind diejenigen, die sich in der Vergangenheit gegen die Lohndrückerei gestellt haben. Wenn man die los wird, kann man die Lohndrückerei durchführen.« (NGG)

Otto König ist Mitherausgeber von Sozialismus.

[1] Union Busting ist die gezielte Anwendung und modulare Kombination von Praktiken, die geeignet sind, arbeitgeberunabhängige Organisierung und Interessenvertretung in einem Betrieb, einer Branche, einer Gesellschaft zu zerschlagen, auszuhebeln oder im Entstehen zu be- und verhindern.
[2] Einen Tag vor dem Berufungstermin beim Landesarbeitsgericht im Juni 2013 haben die von der DGB-Rechtsschutz GmbH und der Gewerkschaft NGG vertretenen Beschäftigten der Maredo-Filiale in der Frankfurter »Fressgass« einem Vergleich mit der Steakhauskette zugestimmt, der ihren eineinhalbjährigen Kampf gegen ihre Entlassungen beendete.
[3] Der Burger-King-Konzern wurde 1954 im US-Bundesstaat Florida gegründet und ist nach McDonald’s das zweitgrößte Fast-Food-Unternehmen der Welt. Der Konzern betreibt in 88 Ländern 13.000 Restaurants, in denen insgesamt 11 Millionen Gäste pro Tag essen. 99% der Filialen sind an Franchisenehmer vergeben, die die Restaurants eigenverantwortlich führen. Der Gesamtumsatz des Konzerns betrug 2012 knapp zwei Milliarden US-Dollar, der Gewinn lag bei 117,7 Millionen Dollar. In Deutschland existieren 677 Filialen.
[4] Vgl. Christian Esser/Alena Schröder: »Die Vollstrecker. Rausschmeißen, überwachen, manipulieren. Wer für Unternehmen die Probleme löst«, Gütersloh 2012.
[5] OBS-Studie: Elmar Wigand/Werner Rügemer: »Union Busting in Deutschland – Die systematische Bekämpfung von Gewerkschaften, Betriebsräten und Beschäftigten als professionelle Dienstleistung. Strukturen und Muster einer aggressiven Branche« (unveröffentlichtes Manuskript, erscheint im November 2013).

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