25. Mai 2022 Harald Wolf: Wie die Krise der Partei DIE LINKE überwunden werden könnte

Linke Industriepolitik, Stärkung des Öffentlichen und neue Friedenslösungen

DIE LINKE befindet sich unbestreitbar in ihrer schwersten Krise seit Gründung der Partei. Immer weniger Wähler*innen billigen ihr einen »Gebrauchswert« zu, viele sehen keinen Sinn mehr in einer Stimmabgabe für DIE LINKE.

Ein weit hinter den Erwartungen liegendes Wahlergebnis bei den Europawahlen, drastische Stimmenverluste bei Landtagswahlen im Osten Deutschlands, lediglich 4,9% bei den Bundestagswahlen und schließlich Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auf dem Niveau von Kleinstparteien – all dies zeugt von einem dramatischen Vertrauensverlust und einer existenziellen Krise der Partei. Auf der anderen Seite jedoch stehen Umfragen, wonach mehr als 8% der Wähler*innen sich traditionell der LINKEN verbunden fühlen.

Das Potenzial der Wähler*innen, die sich grundsätzlich eine Wahl der LINKEN vorstellen können, liegt nach einer neuesten Umfrage noch immer bei 18%. Zwischen dem real existierenden Zustand der Partei und ihren potenziellen Möglichkeiten klafft also eine immer größer werdende Lücke. Diese zeigt einerseits die Tiefe der Krise – sie zeigt aber auch, dass es ein unausgeschöpftes Potenzial für linke Politik gibt, und dass damit die Chance besteht, die gegenwärtige Krise zu überwinden.

Erfolgreich war DIE LINKE, solange sie die Wünsche und Interessen eines relevanten Teils der Gesellschaft artikulierte und von diesem getragen wurde. Als einzige Partei stellte sie sich gegen die Agenda 2010. Sie füllte damit eine Repräsentationslücke im politischen System, als SPD und Grüne mit ihrer neoliberalen Wende im Verein mit CDU und FDP den größten Angriff auf den Sozialstaat seit Bestehen der Bundesrepublik unternahmen. Mit ihrer Ablehnung der Interventionskriege in Jugoslawien, Afghanistan und dem Irak konnte sie an die verbreitete Stimmung in der Bevölkerung anknüpfen, wonach Deutschland nie wieder an einem Krieg beteiligt sein sollte. Nein zur Demontage des Sozialstaates durch die Hartz-Gesetze und Nein zu den Interventionskriegen – das war der Gründungskonsens der LINKEN, der sie von allen anderen Parteien unterschied.

Diese Oppositions- und Protesthaltung stand zudem im Einklang mit der Haltung vieler Ostdeutscher angesichts der uneingelösten Versprechen im Rahmen des deutschen Vereinigungsprozesses und den damit verbundenen Diskriminierungserfahrungen. Die Positionierung der LINKEN als antineoliberale Sammlungsbewegung und Anti-Kriegspartei traf damals auf ein gesellschaftliches Bedürfnis und verlieh der Partei bei aller internen Pluralität ein kohärentes politisches Profil. Im Ergebnis war DIE LINKE damit nicht nur bei Bundestagswahlen und in Ostdeutschland erfolgreich, sondern auch bei Landtagswahlen in westdeutschen Flächenländern wie dem Saarland, Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.


Veränderte politische Landschaft wurde nicht verarbeitet

Seitdem jedoch hat sich die gesellschaftliche Lage und die politische Landschaft gravierend verändert, neue Konfliktlinien und Auseinandersetzungen bestimmten und bestimmen die politische Agenda.


Harald Wolf
ist Bundesschatzmeister der Partei DIE LINKE. Zuletzt schrieb er in Heft 12-2021 von Sozialismus.de »Strategische Neuorientierung und ein neuer Grundkonsens. Die Pro­bleme der LINKEN sind struktureller Natur«.

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