25. September 2019 Redaktion Sozialismus

Nachhaltigkeitsrevolution und Green New Deal

Die Weltwirtschaft leidet seit Jahrzehnten an einer gravierenden Funktionsstörung: der Verflüchtigung des Zinses. Diese Systemstörung hat jetzt eine weitere Dimension erhalten. Die kapitalistische Produktionsweise stößt mehr und mehr an planetare Schranken. Der Klimawandel ist jedoch eine langfristige Ursache-Wirkung-Beziehung.

Klimaschutz sorgt nur zum geringsten Teil unmittelbar für eine Verbesserung der Situation. Ein unterlassener Klimaschutz hat häufig keine unmittelbar störenden Auswirkungen. Diese werden erst zeitverzögert offenkundig. Dadurch wird politisches Handeln erschwert. Aktuell sind daher einschneidende Maßnahmen unverzichtbar.

Die Bewegung »Fridays for Future« ist angesichts der Turbulenzen beim Klima zu einem Verstärker für die Kritik seitens der Naturwissenschaften geworden. »Ich will, dass ihr euch hinter den Bericht zur globalen Erwärmung des Weltklimarates stellt.« (Greta Thunberg) Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen hat in den letzten Monaten den Klimawandel auf die vorderen Plätze der politischen Agenda gerückt.

Aber nicht nur der Klimawandel bedrückt die Bürger*innen der Berliner Republik. Die sozialen Dienstleistungen (Bildung, Gesundheit, Pflege), humanes, bezahlbares Wohnen und die öffentliche Infrastruktur entsprechen nicht mehr den Mindeststandards sowie den Ansprüchen der Mehrheit der Bevölkerung. Letztlich sind diese Defizite das Resultat der Konzeptionen eines Neoliberalismus light (Dritter Weg), die kapitalistische Ökonomie und soziale Demokratie versöhnen zu wollen. Dazu gehörten Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung der Märkte und ein massiver Rückbau des öffentlichen Sektors und der öffentlichen »Infrastruktur«. Die Folgen: wachsende Empörung auf der einen Seite, aber auch Ausbildung von Ressentiments durch die Rechte auf der anderen Seite. Die Erosion der demokratischen Willensbildung und populistische Rückbesinnung auf völkisch-nationalistische Illusionen haben die liberalen Demokratien an den Rand der Handlungsunfähigkeit getrieben.

Die globale Ausweitung von Migration und Flucht, der dramatische Anstieg der Mieten und die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums führen zur Auflösung der Parteiensysteme und zur Erosion der demokratischen Institutionen. Unzufriedenheit und Zukunftsängste dominieren den gesellschaftlichen Diskurs. Die sozial-ökologische Ungleichheit setzt sich in politische Spaltungsprozesse um. Aus Kontrollverlusten in der nationalstaatlichen Politik entstehen Desintegrationserfahrungen bzw. Ängste, verbunden mit dem Gefühl des Kontrollverlustes über das eigene Leben. Unsicherheiten, Ängste, Ausgrenzung und real erfahrene Armut sind der Nährboden für die wachsende Handlungsunfähigkeit und die Ausbreitung autoritärer Regime in Europa.[1]

Das Zusammenfallen einer grundlegenden Funktionsstörung der kapitalistischen Produktionsweise mit der sich abzeichnenden Disruption bei den gesellschaftlichen Produktivkräften (Fossile Energie, Digitalisierung) sowie der Zerstörung des Stoffwechsels zwischen Natur und kapitalistischen Gesellschaften führt zur populären Forderung nach einem Systemwechsel. In Erinnerung an den New Deal in der ersten Großen Weltwirtschaftskrise und dem systematischen Rückbau des globalen Finanzsektors in der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise des 21. Jahrhunderts entstehen Forderungen nach einem Green New Deal.[2]

[1] Vgl. dazu: Joachim Bischoff/Bernhard Müller: Aufstieg der »modernen Rechten«, in Sozialismus.de, Heft 6/2019.
[2] Siehe hierzu Redaktion Sozialismus: Green New Deal und system change, in: Sozialismus.de, Heft 9/2019.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

Zurück