27. Juni 2013 Uli Cremer: Die westliche Syrienpolitik

Militärintervention ante portas

Die Nachrichten aus Syrien werden nicht besser: 100.000 Opfer hat der Krieg schon gefordert, Millionen sind auf der Flucht. Gleichzeitig werden die Rufe nach Waffenlieferungen an die Rebellen und nach einer westlichen Militärintervention immer lauter.

Als Scharfmacher profiliert sich schon länger der Afrika-Redakteur und Auslandschef der taz Dominic Johnson. Bereits am 16.10.2012 war seine Position klipp und klar: »Nur durch eine militärische Intervention ist das Morden überhaupt noch zumindest punktuell einzudämmen und ein Stück Hoffnung am Leben zu erhalten.« Den NATO-Ländern rief er zu: »Ein Eingreifen hinauszuzögern oder gar ganz zu verhindern bedeutet, wissentlich den Tod weiterer zehntausender Syrer in Kauf zu nehmen...« Das wäre zu tun: »Was Intervention konkret heißen müsste, daran hat sich in den letzten Monaten nichts geändert: das gezielte Ausschalten der wichtigsten Luftwaffenstützpunkte und Raketenstellungen des Regimes, die Entsendung von Schutztruppen für die befreiten Gebiete, die Sicherung humanitärer Hilfe für die Kriegsopfer.« In der Ausgabe vom 19.6.13 legte er nach: »Die einzige richtige Reaktion ist ein Eingreifen von der Art, das Regime möglichst schnell kampfunfähig zu machen... Nur ein Regimewechsel in Damaskus ist eine angemessene Antwort auf die Frage, die der Einsatz chemischer Kampfstoffe stellt.«


Die »Entdeckung« der C-Waffeneinsätze

Dass das Assad-Regime den chemischen Kampfstoff Sarin eingesetzt habe, behaupten seit einigen Wochen auch die NATO-Regierungen aus Ankara, London, Paris und Washington. Entsprechende Vorwürfe kursieren seit Monaten, wobei die syrischen Bürgerkriegsparteien sich gegenseitig beschuldigen. So rief die Assad-Regierung im März 2013 den UN-Sicherheitsrat wegen eines Vorfalls in der Nähe von Aleppo an, um dann aber später eine UN-Untersuchungskommission nicht ins Land zu lassen. Schließlich wollte Assad das syrische C-Waffenarsenal nicht offenlegen: »Wir haben weder erklärt, das wir chemische Waffen besitzen, noch, dass wir sie nicht besitzen... Sie wollten, dass die Kommission Zugang zu allen Plätzen bekommt und die gleiche Arbeit verrichtet, die einst die Waffeninspekteure im Irak getan haben. Dabei haben sie sich in Angelegenheiten eingemischt, die nicht unter ihre Befugnisse fallen. Wir sind ein Staat, wir haben unsere Armee, wir haben unsere Geheimnisse. Wir werden niemandem erlauben, sich Einblick in sie zu verschaffen, nicht den UN, nicht Frankreich, nicht Großbritannien, nicht anderen.«[1] Fakt ist, dass der »Opposition ... in der Nähe von Aleppo eine Chlorgasfabrik in die Hände gefallen« ist. »Aber ob sie daraus funktionsfähige Waffen herstellen kann, ist unklar.«[2]

Niemand Geringeres als die Schweizerin Carla del Ponte (ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und seit 2011 Mitglied der UN-Sonderkommission für die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in Syrien) erhob den gleichen Vorwurf gegen die Rebellen in einem Interview mit Radiotelevisione Svizzera: »Ausgehend von den Angaben, die die Kommissionsmitglieder nach ihren Besuchen in an Syrien angrenzenden Ländern bekommen haben, könne man den Schluss ziehen, dass ›die Opposition und nicht die Regierung‹ C-Waffen, speziell Sarin, eingesetzt hätten. Entsprechende Zeugenaussagen haben die Mitglieder der Kommission von ›Ärzten, Betroffenen und Mitarbeitern von Feldspitälern‹ bekommen.«[3] Natürlich ließen Dementis von allen Seiten nicht lange auf sich warten, aber entscheidend ist, dass die UN-Untersuchungskommission Anfang Juni zu dem Schluss kam: »›Es war auf der Basis des vorliegenden Beweismaterials nicht möglich, die konkrete chemische Substanz, das Abschuss-System oder Täter festzustellen.‹ Weitere Ermittlungen seien erforderlich.«[4] Berichtet wurde von vier Verdachtsfällen.

Zehn Tage später kam die US-Regierung zum entgegengesetzten Schluss: Man habe eindeutige Beweise. Von »bis zu 150 Todesopfern« war die Rede, die Einsätze seien »im vergangenen Jahr«, also 2012 (!) erfolgt.[5] Die von Barack Obama im Jahr 2012 erfundene »rote Linie« war mithin überschritten. Die britische und die französische Regierung hielten das Assad-Regime bereits einige Tage vorher in einigen Fällen für überführt. Sie stützen sich auf Proben, die der Le Monde-Journalist Rémy im Mai 2013 aus Syrien nach Paris transportiert hatte und die vom französischen Geheimdienst untersucht wurden. Dabei geht es um einen Giftgasangriff aus dem April 2013. Rémy war zwei Monate auf Seiten der Aufständischen in Syrien unterwegs und erlebte den Angriff mit. Es soll sich um einen Cocktail aus Tränengas mit C-Waffen-Substanzen gehandelt haben.[6] Insofern reden Washington und Paris von verschiedenen Zeiträumen, Einsätzen und Beweisstücken. Auch die britische Regierung hat Proben erhalten und untersucht. Jedoch: »Keine Informationen gab es darüber, wo, wann und von wem die Proben entnommen wurden.«[7]

Ein weiterer Giftgasexperte ist der türkische Ministerpräsident Erdoğan. Er behauptete bereits am 10.5.2013, seine Geheimdienste »verfügten über Erkenntnisse, wonach das Assad-Regime etwa 200 Raketen mit Giftgas eingesetzt habe.«[8] Daraus müssten nach menschlichem Ermessen weit mehr als »bis zu 150 Opfer« resultiert sein.

Die C-Waffen-Geschichten der verschiedenen NATO-Regierungen sind also nicht einmal synchronisiert. Gerichtsfeste Beweise sind weder der Öffentlichkeit, noch dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt worden. Deswegen fühlt sich die russische Regierung an die Präsentation von US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat 2003 erinnert. Damals hatte die US-Regierung »Beweise« für irakische Massenvernichtungswaffen vorgelegt und wenige Wochen später ihren Angriffskrieg gegen den Irak begonnen. Das Assad-Regime selbst streitet den Einsatz von C-Waffen vehement ab: »Es ist unlogisch, Chemiewaffen einzusetzen, um eine Zahl von Menschen zu töten, die durch Einsatz konventioneller Waffen erreicht werden kann.«[9]

Entscheidende Fragen werden vielfach nicht gestellt und sind offensichtlich ungeklärt. Erstens: Um welche Vorfälle geht es überhaupt? Wo? Wann? Wie viele Opfer? Welche Beweisstücke können Paris, London und Washington vorlegen, um den Einsatz von C-Waffen zu beweisen? Zweitens: Wer waren die Täter? Welche Beweise haben die drei Regierungen dafür, dass das Assad-Regime Täter war und die C-Waffen eingesetzt hat? Drittens: Wenn das Assad-Regime verantwortlich ist: Von wem sind die Befehle erteilt worden? Von Assad selbst? Sind untergeordnete Ebenen aus dem Ruder gelaufen und haben ohne Befehl von oben gehandelt? Oder haben sie C-Waffen abgeschossen, um anschließend zu den Aufständischen überzulaufen? Viertens: Welches Motiv haben die Täter?

Manche technisch-operative Frage mag vielleicht aktuell nicht abschließend zu beantworten sein. Aber welches Motiv sollte das Assad-Regime für den Einsatz von C-Waffen haben? Im Sommer 2012 drohen Paris und Washington mit einer Militärintervention, sofern bzw. sobald C-Waffen eingesetzt würden. Daraufhin setzt das Assad-Regime dann C-Waffen ein, um beide Regierungen zur Militärintervention einzuladen? Demnach wäre Assad ein politischer Selbstmörder oder »ein Irrer«, dem man eben alles zutrauen darf. Das ist eine wenig überzeugende Theorie.

Ein Motiv für einen C-Waffen-Einsatz hätten nur die Assad-Gegner, die Aufständischen und ihre internationalen Unterstützer. Sie versuchen seit zwei Jahren, nach Vorbild des Libyen-Krieges 2011 oder auch des Kosovo-Krieges 1999 NATO-Luftwaffenunterstützung für die Aufständischen zu erreichen. Ihre PR-Kampagnen müssen das Assad-Regime maximal verbrecherisch erscheinen lassen. Bewährt haben sich in diesem Zusammenhang instrumentalisierte oder konstruierte Massaker an der Zivilbevölkerung: Für die Rechtfertigung des Kosovo-Kriegs wurde im Januar 1999 das »Racak-Massaker« inszeniert.[10] Die Verantwortung für das im Mai 2012 begangene Massaker im syrischen Hula konnte zwar dem Regime nicht nachgewiesen werden, zumal AnhängerInnen des Assad-Regimes massakriert wurden.[11] Dennoch war der Vorfall Anlass für die westlichen Staaten, die diplomatischen Beziehungen zu Damaskus abzubrechen. Ein fingierter C-Waffen-Einsatz, der dem Assad-Regime angelastet werden könnte, wäre geeignet, der gewünschten NATO-Luftwaffenunterstützung sowie der offiziellen Lieferung moderner Luftabwehrwaffen an die Aufständischen näherzukommen. Aber hier gilt umgekehrt, dass das zweifellos vorhandene Motiv nicht automatisch den Beweis bedeutet, dass es sich so zugetragen hat.

Immerhin hat sich die deutsche Bundesregierung bisher nicht über die rote Linie ziehen lassen. Außenminister Guido Westerwelle nimmt die »Hinweise auf den Einsatz chemischer Substanzen in Syrien ... sehr ernst« und will »den Informationsaustausch über die Faktenlage intensiv fortsetzen«. Er erklärte: »Wir drängen auf eine Beratung über die neu vorgetragenen Berichte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, mit dem Ziel, dass es zu einer gemeinsamen Position des Sicherheitsrates kommt.«[12] Darin steckt der dezente Hinweis, dass aus deutscher Sicht ohne UN-Beschluss die rote Linie nicht für überschritten erklärt werden kann. Angesichts der fehlenden Belege dürfte die russische Regierung sich kaum der Position der westlichen Veto-Mächte anschließen. Der Sicherheitsrat bliebe also nach westlicher Lesart »blockiert«.


Rebellen militärisch in der Defensive

Zeitlich parallel zur »Entdeckung« der C-Waffeneinsätze hat sich die Lage auf dem syrischen Schlachtfeld verändert: Die Aufständischen haben die Kontrolle über einige Gebiete eingebüßt. Insbesondere ist der Verkehrsknotenpunkt al Quasair vom Assad-Regime zurückerobert worden. Die Ursache wird im Eingreifen libanesischer Hisbollah-Verbände gesehen. Die »Süddeutsche Zeitung« schätzt ihre Zahl auf 2.000.[13]

Die Beteiligung ausländischer Kämpfer auf Rebellenseite hat demgegenüber andere Größenordnungen. UN-Vermittler Lakhdar Brahimi bezifferte die Zahl der ausländischen Kämpfer auf Seiten der Aufständischen am 23.4.2013 auf 30.000 bis 40.000.[14]

Die Unterstützung des Westens für die Rebellen bestand bisher darin, das Assad-Regime international zu isolieren, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen, umfassende Wirtschaftssanktionen zu verhängen, die Aufständischen mit geheimdienstlichen Informationen und Waffen zu versorgen, sie auszubilden, eine Gegenregierung aufzubauen und in vielem mehr. Zur Koordinierung der internationalen Einmischung wurden im Februar 2012 auf Initiative Frankreichs die »Freunde Syriens« gegründet. Die Leitungsgruppe der 60 Staaten besteht aus den USA, Britannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Ägypten, der Türkei, Saudi-Arabien, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emirate und Katar.

Während die russischen Waffenlieferungen an das Assad-Regime permanent thematisiert werden, sind die illegalen westlichen Waffenlieferungen an die Rebellen der breiten Öffentlichkeit unbekannt, weil sich vieles eher im Verborgenen abspielt. Dennoch weiß, wer es wissen will, darüber Bescheid, z.B. wenn er am 25.3.2013 die FAZ las: Mitarbeiter der CIA versorgen »ausgewählte syrische Rebellengruppen mit Lagebildern und über mögliche Ziele von Angriffen. Außerdem bilden sie Aufständische in Lagern in Jordanien aus, etwa im Umgang mit Boden-Luft-Raketen zum Einsatz gegen Assads Luftwaffe... Schließlich unterstützt die CIA verbündete Staaten der Region wie die Türkei, Saudi-Arabien und Qatar bei der Beschaffung von Waffen für die Rebellen sowie bei deren Lieferung über den Landweg von der Türkei in die befreiten Gebiete im Norden Syriens. Seit November ist es zu einer deutlichen Zunahme der Frachtflüge mit Waffen – etwa aus Kroatien – zu einem Flughafen nahe Ankara gekommen, von wo die Ladung unter Aufsicht der türkischen Behörden mit Lastwagen weiter transportiert wird. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri schätzt, dass in den vergangenen Wochen mindestens 3.500 Tonnen Waffen, Munition und Ausrüstung an ausgewählte syrische Rebellengruppen geliefert wurden.«[15]

Bisher ist Qatar der größte Sponsor der Rebellen: Laut Financial Times vom 17.5.2013 hat das Land »seit 2011 an die Rebellen in Syrien geschätzte drei Milliarden Dollar... bezahlt«.[16] In Jordanien sind seit Mai 2012 1.000 US-Militärausbilder tätig, um syrische Aufständische zu trainieren. Im Juni 2013 – nach »Entdeckung« der C-Waffen-Einsätze – wurde die Zahl nach Angaben der tagesschau auf 2.000 verdoppelt. Ziel der Maßnahme soll sein, dass die Rebellen »aus eigener Kraft eine Flugverbotszone und so genannte sichere Pufferzonen entlang der jordanisch-syrischen Grenze verteidigen können.«[17]

Trotzdem sind die Rebellen in den letzten Monaten in die Defensive geraten. Deswegen sollen die Waffenlieferungen nun kräftig ausgeweitet werden. Das haben die »Freunde Syriens« am 22.6.2013 in Qatar zum Ausdruck gebracht: »Den Rebellen solle »dringend alles notwendige Material und Ausrüstung geliefert werden«, beschloss die Gruppe«. Die Einzelheiten finden sich offenbar in »geheimen Beschlüssen«, deren Existenz der qatarische Regierungschef immerhin ausplauderte.[18]

Allerdings waren und sind westliche Waffenlieferungen umstritten. Der republikanische Senator Rand Paul griff seine Kollegen aus dem Auswärtigen Ausschuss des US-Senats nach einem entsprechenden Beschluss an: »Sie finanzieren heute die Verbündeten von Al-Kaida. Das ist eine Ironie, die sie nicht ignorieren können.«[19] Ähnlich der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet: »Geradezu bizarr ist eine europäische Außenpolitik, die die Rebellen in Syrien als ›Freiheitskämpfer‹ glorifiziert und die gleichen Kämpfer mit den gleichen Methoden und Zielen ... in Mali als Terroristen bekämpft«.[20] Paul und Laschet weisen auf das schon länger real existierende Dilemma des Westens hin: Zwar erhalten die säkularen Brigaden der Rebellen die Waffen in erster Instanz, aber diese geben die Waffen natürlich auch an ihre islamistischen Verbündeten weiter. Und am Ende könnten die Waffen direkt gegen westliche Truppen eingesetzt werden.


Rebellen verlieren politisch Terrain

Das eigentliche Problem scheint zu sein, dass die Rebellen ihren Rückhalt in der Bevölkerung verlieren. Laut einer NATO-eigenen Umfrage wird das Assad-Regime von 70% der Bevölkerung unterstützt! »›Die Leute sind den Krieg leid und hassen die Jihadisten mehr als Assad. Assad gewinnt den Krieg vor allem deshalb, weil die Menschen mit ihm gegen die Rebellen kooperieren‹, wird eine westliche Quelle zitiert, die mit den Umfrageergebnissen vertraut sei.«[21] Bei den Rebellen sind die islamistischen Gruppen offenbar inzwischen die stärkste Fraktion: »Sechzehn Monate nach ihrer Gründung im Januar 2012 hat sich die sunnitische Al-Nusra-Front zur stärksten von Hunderten Kriegsparteien entwickelt.«[22]

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer, kommt zu dem Befund: »Ich habe Al Qaida in Afghanistan, Pakistan und im Irak erlebt. Gegenüber Al Nusra waren das Zwergenorganisationen. Zum Riesen wurde Al Qaida in Syrien. Mit jedem Kriegstag wird Al Qaida mächtiger, attraktiver, ja sogar respektierter. Die Sender Al Dschazira und Al Arabija berichten täglich von ihren ›Heldentaten‹.«[23]

Vor diesem Hintergrund erscheint die westliche Syrienpolitik von allen guten Geistern verlassen. Wenn die erwähnte NATO-Umfrage einigermaßen den Realitäten entspricht, führen Rebellen einen Krieg gegen die Mehrheit des syrischen Volkes. Und der Westen unterstützt sie dabei.


Keine Alternative zu Genfer Friedensverhandlungen

Die Spur Hoffnung, dass die USA mit ihrem neuen Außenminister John Kerry und Russland die beiden Konfliktparteien im Rahmen einer Genfer Friedenskonferenz zu einer Verhandlungslösung bringen könnten, hat sich inzwischen verflüchtigt. Nicht mal ein Termin ist in Sicht.

Andererseits gibt es keine sinnvolle Alternative zur Bildung einer Übergangsregierung, in der beide Konfliktparteien vertreten sind. Die Aufgabe der ausländischen Mächte besteht darin, ihre jeweilige Klientel an den Verhandlungstisch zu holen. Russland ist dabei für das Assad-Regime und seine Verbündeten Hisbollah und Iran zuständig und war dabei zunächst erfolgreich. Denn am 25.2.2013 erklärte sich der syrische Außenminister das erste Mal bereit, auch mit bewaffneten Oppositionellen zu verhandeln.[24] Am 18.6.2013 vertrat Assad wieder eine veränderte Position. Gefragt: »Mit wem sind Sie bereit, sich an einen Tisch zu setzen?«, antwortet er: »Mit jeder Opposition, die keine Waffen trägt, nicht den Terrorismus unterstützt und ein politisches Programm hat.«[25]

Ähnlich starrköpfig zeigt sich die Rebellenseite. Schon länger wurde von den Rebellenorganisationen der Rücktritt Assads zur Vorbedingung gemacht. Nun ist der »Rückzug der libanesischen Hisbollah aus Syrien« hinzugekommen. »Auch irakische und iranische Kämpfer sollten aus Syrien abziehen«.[26] Gleichzeitig würden die bis zu 30.000 bis 40.000 ausländischen Kämpfer auf Rebellenseite im Land bleiben?

Der Chef der Freien Syrischen Armee, Idris, schrieb in einem Brief an Kerry: »Für substanzielle Verhandlungen brauchen wir eine ausgeglichene, militärische Lage«.[27] Also sagten die »Freunde Syriens« am 22.6.2013 neue Waffenlieferungen zu und Kerry betonte auf dem Treffen, »dass nur durch Bewaffnung der Gegner von ... Assad ein Gleichgewicht der Kräfte herzustellen sei.«[28] Insofern haben sich die »Freunde Syriens« alle Forderungen der Rebellen zu eigen gemacht.

Die eigentliche Herausforderung für den Westen als Schutzpatron der Assad-Gegner besteht darin, die Repräsentanz der relevanten militärischen Kräfte in Syrien selbst sicherzustellen. Denn wie könnte ein Waffenstillstand ohne die islamistischen Gruppierungen, nicht zuletzt die Al-Nusra, funktionieren? Auf ein entsprechendes westliches Konzept, wie man seine ungeliebten Bündnispartner einzubinden gedenkt, wäre man gespannt. Ein Ende des Blutvergießens ist also weiterhin nicht in Sicht, da die lokalen Akteure, angestachelt durch ihre internationalen Unterstützer, keinerlei Bereitschaft zeigen, den Krieg ohne eigenen Sieg zu beenden.

Uli Cremer ist einer der Initiatoren der »Grünen Friedensinitiative« und ist Autor des Buches »Neue NATO – die ersten Kriege« (VSA: Verlag Hamburg 2009). Zuletzt schrieb er in Heft 6-2013 von Sozialismus zu »Afghanistankrieg 2013 – kein Ende in Sicht«.

[1] FAZ-Interview mit Assad, 18.6.2013
[2] www.spiegel.de/politik/ausland/le-monde-reporter-erleben-angriff-mit-chemiewaffen-in-syrien-a-902038.html
[3] RIA Novosti 6.5.2013; vergl. auch: www.spiegel.de/politik/ausland/del-ponte-gibt-zu-syriens-chemiewaffen-fragwuerdige-einschaetzung-ab-a-898337.html
[4] www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-uno-ermittler-beklagen-einsatz-von-chemiewaffen-a-903660.html
[5] www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-usa-bestaetigen-erstmals-chemiewaffen-einsatz-a-905654.html
[6] www.spiegel.de/politik/ausland/le-monde-reporter-erleben-angriff-mit-chemiewaffen-in-syrien-a-902038.html
[7] »Assads Armee und Hizbullah erobern al Qusair«, FAZ 6.6.2013
[8] »Erdogan: Rote Linie längst überschritten«, FAZ 11.5.2013
[9] FAZ-Interview mit Assad, 18.6.2013
[10] Vgl. Cremer, Uli, Neue NATO: die ersten Kriege, Hamburg 2009, VSA: Verlag, S. 62f.
[11] Hermann, Rainer, »UN-Bericht bringt keine Gewissheit«, FAZ 20.8.2012; vergl. auch: Cremer, Uli, »Syrischer Nelson Mandela noch nicht gefunden«, 19.9.2012, www.gruene-friedensinitiative.de/texte/120919_syrien.pdf
[12] Westerwelle im Bundestag 14.6.2013
[13] SZ 26.5.2013, »Blaupause Libanon«
[14] http://un-report.blogspot.de/2013/04/brahimi-in-closed-meeting-l-apologize.html
[15] Rüb, Matthias: »Für tödliche Missionen: CIA«, FAZ 25.3.2013
[16] zitiert nach: www.heise.de/tp/blogs/8/154291
[17] »CIA trainiert offenbar syrische Rebellen«, www.tagesschau.de/ausland/syrien2894.html
[18] www.tagesschau.de/ausland/syrien2890.html
[19] Wagner, Jürgen, IMI-Standpunkt 2013/027 (Update: 19.6.2013), www.imi-online.de/2013/06/14/keine-schlechte-sache-abnutzungsburgerkrieg-statt-intervention-die-us-syrien-strategie/
[20] Laschet, Armin: Winter statt Frühling für Syriens Christen, FAZ 22.3.2013
[21] Wagner, Jürgen, s.o.; die eigentliche Quelle: www.worldtribune.com/2013/05/31/nato-data-assad-winning-the-war-for-syrians-hearts-and-minds/ – gefunden 22.6.2013
[22] Bickel, Markus: Im Reich der Milizen, FAZ 28.5.2013
[23] Todenhöfer, Jürgen: Es gibt keine gemäßigten Rebellen mehr, in: FAZ 3.5.2013
[24] Syria says ready for talks with armed opposition, The Daily Star, 25.2.2013 – zitiert nach: Stephan Rosiny, Power Sharing in Syria: Lessons from Lebanon’s Experience, www.giga-hamburg.de/dl/download.php?d=/content/publikationen/pdf/wp223_rosiny.pdf
[25] Assad im FAZ-Interview, 18.6.2013
[26] Assad-Gegner verbreiten Zuversicht, FAZ 24.6.2013
[27] www.welt.de/politik/ausland/article 116467107/Der-Iran-uebernimmt-in-Syrien-das-Kommando.html
[28] Assad-Gegner verbreiten Zuversicht, FAZ 24.6.2013

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