24. August 2021 Brigitte Schulz

Kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Schwarze in den USA

Im Jahre 1607 entsandte der englische König James I. 105 Männer (darunter auch einige deutsche Handwerker) nach Nordamerika, um dort nach Gold und Silber zu suchen. Es war ein rein kommerzielles Unternehmen, gesponsert von der London Virginia Company, einer extra gegründeten Aktiengesellschaft, die sich aus der Neuen Welt große Schätze erhoffte. So entstand Jamestown im jetzigen Staat Virginia als erste dauerhafte englische Siedlung auf dem Kontinent.

Nach bitteren Kriegen gegen die indigene Bevölkerung und anfänglich vielen materiellen Entbehrungen wurde Virginia durch den Anbau und Export von Tabak reich.

Es traf sich gut, dass 1619 etwa zwei Dutzend junge Männer, die man aus dem Königreich Ndongo im jetzigen Angola geraubt hatte, auf einem holländischen Schiff in Jamestown ankamen, ganze drei Jahre, bevor die im nationalen Mythos verankerten Pilgrimväter auf der Mayflower im späteren Massachusetts landeten. Der wachsende Reichtum Virginias beruhte auf Enteignung der indigenen Bevölkerung und der kostenlosen Arbeit afrikanischer Sklaven, die in immer größeren Mengen ins Land gebracht wurden. Zur Zeit der Unabhängigkeit der USA waren 220.000 Menschen oder 41% der Bevölkerung Virginias Menschen afrikanischer Herkunft.

Die Geschichte der Vereinigten Staaten ist also von Anfang an nicht nur die von weißen, sondern auch von schwarzen Menschen. Trotzdem wird diese Geschichte bis zur Gegenwart hauptsächlich aus der Perspektive der europäischen Siedler erzählt. Die Schicksale ihrer Opfer, der indigenen Bevölkerung sowie der aus Afrika verschleppten und als Sklaven ausgebeuteten Menschen, fanden bis zur Gegenwart kaum Beachtung im selbstzufriedenen weißen Narrativ von Freiheit und Demokratie. Der große Beitrag, den versklavte Afrikaner zum Reichtum der USA leisteten, wurde ebenfalls systematisch verleugnet.

Dieses Narrativ, das die USA selbstgefällig als »älteste Demokratie in der westlichen Welt« feiert, wird nun endlich angefochten. Dabei geht es in der Hauptsache nicht um die Umbenennung von Lebensmittelprodukten wie »Aunt Jemina«-Pfannkuchen oder »Uncle Ben’s«-Reis, oder dem als »political correctness« abgetanen Verbot von rassistischen Beleidigungen, sondern um eine radikale Neuinterpretation der Geschichte der USA, in der Weiße von Helden zu Tätern in einem brutalen Prozess der Unterwerfung und Versklavung werden.

Brigitte Schulz ist emeritierte Professorin für Politikwissenschaft am Trinity College, Hartford (Connecticut, USA). In Sozialismus.de 3/2021 erschien von ihr der Beitrag: »Sind die USA mit Joe Biden ›wieder da‹?«

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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