23. August 2018 Otto König/Richard Detje: »Aggressive Investoren« treiben Zerschlagung des letzten großen Industriekonzerns im Ruhrgebiet voran

Machtkampf bei Thyssen-Krupp

An Rhein und Ruhr herrscht erneut Krisenstimmung. Thyssen-Krupp, das Unternehmen, das wie kein anderes für die wechselvolle Industriegeschichte des Ruhrgebiets steht und mit dem Rückzug aus dem Stahlgeschäft gerade eine der tiefgreifendsten Veränderungen in seiner 200-jährigen Firmengeschichte beschlossen hat, steht vor der Zerreißprobe.

Es geht um die Existenz eines Unternehmens, das in 79 Ländern an über 2.000 Standorten aktiv ist und im Geschäftsjahr 2016/2017 einen Umsatz von ca. 43 Milliarden Euro mit rund 160.000 Beschäftigten erzielt hat. Im Konzern wächst die Angst vor einer Zerschlagung. In Nordrhein-Westfalen geht es um fast 40.000 Konzernarbeitsplätze plus einem Netz von Zulieferern, die Existenzprobleme bekommen, wenn Thyssen-Krupp nicht mehr nur wankt, sondern fällt.

Seit mindestens sieben Jahren wird über die strategische Ausrichtung des Unternehmens gestritten. Durch Missmanagement und Fehlinvestitionen beim Bau eines Stahlwerks in Brasilien und eines Walzwerks in Calvert in der »gewerkschaftsfreien Zone« im US-Bundesstaat Alabama wurden rund zwölf Milliarden Euro in den Sand gesetzt.[1] Der Konzern geriet an den Rand des Ruins. Daraufhin hatte der frühere Siemens-Manager Heinrich Hiesinger, der 2011 den Vorstandsvorsitz übernahm, die Umwandlung des Stahlproduzenten zum Technologiekonzern voran­getrieben. Unternehmenssparten wie Edelstahl und die Stahlwerke in Übersee wurden verkauft sowie massiv Arbeitsplatzabbau betrieben.

Die aktivistischen Aktionäre

Im Streit um die künftige Unternehmensstrategie beharken sich nun seit Monaten die verschiedenen Machtzentren des Konzerns: Während der Vorstand, der Aufsichtsratsvorsitzende und die Arbeitnehmervertreter*innen im Aufsichtsrat den Industrie- und Dienstleistungskonzern mit den fünf »Business Areas« – Components Technology (Automotives), Elevator Technologie (Aufzüge), Industrial Solutions (Industrieanlagenbau und Schiffbau), Material Services (Stahlhandel) und Steel Europe aufrechterhalten wollen, fordern Anteilseigner wie die Hedgefonds aus Schweden und Amerika, Cevian und Elliott, eine aggressive Restrukturierung des Unternehmens.

Cevian Capital, mit knapp 18% zweitgrößter Aktionär nach der Krupp-Stiftung, und Paul Singers US-Hedgefonds Elliott Management, der fast drei Prozent der Anteile hält, betreiben offensiv die Zerschlagung des Konzerns und dessen personelle Neubesetzung.[2] So hatte Cevian-Gründer Lars Förberg bereits im Dezember vergangenen Jahres einen Generalangriff gestartet und eine Aufspaltung des Unternehmens gefordert.

Otto König ist Mitherausgeber, Richard Detje Redakteur von Sozialismus.

[1] Vgl. Otto König/Richard Detje: Missmanagement und Milliardenverluste. Thyssen-Krupp und die Europa AG, Zeitschrift Sozialismus 1/2013.
[2] Der schwedische Finanzinvestor Cevian verwaltet für internationale Anleger derzeit ein Vermögen von rund 13 Milliarden Euro. Der Hedge-Fonds Elliott Management verwaltet die Summe von 34 Milliarden US-Dollar. Die »aggressiven Investoren« haben 2017 bei weltweit 193 Kampagnen 62 Milliarden US-Dollar investiert, mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Nachdem der US-Markt weitestgehend abgegrast ist, tauchen Aktivisten wie Elliot verstärkt in Europa auf, wo dieser inzwischen mehr als zehn Milliarden US-Dollar angelegt hat. Vgl. Handelsblatt v. 22.06.2018.

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