1. März 2009 Christina Ujma

(K)ein Grund zu Feiern?

Es war ein historisch zu nennender Moment: Beim Festakt im Bundeskanzleramt saßen Ursula von der Leyen, Angela Merkel und Alice Schwarzer Schulter an Schulter und freuten sich über 90 Jahre Frauenwahlrecht. Merkel und andere konservative Frauen sprachen zudem den Aktivistinnen ihren Dank aus und betonten: ohne die Frauenbewegung wären sie nie dort gelandet, wo sie jetzt sind, d.h. weder im Bundeskanzlerinnenamt noch in diversen Ministerien.

Dieser Schulterschluss markiert so etwas wie eine Versöhnung der Konservativen mit der Frauenbewegung. Denn eigentlich waren vor allem die christlichen Konservativen von Anfang an harte Gegner des Frauenwahlrechts wie von Frauenrechten überhaupt. Eigentlich hätten deshalb beim Festakt zur Feier des Frauenwahlrechts im Bundeskanzleramt vor allem die Parteien der Linken glänzen müssen, denn es ist dem Drängen der SPD zu verdanken, dass das allgemeine Frauenwahlrecht 1919 in die erste demokratische Verfassung aufgenommen wurde. Die Weimarer Koalition, die die Verfassung ausarbeitete, war diesbezüglich nicht sonderlich einig, das katholische Zentrum war teilweise gegen das Frauenwahlrecht eingestellt, die DDP (Deutsche Demokratische Partei 1918-1930) war zwar dafür, aber nach guter liberaler Art hätte sie auch anders gekonnt. Wie Richard Evans eindrücklich nachgewiesen hat,[1] war die klare Haltung der SPD wiederum Clara Zetkin zu verdanken, die mit ihrer "Gleichheit" zu den stärksten Propagandistinnen des Wahlrechts gehörte. Nachdem Clara Zetkin und die ihren die SPD in Richtung USPD bzw. KPD verließen, wurden die sozialdemokratischen Frauen lange zum lahmen Verein, dessen Hauptaufgabe karitative Arbeit und das Kaffeekochen für die Genossen war. Es war die USPD, die darüber hinausgehende Zeichen setzte; auf ihrer Liste kandidierten die prominenten linken Frauenrechtlerinnen Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg. Kurt Eisner schuf in der Münchner Räterepublik die erste Staatssekretärinnenstelle für Frauenfragen. Die linken Parteien hätten also guten Grund gehabt, sich etwas auf dieses Jubiläum einzubilden, stattdessen trat beim Festakt die sozialdemokratische Ministerin Brigitte Zypries auf, die betonte, dass Frank-Walter Steinmeier auch ganz nett sei.

Abschied vom antifeministischen Kulturkampf

Traditionell waren die progressiven Parteien und diejenigen, die für Emanzipation kämpften, meist auf einer und die Rechten auf der anderen Seite. Konservatismus und Frauenbewegung waren sich nicht nur in Deutschland meist spinnefeind. Hier, wie in allen Ländern, in denen der Katholizismus politischen Einfluss hatte, mussten auch die kleinsten Fortschritte gegen die Männer des Vatikan erkämpft werden. Selbst die Schulpflicht für Mädchen stieß in Südeuropa auf den Widerstand der katholischen Kirche und ihrer Parteien. Säkulare Schulen, in denen Mädchen mehr lernten als Stricken, Kochen und Beten waren Gegenstand des Kulturkampfs und europaweit umstritten. Unsere Frauen wollen weder zur Schule oder Universität noch wählen gehen, hieß lange Zeit die Argumentation von Katholiken und Konservativen. Und ob sie wollten! Das zeigte sich gleich 1919, als in Deutschland zum erstenmal das allgemeine Wahlrecht galt und 82% aller weiblichen Wahlberechtigten zur Urne gingen. Die SPD wurde mit dem von ihr maßgeblich betriebenen allgemeinen Wahlrecht und der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau in der Weimarer Verfassung allerdings nie so recht glücklich. Spätestens als die Arbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund von Wirtschaftskrise und demobilisierten Soldaten massiv anstieg, wurden Maßnahmen zur Verdrängung von Frauen aus dem Arbeitsleben angestrebt. Dabei waren es nicht die traditionellen Tätigkeiten, die man ihnen streitig machte. Die Frauen durften auch weiterhin verkaufen, kochen, putzen, pflegen oder nähen, aber die besser bezahlten und interessanteren Jobs galten immer potentiell als Männerjobs, in der Industrie wie im Angestelltenbereich.

Mit dem 1919 eingeführten allgemeinen Frauenwahlrecht war Deutschland allerdings vielen seiner Nachbarn voraus, wie Frankreich und Italien, die sich erst 1945 anschlossen. Großbritannien gewährte 1918 immerhin wohlhabenden Frauen über dreißig das Wahlrecht. Als dies 1928 zugunsten einer Angleichung von Männer- und Frauenrechten geändert wurde und auch junge Frauen zugelassen wurden, gab es bei den Wahlen 1929 prompt einen Erdrutsch zugunsten von Labour, was die Konservativen den Frauen und dem Wahlrecht sehr übelnahmen. Dass Frauen grundsätzlich eher konservativ wählen würden, ist nämlich weniger Faktum als Populärmythos. Selbst die modernen Wahlforscher, die sich die Auswertung der Wahlstatistiken der Weimarer Republik noch einmal vorgenommen haben, konnten feststellen, dass die Kluft zwischen männlichem und weiblichen Wahlverhalten weniger ausgeprägt war, als vordem angenommen.

Heutzutage ist unbestritten: Frauen wählen eher die Parteien der Linken und die CDU hat gerade bei den jüngeren Frauen ein ernsthaftes Problem. Die Versuche Merkels und von der Leyens, sich einem modernen Frauenbild zu öffnen, sind sicherlich auch in diesem Kontext zu betrachten. Auch die Linkspartei hat Probleme damit, bei den Wählerinnen anzukommen, machte aber bislang keine Versuche, dies durch eine frauenpolitische Offensive zu verändern, was schwer nachvollziehbar ist, denn viele ihrer Themenfelder wie z.B. Armutsbekämpfung oder Mindestlohn sind ausgesprochen frauenrelevant.

Damenwahl – Welche Wahl haben Frauen in der Politik?

Chantal Louis betont in einem Beitrag zu dem Sammelband "Damenwahl – Vom Kampf um das Frauenwahlrecht bis zur ersten Kanzlerin", dass sich Frauen in ihrer Wahlentscheidung stark von Frauenthemen beeinflussen lassen und dass ihre gegenwärtig sinkende Wahlbeteilung nicht unbeeinflusst davon ist, dass diese von der Tagesordnung der meisten Parteien verschwunden sind.[2] Dieses Buch zeugt von einer Art postfeministischer Frauenpolitik der besonderen Art. Es ist ein von Alice Schwarzer herausgegebenes Emmabuch, zu dem Angela Merkel das Geleitwort geschrieben hat, und allein dadurch eine kleine Sensation. Es macht einen doppelten Umbruch deutlich: Eine Kanzlerin, die die Rolle einer radikalen Frauenrechtlerin, Schriftstellerin und Intellektuellen wie Hedwig Dohm hervorhebt, ist sicherlich ein Novum. Interessant ist auch, dass Merkel als einzige Autorin zumindest en passant die soziale Frage erwähnt. So hebt sie an der Einführung des allgemeinen Wahlrechts auch hervor, dass es auch die ärmeren Männer vom Dreiklassenwahlrecht befreite und mahnt eine Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt an, während sich die sonstigen Beiträge sehr darauf beschränken, Erreichtes zu feiern.

Der Schwerpunkt von "Damenwahl" liegt auf Kurzporträts von erfolgreichen und frauenpolitisch zumindest irgendwie bewussten Frauen aller Parteien, verfasst von Tissy Bruns und Chantal Louis. Beide sind versierte Journalistinnen, deren Hintergrund sich allerdings sehr unterscheidet. Während Bruns Chefkorrespondentin des Tagesspiegel ist, arbeitet Louis für Emma. Beide haben sich die Arbeit so geteilt, dass Bruns die Politikerinnen der Linken und Louis die der Rechten porträtiert. Die Kurzporträts reichen von Katja Kipping und Petra Pau über Bärbel Höhn und Renate Künast, Hannelore Kraft und Heidi Wieczorek-Zeul und anderen SPD Frauen bis zu Anette Schavan und Ursula von der Leyen nebst einer größeren Zahl von CDU-Frauen bis hin zu CSU-Politikerinnen. Das Buch ist streng nach Parteienproporz quotiert und darauf aus, Erfolgsgeschichten zu erzählen, was auch gelingt, denn wie sich bei den geschilderten Politikerinnen eindrücklich nachvollziehen lässt, haben zumindest diese Frauen einiges erreicht und darüber ihre weniger privilegierten Geschlechtsgenossinnen nicht vollkommen vergessen. Dass der überparteiliche Ansatz des Buches eine kritische Analyse weitgehend verbietet, versteht sich von selbst, aber bestimmte Muster lassen sich dennoch erkennen. Am Frappierendsten ist die Schlussfolgerung, dass mit Frauenpolitik kein Blumentopf, d.h. kein Spitzenamt in der Politik zu gewinnen ist. Denn keine der Frauen ist frauenpolitisch sonderlich ausgewiesen, keine kommt aus den Frauenorganisationen der Parteien oder hat sich einen Namen als Frauenpolitikerin gemacht, woraus sich einmal mehr der subalterne Status der Frauenfrage in der bundesdeutschen Parteipolitik ableiten lässt. Ganz im Gegenteil, ähnlich wie Kanzlerin Merkel mussten die "Damen" erst einmal ihre Tauglichkeit bei klassischen, männlich konnotierten Themen unter Beweis stellen, bevor sie überhaupt Frauenthemen ansprechen durften, es sei denn, es gehört zu ihrem direkten Verantwortungsbereich, wie bei Ursula von der Leyen. Deutlich wird auch, dass es anders als bei den Männern keine vorgezeichneten Aufstiegspfade gibt und sich die "Damen" meist als Einzelkämpferinnen durchsetzen mussten. Qualifikationen spielten dabei eine größere Rolle als Seilschaften. Es ist wirklich erstaunlich, dass unter den porträtierten Politikerinnen einzig die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth über keinen höheren Schulabschluss verfügt. Woraus sich folgern lässt, dass es mit der politischen Repräsentation breiter Bevölkerungsschichten bei den Frauen noch schlechter steht als bei den Männern.

Abgesehen von hoch profilierten Frauen wie Bärbel Höhn oder Heidi Wieczorek-Zeul ist die Mehrheit der Politikerinnen doch durch Mimikry an der Männergesellschaft hochgekommen, d.h. immer schön bescheiden bleiben und bloß nicht zu hübsch und nicht zu hässlich, nicht zu schrill und nicht zu kantig, nicht zu klug oder intelligent, aber natürlich immens kompetent sein. Wie es einer Politikerin gehen kann, die sich nicht in diese Normen fügt, hat das Beispiel Andrea Ypsilanti gezeigt, die von vielem zu viel hatte: Schönheit, Selbstbewusstsein, Beharrlichkeit und Machtwillen. Das gilt immer noch als Provokation, die hysterische Medienkampagne machte es überdeutlich. Dass es gerade eine überangepasste Frau wie Carmen Everts bzw. ein Berufsopportunist wie Jürgen Walter waren, die Ypsilanti schließlich ins Messer laufen ließen, zeigt, dass Abweichung von der rigiden Weiblichkeitsnorm von beiden Geschlechtern nicht toleriert wird. Eine Thematisierung dieser Problematik hätte "Damenwahl" sicher gut getan.

Heimatloses Erbe der Frauenbewegung

Man kann also konstatieren: Das Erbe der Frauenbewegung ist entweder politisch heimatlos geworden oder bei den modernen Konservativen untergeschlüpft. Dies ist nach der frauenpolitischen Pleite der rot-grünen Regierungsperiode nachvollziehbar. Ob Enttäuschung wirklich ein guter Ratgeber ist, wird man sehen, denn die Vertreter des frauenpolitischen Dunkeldeutschland, d.h. die Kirchhoffs, di Fabios und Eva Hermanns warten nur auf ihre Zeit. Man muss es von der Leyen und den modernen Konservativen allerdings lassen, dass sie ihre Projekte mit viel Standvermögen durchgezogen haben. Hysterische Bischöfe am Rande des Nervenzusammenbruchs, keifende Antifeministen beiderlei Geschlechts und die parteiübergreifende Koalition, die das Recht des Mannes auf seine Hausfrau verteidigte, konnten sie nicht aus der Bahn werfen. Mit dem Ausbau der Kleinkindbetreuung und dem Elterngeld haben sie gleich zwei wichtige Vorhaben durchgesetzt, die seit Jahrzehnten auf den Programmen von sämtlichen linken Parteien standen. Die durchaus nicht unumstrittenen Maßnahmen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern, stärken die sozialen Rechte von Frauen mit Kindern und mindern die Abhängigkeit vom alleinverdienenden Ernährer. Viel mehr kann man von der CDU aber vermutlich nicht erwarten, schon gar keine Initiativen zur Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, die anders als die Förderung der Kinderbetreuung auch nicht mehr so einfach mit der demographischen Entwicklung zu begründen sind.

In ihrem Familienreport aus dem Februar 2009 konnte Ministerin von der Leyen erste Erfolge dieser Maßnahmen konstatieren.[3] Die Geburtenrate ist ein bisschen angestiegen, die Quote der Väter, die auch für zwei oder mehr Monate Elterngeld beantragen, steigt stetig, besonders natürlich in Berlin und anderen Großstädten, aber selbst ein CSU-Landrat kam kürzlich mit seinem Wickelvolontariat in die Schlagzeilen. Reproduktionsarbeit ist damit nicht länger etwas, das unsichtbar und unentgeldlich von Frauen geleistet, sondern wenigstens ansatzweise als gesellschaftliche Aufgabe begriffen wird. Zudem, wie auch Ministerin von der Leyen in ihrem Bericht betonte, rechnet sich das Elterngeld für die Familien. Insgesamt sind doppelverdienende Paare besser davor geschützt, in Armut abzurutschen; fällt ein Einkommen weg, bleibt immerhin ein zweites. Hinzuzufügen bleibt, dass Frauen, die nicht wegen Kindererziehung aus dem Arbeitsmarkt aussteigen und sich irgendwann nach der Babypause einen Minijob suchen, sondern ihre steuer- und sozialversicherungspflichtigen Jobs behalten, nicht nur der eigenen Absicherung, sondern auch dem Gemeinwohl Vorschub leisten.[4] Von der Leyen will es mit dem bisher Erreichten nicht bewenden lassen, sondern plant eine Ausweitung der Männermonate, des Kinderzuschlags und eine Initiative zur Förderung der überproportional von Armut und Hartz IV betroffenen Alleinerziehenden, womit sie einmal mehr die Forderungen abarbeitet, die die rot-grünen Regierungen unerledigt gelassen haben.

Statt Frauenpolitik steht allenthalben Familienpolitik auf der Agenda, was in Deutschland, im Unterschied zu den meisten europäischen Nachbarländern, immer noch vorwiegend auf die finanzielle Besserstellung alleinverdienender Familienväter ausgerichtet ist. Während bei vielen europäischen Nachbarn längst Konsens ist, dass Ausgaben für die Familien- und Kinderförderung besser an die Mütter bzw. an den vornehmlich erziehenden Partner gehen müssen, die dieses Geld eher den Kindern zukommen lassen, gibt es in der Bundesrepublik immer noch einen Aufschrei, wenn Mütter direkt gefördert werden, wie z.B. beim Erziehungsgeld. Dies ist als Lohnersatzleistung für Erziehungspersonen konzipiert. Einwände, dass damit eine Ungleichbehandlung vorläge, sind bei anderen Lohnersatzleistungen, z.B. beim Krankengeld oder beim ALG I, bislang noch nicht vorgebracht worden.

Die linken Parteien und Zeitschriften waren mit dem Elterngeld nie so richtig glücklich geworden. Statt Mäkeleien über das Elterngeld und die Förderung der Kleinkindbetreuung hätte man auf Seiten der Gewerkschaften und der linken Parteien aber auch eine politische Offensive zur Besserstellung der miserabel bezahlten Erzieherinnen, Kleinkindbetreuerinnen und Tagesmütter starten können. Aber der perfiden Logik, dass wenn vordem privat und unentgeltlich erledigte Reproduktionsarbeiten schon gesellschaftlich organisiert werden, wenig mehr als die Existenzsicherung dabei herausspringen darf, mag sich niemand so richtig widersetzen. Die magere Entlohnung von Krankenschwestern oder Altenpflegerinnen ist ein weiteres Beispiel hierfür. Kindergärtnerin bzw. Erzieherin und Krankenschwester sind aber keineswegs geringqualifizierte Berufe, sondern erfordern eine mehrjährige Ausbildung, die in einem derartig eklatanten Missverhältnis zur späteren Bezahlung steht, dass selbst Männer, die sich für dieses Metier interessieren, davor zurückscheuen, hier tätig zu werden. Frauen können dagegen auf dem nach Geschlechtern segregierten deutschen Arbeitsmarkt kaum mehr erwarten, weshalb sich bei Ihnen diese Berufe weiterhin großer Beliebtheit erfreuen, zumal sie einen starken sozialen Anspruch haben und sich damit deutlich von den Büroberufen unterscheiden, dem anderen großen Sektor, in dem Frauen mit mittleren und gehobenen Qualifikationen arbeiten.

Traditionell war die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt das Terrain der Parteien der Arbeiterbewegung, aber gegenwärtig steht Gleichheit nicht auf deren Tagesordnung. Noch nicht einmal bei dem 2006 in Anpassung der bundesdeutschen Gesetzgebung an EU-Vorgaben verabschiedeten Gleichstellungsgesetz konnte man sich dazu durchringen, ein bisschen mehr zu fordern. Folgerichtig steht die Bundesrepublik bei der Ungleichheit der Löhne weit vorne und wird zunehmend von internationalen Organisationen kritisiert. Die Hürden beim Zugang zu hochqualifizierten Stellen tun ein übriges, um die Lage der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verschlechtern. Man rühmt sich gerne der gutausgebildeten Frauen, aber deren Chancen, ihre Ausbildung beruflich angemessen zu verwerten, sind nur bedingt gegeben. Dabei haben unsere nordeuropäischen Nachbarländer und selbst Österreich Mechanismen in der Antidiskriminierungspolitik aufgebaut, die relativ einfach zu kopieren wären. Wenn sich der DGB wie im November 2008 einmal dazu durchringt, Aktionen gegen Lohnungleichheit zu machen, finden diese relativ wenig Widerhall in der linken Politik.

Zum Internationalen Frauentag am 8. März werden sämtliche linken Parteien wieder ihre weitgehend identischen frauenpolitischen Forderungen aus den Akten kramen. Das gerät angesichts von deren frauenpolitischer Unsichtbarkeit immer mehr zum peinlichen Event, zu einer Art feministischer Muttertag: Einmal im Jahr gibt’s blumige Forderungen als Entschuldigung für die Untätigkeit in der restlichen Zeit.

Politik für Gartenzwerge und Besitzstandswahrer

In der Frauenpolitik ist die Kluft zwischen einer gewandelten Gesellschaft und der politischen Kaste besonders spürbar. Für diese sind nur die Teile der Facharbeiterschaft und des Bürgertums maßgeblich, die sich in ihren Einfamilienhäusern in den Vororten verschanzen und staatlich hoch subventioniert durch Ehegattensplitting und Pendlerpauschale ihre Hausfrauenehen, Distinktionsrituale oder Kleingärten pflegen. Dabei ändern sich Frauenrolle und Beziehungsarrangements in Deutschland und Europa rapide. Besonders in Frankreich, Skandinavien und Großbritannien ist die Hausfrau und damit die traditionelle Ehe am Aussterben, Kinder werden zunehmend von unverheirateten Paaren großgezogen. In Deutschland ist der Osten diesbezüglich Vorreiter: Ein Drittel aller Kinder werden dort von unverheirateten Eltern betreut, was angesichts der massiven steuerlichen Begünstigung der Ehe einerseits auf ein hohes Autonomiebestreben schließen lässt, aber dann belohnt der Staat steuerlich wirklich nur besser betuchte Alleinverdiener und beraubt durch die Bedarfsgemeinschaft arbeitslose Ehepartner ihrer sozialen Rechte.

Die Abschaffung des Ehegattensplitting, das eben nur Besserverdienende und die Hausfrauenehe fördert, nicht aber Kindererziehung oder Ehen mit anderer beruflicher Lastenverteilung, ist zwar eine alte Forderung aller linken Parteien, aber in den rot-grünen Regierungsjahren geriet dieses Vorhaben, wie so viele soziale Vorhaben, vollkommen in Vergessenheit. Was zur Folge hat, dass die Bundesrepublik mit einem kostspieligen System dasteht, das jährlich zwar 20 Milliarden kostet, aber Arme und Alleinerziehende benachteiligt. Es macht "Doppelverdienen" finanziell unattraktiv, und stellt der Arbeitsaufnahme von Ehefrauen ernsthafte Hürden entgegen, was ihre finanzielle Absicherung im Alter, aber auch ihre Möglichkeiten zum Broterwerb generell und vor allem aber nach einer Scheidung beeinträchtigt. Mittlerweile ist selbst die FDP für die Abschaffung des Ehegattensplittings, das dermaßen eklatant den Gleichheitsgrundsatz verletzt, dass es eigentlich kaum mit dem Gleichstellungsgebot in der Verfassung im Einklang stehen kann. Zyniker könnten nun sagen, dass es damit vielleicht endlich Aussichten für Fortschritte in dieser Frage gibt.

Von den Rechten wird man kaum eine Änderung des tradierten Politikverständnisses erwarten können, das den Mann zum politischen Maß aller Dinge macht und für Frauen allenfalls etwas übrig hat, wenn es um reale oder potentielle Mutterschaft geht. Ein Politikverständnis, das die politischen und sozialen Belange von Frauen unabhängig von Beziehungsstatus oder Kindern im Blick hat, ist auch nach 90 Jahren Frauenwahlrecht noch nicht in Sicht. So bleibt dies eine Herausforderung für die Parteien der Linken, die damit Substanz, Glaubwürdigkeit und Wählerinnen gewinnen könnten.

Christina Ujma arbeitet als Wissenschaftlerin und Autorin in Berlin. Sie schreibt in Sozialismus regelmäßig über Italien.

[1] Richard J. Evans: German Social Democracy and Women's Suffrage 1891-1918, Journal of Contemporary History, 1980, S. 533-557.
[2] Damenwahl, Hrsg. von Alice Schwarzer. Mit Texten von Tissy Bruns & Chantal Louis und einem Geleitwort von Kanzlerin Merkel, Köln 2008.
[3] www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/Service/
Publikationen/publikationen,did=120244.html
[4] Zur politischen und theoretischen Begründung dieser Politik vgl. Malte Ristau: Der ökonomische Charme der Familie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 23-24, 2005, S. 18-23.

Zurück