28. September 2023 Bernhard Sander: Zum Vorwahlkampf in den Niederlanden

Personalrochaden oder eine neue linke Geschichte?

Der Aufstieg des Neoliberalismus in den Niederlande hatte drei wesentliche Folgen im politischen System: Mit Pim Fortyn und danach Geert Wilders sammelten zwei charismatische Figuren ein neues rechtspopulistisches Lager und die rechtsliberale VVD organisierte über 12 Jahre unter Mark Rutte Regierungsmehrheiten.

Zugleich zerbröselte das Parteiensystem (150 Sitze in der sogenannten zweiten Kammer ohne Sperrklausel und Überhangmandate) auf aktuell dort vertretene 17 Parteien.

Das politische System ist nun einer weiteren Erschütterung ausgesetzt. Nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Mark Rutte hat eine Neuordnung der politischen Parteien begonnen: Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen die Öffnung der bisherigen rechtsliberalen Regierungspartei VVD zum Rechtspopulismus, die Neubildung einer gemeinsamen Liste aus Sozialdemokratischer PvdA und Grün-links sowie die Neugründung »Neuer Gesellschaftsvertrag« durch den ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt. Eine weitere Unbekannte für den Wahlausgang Ende November wird das Abschneiden der drei rechtspopulistischen Parteien (Partei für die Freiheit, Forum für Demokratie und BBB) sein, vor allem die Frage, ob die Bürger- und Bauern-Bewegung nach einem kometenhaften Aufstieg in den Provinzwahlen ihre Zukunft schon wieder hinter sich hat.

Das politische Personal vor allem in den Parteileitungen wird seit dem Kabinettsende ausgewechselt, aktuell kandidieren 20% der Abgeordneten nicht wieder, kleinere Parteien sind in eine Existenzkrise geraten.

Dem Rücktritt Ruttes war vorausgegangen der enorme Sieg der rechtspopulistischen Bauern- und Bürger-Bewegung bei den Provinzialwahlen im Frühjahr, die vor allem in den Zonen außerhalb der Ballungsgebiete die bis dahin vorherrschende rechtsliberale VVD und vor allem den Christdemokratischen Aufbruch CDA die Rolle des Platzhirsches abkämpfte.

Neuer linker Pragmatismus

Das Projekt eines Wahl-Zusammenschlusses von Sozialdemokraten und Grün-links (selbst ein Zusammenschluss von Grünen und Kommunisten 1990) war bereits vor dem Ende von Rutte IV angestoßen worden. Nicht weniger als 92% der GroenLinks- und 88% der PvdA-Mitglieder stimmten für den Fusionsprozess der Fraktionen mit einem gemeinsamen Spitzenkandidaten. Insgesamt gaben 64,7% der PvdA-Mitglieder und 62,5% der Grünen-Mitglieder ihre Stimme ab.

Die PvdA-Vorsitzende Attje Kuiken kommentierte, sie habe nicht mit einem solchen Erfolg gerechnet.

Bernhard Sander ist Redakteur von Sozialismus.de.

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