22. November 2024 Kerstin D. Klein/Matthias Ebenau/Michael Erhardt: Die Tarifbewegung der Metall- und Elektroindustrie
Kompromiss in schwierigen Zeiten
Rahmenbedingungen
Die wirtschaftlichen Umstände im Frühsommer 2024 schienen nicht schlecht für eine Tarifbewegung, an deren Ende ein weiterer Schritt zur Stärkung der Einkommen der abhängig Beschäftigten und zur Rück-Umverteilung nach dem Inflationsschock der vergangenen Jahre stehen sollte. Mit den Bemühungen um Beschäftigungssicherung während der Pandemie war zudem das Thema Arbeitszeitverkürzung weiter im Blickpunkt des Interesses geblieben.
Freilich: Kurzfristige konjunkturelle Lageeinschätzungen bieten ein unvollkommenes Bild in Zeiten tiefer Umbrüche. Dass die Transformation eine Mammutaufgabe werden würde, war schon lange klar, spätestens seit der IG Metall-Transformationsatlas im Jahr 2019 zahlreiche Fragen hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit etablierter Geschäftsmodelle aufgeworfen hatte. In einigen Unternehmen wurde das Thema zwischenzeitlich mit Zukunftstarifverträgen erfolgreich angegangen. In vielen Fällen reichten die arbeitgeberseitigen Einlassungen aber über reine Sprechverpflichtungen ohne echten Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nicht hinaus. Praktisch wurden die Warnungen von Betriebsräten über die mangelnde Zukunftsfestigkeit durch das Management allzu oft in den Wind geschlagen.
Das macht einmal mehr die Bedeutung der »Initiative Mitbestimmung« zur Durchsetzung von alternativen Geschäftsmodellen zur nachhaltigen Sicherung von Beschäftigung deutlich. Praktisch ist diese allerdings noch weit entfernt von einer Realisierung in Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung. Der Politik konnte die IG Metall zumindest in einigen Fällen in erheblichem Umfang Mittel zur staatlichen Unterstützung der Finanzierung der enormen Investitionen im Zusammenhang mit der Transformation abringen, ohne die wesentliche Industrien abgewandert wären. Zusätzlich wurden Transformationsnetzwerke aufgebaut, in denen Analysen, Ideen und Maßnahmen zur Bewältigung der Transformation zwischen Gewerkschaften, Unternehmen, Kammern und Verbänden, der Wissenschaft und der Politik zur Verhandlung stehen. In jüngster Zeit hat sich die IG Metall mit einem 11-Punkte-Programm vorgenommen, die Themen »Industriepolitik – Sozialpolitik – Demokratie« als Anforderungen an die Politik weiter voranzubringen.
Im kurz- und mittelfristigen Zeithorizont zeichnete die Betriebsrätebefragung zur Einschätzung der wirtschaftlichen Lage im Sommer 2024 noch ein relativ positives Bild. Etliche Unternehmen waren gut oder sehr gut ausgelastet und machten zum Teil hohe Gewinne.
Kerstin D. Klein ist 1. Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen, Matthias Ebenau ist 1. Bevollmächtigter der IG Metall Hanau Fulda, Michael Erhardt ist 1. Bevollmächtigter der IG Metall Frankfurt.