25. Januar 2013 Wolfgang Neef: »Großprojekte« im neoliberal radikalisierten Kapitalismus

Pleiten, Pech und Pannen

Der Kapitalismus – und gerade die neo­liberal radikalisierte Variante, die wir seit dem Untergang des »Realen Sozialismus« erleben – hat auch bei seinen Kritikern den Ruf, ein außerordentlich effektives System zu sein, insbesondere was die Entwicklung technischer Artefakte betrifft.

Er hat, insbesondere seit Beginn des 20. Jahrhunderts, in der Tat eine Vielzahl von Technologien hervorgebracht, die in den Industriegesellschaften einen fast schon religiös anmutenden Glauben an die technische Machbarkeit fast aller Zielsetzungen der »Moderne« verankert haben.

Allerdings können wir bei Marx auch nachlesen, dass die Produktionsverhältnisse im Kapitalismus ab einem bestimmten Entwicklungsstadium vom Treiber der Produktivkraft-Entwicklung zu deren Hemmschuh werden – und dass dann nur der Sozialismus/Kommunismus in der Lage sei, diese Entwicklung durch weiteren technischen »Fortschritt« bis zu ihrem geschichtlichen Höhepunkt zu bringen: an dem der Mensch »neben den Produktionsprozess tritt«[1] und damit aus dem Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit einmündet. Das kapitalistische Produktionssystem zerstört nämlich seine eigenen Voraussetzungen, weil seine einzige Zielsetzung, die (grenzenlose) Vermehrung von Geld,[2] die damit zusammenhängende bornierte Komplexitäts-Reduktion und die daraus resultierende ständige Beschleunigung der Produktionsprozesse,[3] früher oder später an soziale und stoffliche Grenzen kommt. Es ist damit, wie Harald Welzer ausführt,[4] auch »komplett unökonomisch«.

Zu technischen Großprojekten sei vorab angemerkt, dass sie fast alle die Naturzerstörung weiter vorantreiben, die der Kapitalismus zu verantworten hat. Auch dies war Marx bewusst, aber nicht in der Radikalität der Folgen des »Krieges gegen die Natur«, der seit Francis Bacon zum Programm der »Moderne« gehört. Das gilt für militärische wie zivile Großprojekte, das gilt ebenso für die Projekte, die unter dem euphemistischen Namen »Green Technology« als Patentrezepte angeboten werden: Desertec, Offshore-Windanlagen, Geo-Engineering.[5] Die technologische Leistungsfähigkeit kapitalistischer Produktionsverhältnisse beruhte bis zum Beginn der neo­liberalen Radikalisierung (Mitte der 1980er Jahre) auf einem Gleichgewicht zwischen dem Prozess der Entwicklung und Produktion technischer Artefakte und deren Logik einerseits, dem Prozess ihrer ökonomischen Verwertung und deren Logik andererseits. Ingenieure und qualifizierte Produktions-Arbeiter sorgten für das Funktionieren und die Qualität nach professionellen Grundsätzen, Betriebswirtschaft und Marketing für die Rendite. Die innerbetrieblichen Strukturen – in Deutschland einschließlich der Mitbestimmung der Arbeitnehmer – erlaubten trotz hie­rarchisch abgesicherter Dominanz der Unternehmensleitungen die Korrektur des formellen »Top-down«-Managementregimes durch meist informelle Aktivitäten der Arbeitnehmer zur Sicherung des Funktionierens und der Qualität.[6] Diese agierten hier nicht nur in ihrem sozialen Interesse, sondern auch als Akteure, die sich täglich mit den stofflichen Gegebenheiten und Grenzen und den »Tücken der Technik« auseinandersetzen mussten – Probleme, deren Lösung die Sozialwissenschaftler, besonders aber die Ökonomen unter ihnen, gern und mit einer gewissen Ignoranz bzw. Verachtung für eben dieses Stofflich-Praktische delegieren.[7]

Diese ursprüngliche, ziemlich enge Ehe zwischen Technik und Ökonomie[8] wurde inzwischen aufgelöst, der Verwertungsprozess (als »Verbetriebswirtschaftlichung«) und die Finanzwirtschaft (»Shareholder Value«) dominierten zunehmend das Geschehen in den Unternehmen.[9] »Die Geschäftsprozesse (orientieren sich) in erster Linie an den Organisations-Strategien der jeweiligen Unternehmen und nicht am Arbeitshandeln der Beschäftigten«.[10] Damit gerieten die stofflichen Tücken von ökonomisch attraktiven Strategien der Kosten-Reduzierung und Profit-Maximierung beim Management zunehmend aus dem Blick.

Empirisch kann man sagen, dass aus damit zusammenhängenden Gründen in den letzten Jahren die Zahl der technischen Debakel bei komplexen Technologien ständig zugenommen hat. Öffentlich sichtbar wurde das Problem durch das ICE-Unglück in Eschede (1989), bei dem sich herausstellte, dass Traditionen einer vorsorgenden Sicherheits-Philosophie in der Bahntechnik vernachlässigt und u.a. durch Ausdünnung von technischen Revisionen aus Kostengründen missachtet worden waren. Ähnliche Vorgänge führten Jahre später zum skandalösen Desaster bei der Berliner S-Bahn: Eine Truppe von »BWL-Schnöseln« im Vorstand hatte, den Börsengang der Bahn fest im Blick, Werkstätten stillgelegt und Revisions-Frequenzen halbiert.[11] Resultat: Der S-Bahn-Betrieb brach im Jahr 2009 faktisch zusammen. Auch andere gut funktionierende Großsysteme von hohem Gebrauchsnutzen, die Jahrzehnte lang in öffentlicher Hand und Regie waren, wurden durch den Privatisierungswahn der letzten 30 Jahre zugrunde gerichtet. Dazu zählen z.B. Krankenhäuser und Universitäten.

Besonders populär wurde der »Elchtest« der A-Klasse von Mercedes (1997), eher peinlich war die »Toll-Collect«-Pleite eines Konsortiums aus Daimler und Telekom[12] 2005 mit einem Schaden von ca. 3,5 Mrd. Euro für die Staatskasse. Die neueren Crashs – Elbphilharmonie, Stuttgart 21, BER – sind aktuell gut in der Diskussion.

Gerade wird auch über die Probleme mit dem »Dreamliner« von Boeing gesprochen, aber auch beim Airbus 380 und dem Militärtransporter A 400 M erinnert man sich an Verzögerungen von über einem Jahr wegen technischer Probleme. Siemens hat große Probleme mit dem ICE 3 und anderen großen Projekten wie Offshore-Windkraftanlegen. Der angeblich absolut sichere Atom­reaktor EPR, in Finnland (Olkiluoto) seit 2005 im Bau, sollte 2011 in Betrieb gehen und ca. 3 Mrd. Euro kosten – inzwischen glaubt man an eine Inbetriebnahme 2015, die Kosten stiegen auf – derzeit geschätzt – ca. 5,5 Mrd. Auch bei Geräten für den Konsum kommt die Industrie in Verruf: Die »Geplante Obsoleszenz«, also das beabsichtige Versagen von Geräten kurz nach Ablauf der Garantiefrist, ist seit einem knappen Jahr Thema in den Medien.[13]

Ohnehin: Macht man Bilanz für einige neuere Technologien, stellt man fest, dass die Großindustrie nicht nur wichtige Entwicklungen verschlafen, sondern zum Teil aktiv behindert hat. Das gilt für die Windkraft ebenso wie für FCKW-freie Kühlschränke, auch bei der Einführung des Katalysators. In diesen Fällen tönte es aus den Chefetagen: Technisch geht das nicht, ökonomisch auch nicht. Der »GROWIAN«, mit 90 Mio. DM (41% des gesamten Etats für Windkraft bis 1988!) vom Bund gefördert, wurde von einem Konsortium der Energieindustrie und MAN 1983 entwickelt und gebaut, 1988 wegen technischer Probleme wieder abgebaut. RWE-Vorstand Klätt damals: »Wir brauchen GROWIAN, um zu beweisen, dass es nicht geht«. Den Grund dafür sieht die Autorin einer Dissertation zur Geschichte der Windkraft, Dörte Ohlhorst,[14] in der ökonomischen Verfassung dieser Industrien und den internen Strukturen: »Top-down-Ansatz in der Projekt-Organisation, Management- und Umsetzungsfehler, Unterschätzung der Komplexität«. Den FCKW-freien Kühlschrank entwickelte die Ex-DDR-Firma FORON zusammen mit Greenpeace. Auch hier hatten Bosch, Siemens und Co. versichert: Technisch geht das nicht.

Natürlich signalisieren diese Vorgänge (noch) nicht das Ende des Kapitalismus. Sie zeigen aber, dass er in einigen Bereichen – getrieben auch durch den exponentiell[15] gesteigerten Rendite- und Beschleunigungswahn im Finanzsystem – nicht mehr in der Lage ist, eine »ordentliche« Technik zu produzieren und anzubieten. Auch einige Erscheinungsformen im Bereich des Konsums – außer der schon genannten »Geplanten Obsoleszenz«, also koordiniert[16] schlechte Produkte auf den Markt zu werfen – deuten in diese Richtung. Dazu zählt die Tendenz, die »Konsumenten« fast sämtliche Serviceleistungen selbst machen zu lassen und sie z.B. mit unsäglichen Sprach-Automaten in Callcentern auf die Palme zu bringen.

Diese Unfähigkeiten resultieren aus einer Reihe von Eigenschaften des Kapitalismus, die mit der Verschärfung der Kostenkonkurrenz zu tun haben.[17] Denn nur eine Minderheit von deutschen Unternehmen sucht (und findet) ihren Erfolg im Wettbewerb durch die Qualität ihrer Produkte und ihres Personals, durch eher autonome, partizipative und kooperative Formen der Arbeit (»High Road-Approach«). Die Mehrheit sucht ihr Heil in der Verringerung der Kosten, also Personalabbau, eher betriebswirtschaftlich und direktiv orientiertes Management, wenig »Pflege« des qualifizierten Personals (»Low Road Approach«).[18]

1. Konkurrenz

Konkurrenz, so sagt das geflügelte Wort, »belebt das Geschäft«. Bei der Technik-entwicklung war aber Konkurrenz immer schon eher hinderlich. Zwar kann der Wettbewerb um die beste Lösung Ingenieure durchaus beflügeln, sofern es tatsächlich um die beste Lösung geht – aber nicht so sehr, wenn es nur darum geht, als Erster auf dem Markt zu sein, auch um den Preis nicht zu Ende entwickelter Produkte den größten Marktanteil zu erreichen und die Rendite zu steigern. Man kann zeigen, dass in der Entwicklungs-Praxis Kooperation zu weitaus besseren Produkten führt. Die »Open-Source«-Bewegung hat das eindrucksvoll gezeigt.

Ingenieure träumten angesichts hie­rarchisch organisierter Unternehmen und betriebswirtschaftlicher Konkurrenz schon immer von »Technischer Gemeinschaftsarbeit«.[19] Sie realisierten sie unter den Bedingungen der Konkurrenz oft als »informelle Kooperation«, gespiegelt in der sozialwissenschaftlichen Theorie und Empirie von der »formellen und informellen Organisation«.[20]

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich aber das Konkurrenzprinzip in den Unternehmen von der Konkurrenz zwischen Abteilungen und Gruppen bis zum Kleinkrieg zwischen den einzelnen Arbeitnehmern, insbesondere im Ingenieurbereich, zugespitzt und so die Arbeitsatmosphäre in den Unternehmen vergiftet.

Insofern fehlt für die informelle Kooperation oft das Vertrauen in die Kollegen, die man fragen könnte. Auch der »Kampf um gute Projekte« spielt eine große Rolle: Ob man dort arbeiten kann, wo die Zukunft der jeweiligen Technik gesehen wird, oder ob man technologisch »abgehängt« wird. Es ist kein Zufall, dass das Thema »Mobbing« seit Jahren öffentlich diskutiert wird.[21] Konkurrenz zeigt sich aber auch in der Politik der Unternehmen, eigene Entwicklungen und Verfahren möglichst geheim zu halten und mit Patenten zu schützen. Ingenieure berichten, dass sie zunehmend »an den Patenten der Konkurrenz vorbei« entwickeln: also mit suboptimalen Lösungen arbeiten müssen. Die technische Planungs- und Entwicklungsarbeit wird deshalb nicht nur durch die betriebswirtschaftlichen Kosten-Kriterien eingeengt, sondern zunehmend auch durch juristische Fragen des »geistigen Eigentums« – wohlgemerkt nicht der Arbeitnehmer, sondern des Unternehmens.

In Großprojekten sind viele einzelne Unternehmen eingesetzt und zur Kooperation genötigt. Sie müssen deshalb darauf achten, dass die eigenen »Betriebsgeheimnisse« auch gegenüber den Kooperanden geheim bleiben. Das gilt auch gegenüber der Politik: Geheimhaltung spielt inzwischen eine so große Rolle, dass nicht einmal die gewählten Vertreter der öffentlichen Auftraggeber in alle Details Einblick erhalten. Dadurch entstehend Reibungsverluste und Schnittstellen-Probleme, die nicht mehr durch informelle Kooperation auf den unteren Ebenen ausgeglichen werden.

2. Entfremdung und Kontrollwahn

»Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser«, soll schon Lenin gesagt haben, der ein Fan von Frederick Winslow Taylor war. Taylor, der als Aufseher in einer Fabrik dafür zu sorgen hatte, dass die Arbeiter so schnell arbeiten wie irgend möglich und nicht »bummeln«, versuchte, das Problem durch die »Wissenschaftliche Betriebsführung« in den Griff zu bekommen: Die Arbeiter sollten nicht mehr, wie bisher, selbst denken und die Maschinen nach ihren Kenntnissen und Erfahrungen bedienen, sondern nach Anweisungen von »oben«, aus einem »Arbeitsbüro«.[22] Dafür sollten sie ordentlich bezahlt werden.

Das Prinzip wurde gut 100 Jahre lang in der Großindustrie angewandt: Es versucht, die Marxsche »Entfremdung« bzw. »Gleichgültigkeit« der Lohnarbeiter im Kapitalismus auszugleichen, oder, mit psychologischen Kategorien ausgedrückt, intrinsische Motivation durch extrinsische zu ersetzen: den Lohn.

Die Industriesoziologen Horst Kern und Michael Schumann hatten Mitte der 1980er Jahre angesichts neuer Management-Methoden, die auf Verantwortung und Eigeninitiative der Arbeitnehmer bis zu »Co-Management« von Betriebsräten setzten, bereits das »Ende der Arbeitsteilung« verkündet – allerdings mit einem Fragezeichen schon im Titel.[23] Die Betriebsführung setzte scheinbar wieder auf inhaltliche Motivation der Beschäftigten. Das Problem dabei: Es geht nicht um die Inhalte, den Sinn der Arbeit und ihren Gebrauchsnutzen, sondern um die Unternehmensziele, den Shareholder value,[24] und damit nur nachgeordnet um die Qualität der Arbeitsergebnisse. In einem Dokumentarfilm von Carmen Losmann (»Work hard, play hard«[25]) spricht ein Unternehmensberater davon, das Unternehmensziel »in die DNA der Beschäftigten« einzupflanzen. »Intrinsisch« verankert sollen die Ziele der Betriebswirtschaft sein.

Dass das nicht funktioniert, ist dem Management durchaus klar: Deshalb hat sich in den letzten drei Jahrzehnten Lenins Maxime immer mehr durchgesetzt. Denn: Anspruchsvolle technische Ziele sollen in immer engeren Zeit- und Kostenrahmen erbracht werden. Rückmeldungen von der »Basis«, die gesetzten Ziele seien angesichts der komplexen technischen Probleme so nicht mehr erreichbar, werden ignoriert.[26] Stattdessen werden mehr und mehr »Controlling«-Systeme eingesetzt, um die festgesetzten Ziele des Top-Managements durch gehaltswirksame Belohnungs- und Bestrafungssysteme doch noch durchzudrücken. In engen Abständen wird der termin- und kostengerechte Fortgang der Arbeit geprüft: durch Eingabe aller Daten in Systeme wie das »ERP« von SAP (»Enterprise resource Program«). Bei Abweichungen gibt es Minuspunkte. »Für diese Systeme und Unternehmensberater ist komischerweise immer Geld da, für sorgfältige Arbeit aber nicht«, sagt ein Kollege aus dem Flugzeugbau, der nicht genannt werden will. »Zahlen darüber werden nicht erhoben oder geheim gehalten«.

Eingeklemmt zwischen den technischen Schwierigkeiten und diesem Druck, reagieren die technischen Fachkräfte deshalb mit Unterlaufungsstrategien und zunehmend mit Gleichgültigkeit oder gar einer Art Sabotage. »Wir hassen das Management«, sagte mir ein Ingenieur nach dem dritten Bier. So werden Qualitätsmängel in Kauf genommen – man sorgt lediglich dafür, dass die Verantwortung für die Fehler nicht bei einem selbst hängen bleibt.
»Nirgendwo wird so viel gelogen wie beim Einbuchen ins ERP«, sagt ein Flugzeugbauer. »Ein Drittel unserer Arbeitskapazität verwenden wir darauf, die­se Systeme zu betrügen«, ergänzt ein Elektroingenieur aus dem Süden der Republik.

3. Outsourcing, Re-Strukturierung, Zeit- und Leiharbeit

Großprojekte werden nicht nur von vielen verschiedenen Unternehmen durchgeführt, auch innerhalb der Unternehmen sind seit den 1990er Jahren Umstrukturierungen an der Tagesordnung. Die klassischen vielstufigen Hie­rarchien werden zugunsten flexibler Projektorganisation abgebaut. Anstoß für diese Umbauten waren Erkenntnisse Ende der 1980er Jahre, dass die­se Hierarchien mit dem gesteigerten Tempo technischer Entwicklungen nicht mehr mithalten konnten. »Lean Production« und »Lean Management« war das Stichwort, das auf einer internationalen Studie in der Automobilindustrie basierte.[27] »Lean« hatte zunächst die Reorganisation der Arbeitsprozesse in den Unternehmen zum Ziel. Eigenverantwortung und Teamarbeit, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, Simultaneous Engineering, Re-Engenieering in der Organisation sollten das Tempo der Entwicklung steigern und Kosten sparen. Schnell aber wurden diese Instrumente und der Begriff »Lean« zu reinen Maßnahmen der Kostenreduzierung und des Personalabbaus.

Das »atmende Unternehmen« wurde propagiert: Waren schon seit Anfang der 1970er Jahre auch die technischen Fachkräfte mehr und mehr zur Manövriermasse geworden,[28] so ging es jetzt um die Heranbildung des »flexiblen Menschen« (Sennett), der seinen ganzen Lebensrhythmus an den Anforderungen des Unternehmens orientiert. Die Überforderung durch Zeitdruck, ständige Erreichbarkeit, zeitweise (wenn Projekte abgeschlossen werden müssen) extrem hohe Zahlen an Überstunden, kurz: die Entgrenzung des früheren Rahmens der Arbeit fördert aber nicht die Kreativität, sondern »Burnout«-Syndrome.[29] Aus einer ano­nymen E-Mail-Aktion in einer großen Firma: »Einige entwickeln geradezu einen Stolz darauf, dass sie bis an/über die Grenzen der Gesundheitsschädigung arbeiten. So wird im Lauf der Zeit ein Arbeitslevel erreicht, das jeden, der nach vernünftigem Maß zu arbeiten versucht, zum Außenseiter und Versager stempelt«.[30] Wer sich davor schützen will, entwickelt Strategien des »TTV – Tarnen, Täuschen und Verpissen«. Weder das Arbeiten bis zur Selbstaufgabe noch die TTV-Strategie dürften für die Qualität von Arbeitsergebnissen förderlich sein.

Ein weiteres Moment sind ständig neue Organisationsstrukturen in den Unternehmen sowie die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, Zunahme von Leiharbeit auch für hochqualifizierte Fachkräfte und die gerade in den letzten 20 Jahren verstärkte Ausgliederung älterer Mitarbeiter. Das hat damit zu tun, dass Erfahrung immer weniger zählt, insbesondere dann, wenn Personalentwickler zu junge Ingenieure in verantwortungsvolle Führungspositionen befördern. »Die sind einfach zu unerfahren und unsicher, haben oft nur Halbwissen – werden aber ausgewählt, weil sie biegsam und strebsam sind«, erzählt ein Flugzeugbau-Ingenieur, selbst 34 Jahre alt. »Mit 38 kriegen sie einen 3-Jahresvertrag als Bereichsleiter, Riesen-Druck von oben und engste Kostenziele – da braucht man sich nicht zu wundern, wenn sie eine absolute Brutalität entwickeln und im Zweifel die Qualität der Arbeit hinten runter fällt«.

Ältere Ingenieure machen da weniger leicht mit, deshalb gelten sie auch als »Bedenkenträger«, so der Kollege aus der Elektroindustrie. »Sie gehen, so wird das ausgedrückt, nicht vorurteilsfrei auf Management-Entscheidungen zu... Die jüngeren fangen begeistert an. Der erfahrene Kollege warnt: So könnt ihr das nicht machen. Er wird beiseite geschoben, ist vielleicht sowieso unsympathisch. Dann kommen die ersten Probleme, es funktioniert nicht wie geplant, es dehnt sich, man kriegt Minuspunkte vom Controlling. Panik bricht aus. Jetzt werden Fehler einkalkuliert, um den Termin halten zu können. So planen wir die Nachbesserung schon ein, anstatt die Fehler auszubügeln«.[31]

Befeuert wurde diese Entwicklung durch die Strategien der Betriebswirtschaft und von Finanzinvestoren seit Mitte der 1990er Jahre, Unternehmen aus steuerlichen Gründen und zum Zweck des profitablen Kaufs und Verkaufs zu zerlegen, die Belegschaften auszudünnen, selbst gesunde Unternehmen mit Schulden zu belasten. Besonders in der Bauindustrie, bei Großprojekten generell ist seitdem das Arbeiten mit mehrstufigen Systemen von Subunternehmen die Regel. Dabei werden oft Arbeiter eingesetzt, die Hungerlöhne verdienen, meist aus osteuropäischen oder asiatischen Staaten kommend, miserabel und quasi kaserniert untergebracht. Oft werden solche Strategien auch verfolgt, um die Bindung an Tarifverträge zu unterlaufen und die Vertretung der Arbeitnehmer möglichst zu schwächen. Damit aber fallen auch die Vorteile gut organisierter und gut bezahlter Belegschaften weg: Die Identifikation mit dem Unternehmen wird schwächer, die Bereitschaft, sich über das persönliche Interesse hinaus einzusetzen, schwindet. Man könnte auch sagen: Der »Homo Oeconomicus«, als Menschenbild des Neoliberalismus scheinbar ideal für solche Strukturen geeignet, setzt sich durch – und damit auch die nicht intendierten Nebenfolgen.[32]

4. Überschätzung des Virtuellen als Abbild der Wirklichkeit

Das Instrument, dem die Fähigkeit zugeschrieben wird, immer komplexer werdende Strukturen in Großprojekten zu ordnen, zu organisieren und technische Systeme, statt sie als Prototyp zu bauen und im Experiment den realen Belastungen durch die Nutzung auszusetzen, virtuell zu testen, ist der Computer. Seit Computer breitflächig eingesetzt werden, werden sie immer mehr als Universal-Maschine angesehen. Selbst Ingenieure neigen dazu, dieses Potenzial und damit auch die Machbarkeit hoch komplexer Systeme zu überschätzen.[33]

Auch die innerbetriebliche Kommunikation wird in vielen Unternehmen fast ausschließlich über IT-Systeme organisiert. Damit werden die Vertrauen stiftenden persönlichen Kontakte in der Arbeit selbst verringert. Zum Teil wird versucht, das über die Einrichtung von Orten auszugleichen, die wieder soziale Beziehungen herstellen, oder sogar über Abenteuer-Lehrgänge in freier Natur, bei denen die Teammitglieder in Extrem-Situationen Kooperation und soziale Strategien lernen sollen.[34]

Die Überschätzung des Virtuellen gilt sowohl für die stofflichen »Tücken«, die sich meist erst in der Praxis herausstellen, als auch für die erforderlichen Zeiträume. Planer und Marketing neigen ohnehin dazu, den Bedarf an Zeit und Geld gegenüber den Auftraggebern zu optimistisch einzuschätzen, um den Auftrag zu erhalten – insbesondere dann, wenn diese als öffentliche Institutionen die Pflicht haben, maximal sparsam mit den Geldern umzugehen. Politiker, die sich gerne mit Großprojekten schmücken, drücken besonders stark aufs Tempo – und treffen dann Vergabe-Entscheidungen nach dem Anbieter, der Kosten und Zeitbedarf am optimistischsten einschätzt. Bei großen und langwierigen Bau-Projekten kommt hinzu, dass sich die Anforderungen mit der Zeit ändern und damit die Auftraggeber immer wieder neue Forderungen an Auslegung und Dimensionierung in den Prozess einbringen. Das scheint z.B. beim Flughafen Berlin-Brandenburg der Fall gewesen zu sein, glaubt man den aktuellen Medienberichten. Auch der »Einbau« dieser Änderungen erscheint in der Simulation einfach.

Der aus diesem Zusammenspiel zwischen den Unternehmen und der Außenwelt resultierende Zeit-, Kosten- und Änderungsdruck verstärkt noch die innerbetrieblichen Zwänge durch Controlling und Management. Reaktion der Ingenieure: Sie verkürzen die Testzeiten für das Gesamtsystem, Rechneranalysen ersetzen reale, zeitraubende und teure Tests. »So geht die Beziehung zur Realität langsam verloren: Die Älteren, die das einschätzen könnten, sind nicht mehr da, und wir haben kaum noch Korrelationen, an denen wir die Simulation orientieren können. Dieser Prozess ist meiner Meinung nach nicht mehr zu stoppen«.[35]

In der IT-Industrie erklärt man die Fehler in der Elektronik in Automobilen (die in den letzten zehn Jahren eine Reihe von Rückruf­aktionen produziert haben) mit dem gleichen Muster: Die Kosten für die Chip-Entwicklung und -Verifikation steigen durch Verkleinerung und Realisierung mehrerer Funktionen auf einem Chip rapide an und liegen in Größenordnungen von 15 Mio. US-Dollar.[36] Genau das Zusammenwirken mehrerer Funktionen aber macht die Schwierigkeiten aus – die sind aber physikalischer, manchmal auch zwischenmenschlicher Natur, beides ist nicht durch betriebswirtschaftliche Vorgaben wegzudefinieren.

Auch hier spielt der Zeitfaktor die Hauptrolle: Die Güte und Sicherheit technischer Konstruktionen und Funktionen erweist sich meistens erst in der Praxis und im wirklichen Zusammenspiel von Mensch und Maschine, dem »Ernstfall«. Aber auch der rein technische Arbeits- und Optimierungsprozess bei Entwicklung und Konstruktion ist iterativ und bedarf oft mehrfacher Rückkopplungen – ein meist schwer berechenbarer Vorgang mit vielfältigen Überraschungen, in den »Murphy’schen Gesetzen«, die jeder Ingenieur kennt, mit einigem Sarkasmus festgehalten – zusammenfassend: »Was schief gehen kann, geht schief.«[37]

5. Korruption und kriminelle Geschäftsmethoden

Unter dem schönen Titel »Schurkenwirtschaft« hielt der Anti-Mafia-Staatsanwalt Roberto Scarpinato aus Palermo am 5. Februar 2010 in Karlsruhe unter massivem Polizeischutz einen Vortrag. Seine wesentliche These lautet: Die Grenzen zwischen der kapitalistisch und global organisierten Wirtschaft und dem organisierten Verbrechen sind seit der radikalen, neoliberalen Deregulierung der Märkte und der Finanzwirtschaft fließend und weder von der Politik noch von der Justiz beherrschbar. »Man feiert den Triumph des globalen Kapitalismus, an dem die Mafia und das internationale Verbrechen entscheidenden Anteil nehmen… Die Auswüchse der Wirtschaftskriminalität in den Chefetagen der internationalen Konzerne, die die Weltwirtschaft bestimmen, verursachen weit größere und schwerer zu behebende Schäden als andere Verbrechen«.[38]

So erscheint die These von Adam Smith über die »Unsichtbare Hand« im richtigen Licht: War schon die Idee, die individuellen Egoismen addierten sich im Kapitalismus auf wundersame Weise zum Gemeinwohl, eine Beleidigung für den gesunden Menschenverstand und die Wissenschaft (nachzulesen auch bei Keynes), so erweist sich empirisch, dass sie schnurstracks in die Kriminalität führt. Das Abrutschen von Unternehmen und Unternehmensstrategien in die Kriminalität ist die direkte Folge eines ruinösen Kostenwettbewerbs. Man kann das an den Groß-Skandalen der letzten Jahre in der Lebensmittelindustrie zeigen oder am Schmiergeld-Skandal bei Siemens.

Über den Einfluss von Korruption und Wirtschaftskriminalität bei Großprojekten wie dem Berliner Flughafen BER oder Stuttgart 21 kann man naturgemäß wenig Konkretes sagen. Aber: Schon in den 1960er Jahren wurde die Bauwirtschaft in Berlin berühmt durch die korruptive Verflechtung mit der Politik, die in mehreren Großprojekten wesentlichen Einfluss hatte. Das gilt nicht nur für Berlin.

Der Bauunternehmer Jürgen Schneider beschrieb in einem Dokumentarfilm und einem Buch,[39] nachdem seine Millionen-Betrügereien aufgeflogen waren, wie er mit verblüffend einfachen Betrüger-Methoden an weit überhöhte Kredite der Banken, auch der angeblich so »soliden« Deutschen Bank, gekommen war. Höhepunkt ist die Besprechung, die er in einer Filiale der Deutschen Bank hatte: Er hatte für ein großes Bauprojekt, das vom Besprechungszimmer aus sichtbar war, einfach zwei Etagen hinzugemogelt. Die Banker hätten das (nach seinen Angaben) durch einen einfachen Blick aus dem Fenster feststellen können. Ihr Desinteresse am Stofflichen konnte nicht besser demonstriert werden – sie schauten nur in die Bücher.

Abschließend zur Frage, ob das Scheitern von Großprojekten ein in Deutschland häufigeres Phänomen ist als in anderen Ländern – und damit die obigen Gründe und Thesen möglicherweise nicht mehr plausibel sein könnten. Abgesehen davon, dass man auch außerhalb der deutschen Grenzen solche gescheiterten Projekte findet (einige habe ich genannt), wäre meine Vermutung, dass die genannten Unternehmensstrategien in Deutschland mit »deutscher Gründlichkeit« verfolgt werden. In anderen Ländern könnte z.B. die »brauchbare Illegalität« eher mit Augenzwinkern geduldet werden. So äußerte vor Jahren ein japanischer Manager in einem Fernsehinterview zum Thema »Nieten in Nadelstreifen«[40] auf die Frage, wo der Unterschied zwischen japanischen und deutschen Führungsmethoden bestehe: »Der deutsche Manager sagt: Ich habe alles im Griff. Der japanische sagt: Meine Leute wissen Bescheid«.

Allerdings: Fukushima liegt in Japan. Und TEPCO ist ein kapitalistisch wirtschaftender Konzern.

Wolfgang Neef ist Ingenieur, promovierter Soziologe und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von Attac. Er hat an der TU Berlin zu den Themen Ingenieurstudium, Technik und Gesellschaft gearbeitet, ist seit 2008 in Rente, veranstaltet zu den genannten Themenweiterhin gemeinsam mit der IG Metall Seminare an der TU Berlin und TU Hamburg-Harburg.

[1] Von diesem Traum allerdings sollten wir uns verabschieden: Er ignoriert die energetischen und stofflichen Bedingungen. Die heute sichtbare Naturzerstörung durch den Kapitalismus, ebenso übrigens durch den verblichenen »Realen Sozialismus«, zeigt die Grenzen des Wachstums und damit auch des technischen »Fortschritts« deutlich.
[2] Für marxistisch Gebildete: Tauschwert geht vor Gebrauchswert (»Gleichgültigkeit«) bzw. die Umkehrung von Ware-Geld-Ware in Geld-Ware-mehr Geld.
[3] Vgl. dazu sehr fundiert und detailliert: Hartmut Rosa: Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung, Berlin 2012.
[4] In: »Philosophie-Magazin« Nr. 1, 2013.
[5] Dazu Niko Paech: Befreiung vom Überfluss. München 2012.
[6] Niklas Luhmann prägte dafür den Begriff »Brauchbare Illegalität«. Vgl. für Ingenieurarbeit: Wolfgang Neef: Ingenieure – Entwicklung und Funktion einer Berufsgruppe. Köln 1982.
[7] So führt der Ökonom Carl Christian v. Weizsäcker in der »taz« vom 18.7.2008 aus, dass die Uran-Vorräte deshalb unerschöpflich sind, weil sie auch im Meerwasser vorkommen – und dass mit steigenden Preisen für Uran ihre Extraktion aus Meerwasser ökonomisch lohnend wird. Es interessiert ihn dabei nicht, mit welchem technischen und stofflichen Aufwand bzw. mit welchen Folgen für die Meeresbewohner das erfolgen würde.
[8] Der VDI, 1856 gegründet, sieht sich als Integrator von Technik und Wirtschaft. Sein Ideal-Typus des Ingenieurs ist der »Unternehmer-Ingenieur«. Auch Betriebsräte und Gewerkschaften sorgten seit den 1970er Jahren nicht nur für materielle Beteiligung der Arbeitnehmer, sondern durch »Co-Management« auch für das Wohlergehen der Unternehmen.
[9] In einer Studie aus der Schweiz – Kiefer/Müller/Eicken: Befindlichkeit in der chemischen Industrie. WWZ-Studie Nr. 59, Mai 2001 – wird die Wirkung dieser Strategien auf die Arbeit von Ingenieuren eindringlich geschildert: »Ärger und Frustration über die Behinderung professioneller Arbeit«, »Entfremdung vom oberen Management« sind kennzeichnend. Die technisch-chemischen Fachkräfte sind stolz darauf, dass sie »trotz der Behinderung durch BWL und Management« noch einigermaßen ordentliche Ergebnisse erzielen. Schon Anfang der 1990er Jahre untersuchten Baethge, Denkinger und Kadritzke die Lage von hochqualifizierten Angestellten im »Spannungsfeld von betrieblicher Struktur, beruflichem Selbstverständnis und lebensweltlichen Ansprüchen«: »Das Führungskräfte-
Dilemma«, Frankfurt a.M./New York 1995 mit ähnlichen Ergebnissen.
[10] Mascha Will-Zocholl in ihrer Dissertation »Wissensarbeit in der Automobilindustrie«, TU Darmstadt 2010 (edition sigma), S. 253.
[11] Schön nachzulesen in einer Stellungnahme der Initiative »Bahn für alle«: www.bahn-fuer-alle.de/pages/hintergrund/s-bahn-berlin/erklaerung-zum-s-bahn-desaster.php
[12] Die Veröffentlichung eines kleinen Artikels zu solchen Fällen im Jahr 2004 (unter dem Titel »Das System Banane«), in dem ich als Ursache die innerbetrieblichen Widersprüche zwischen Ingenieuren und Management thematisierte, brachte mir viele zustimmende Leserbriefe von IngenieurInnen ein.
[13] Die Website »Murks-Nein danke« von Stefan Schridde dokumentiert solche »Fehler« vom Handy bis zur Waschmaschine.
[14] Alle Zitate aus: Dörte Ohlhorst: Wind­energie in Deutschland. Dissertation, FU Berlin 2008, S. 92.
[15] Die Exponentialfunktionen des »Immer schneller, immer mehr…« resultieren übrigens weniger aus der »Gier« von Menschen, sondern aus der mathematischen Grundlage des Zins-Systems, das wiederum Grundlage des Kapitalismus ist. Daher der Wachstums-Imperativ.
[16] Das berühmte Glühlampen-Kartell »Phoe­bus« von 1924 ist dafür das Muster, weil es trotz der Zerschlagung dieses Kartells im Jahr 1942 immer noch funktioniert.
[17] Schon Schumpeter wusste, dass der Kapitalismus bei einer reinen Kosten-Konkurrenz sich selbst zerstört, und formulierte deshalb eine Art Zwang zur Innovation, die ihm immer wieder die Möglichkeit gibt, Rendite-Quellen neu zu erschließen. Inzwischen sind nahezu fast alle »Innovationen« nur neues Spielzeug (meist für Männer).
[18] Dazu auf der Basis einer Langzeitstudie (zwischen 1993 und 1998) mit Daten aus der Befragung von rd. 3.300 Beschäftigten und aus rund 1.400 Unternehmen: Peter Brödner/Erich Latniak: Will They Ever Take the »High Road«? Recent Findings on Organisational Changes in German Industry. Proceedings, 4. Internat. CINet-Konferenz, Helsinki University of Technology 2002.
[19] Als Beispiel ein allerdings etwas naiv argumentierender Artikel aus der ZEIT vom 8.1.1953: Dr.-Ing. Kurt Thomas (Verein Deutscher Eisenhüttenleute): »Fortschritt durch Gemeinschaftsarbeit«. Albert Speer übrigens organisierte die Nazi-Rüstungsindustrie ausdrücklich unter diesem Motto, gegen die betriebswirtschaftlichen Egoismen der Unternehmen gerichtet, und erzielte damit erhebliche Erfolge – geschildert in seinen »Erinnerungen«.
[20] Die klassische Studie: F.J. Roethlisberger/W. Dickson: Management and the worker. Cambridge, Mass. 1939 zeigt, dass die Arbeitnehmer die Fehler des Managements und hierarchische Grenzen durch eigenmächtige, »informelle« Handlungen ausgleichen.
[21] Zahlreiche Veröffentlichungen – eine: Bärbel Meschkutat/Martina Stackelbeck/Georg Langenhoff: Der Mobbing-Report – Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland (PDF). Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002.
[22] Vgl. Richard Vahrenkamp: Frederick Winslow Taylor – Ein Denker zwischen Manufaktur und Großindustrie. In: F.W. Taylor: Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung. Weinheim u. Basel 1977.
[23] Horst Kern/Michael Schumann: Das Ende der Arbeitsteilung? München 1984.
[24] Die Infragestellung innovativer Arbeitspolitik unter dem Regime des Shareholder value hat Michael Schumann Mitte der 1990er Jahre selbst thematisiert: »Frisst die Shareholder-Value-Ökonomie die Modernisierung der Arbeit«, in: M. Schumann: Metamorphosen von Industriearbeit und Arbeiterbewusstsein. Hamburg 2003.
[25] In der »taz.de« am 12.4.2012 beschrieben, s.a. die Besprechung von Johannes Springer in Sozialismus 4/2012.
[26] »Es wird von den Teammitgliedern gemeinsam ›nach oben‹ signalisiert: Die Zielvorgabe ist nicht zu schaffen. ›Von oben‹ kommt die Reaktion: Wenn ihr euren Job behalten wollt, müsst ihr es irgendwie schaffen, sonst wird der Job verlagert. Es warten genug darauf, beweisen zu dürfen, dass sie profitabler arbeiten…« Wilfried Glißmann: Ökonomik der Maßlosigkeit und die Frage der Gesundheit, in: K. Pickshaus/H. Schmitthenner/H.J. Urban (Hrsg.): Arbeiten ohne Ende. Hamburg 2001.
[27] P. Womack/D.T. Jones/D. Roos: Ergebnisbericht zum Forschungsprogramm IMVP, MIT 1990.
[28] Ausführlicher in W. Neef: Ingenieure – Entwicklung und Funktion einer Berufsgruppe. A.a.O.
[29] Auch dies ist seit mehreren Jahren immer mehr in der öffentlichen Diskussion.
[30] Glißmann, a.a.O.
[31] Alle Ingenieur-Zitate in Abschnitt 2 und 3 (außer bei Glißmann) aus einer Telefon-Umfrage im Jahr 2004 (Basis für meinen taz-Artikel »Das System Banane« vom 3.7.2004).
[32] Ausführlich beschrieben und analysiert werden die soziologischen und psychologischen Momente dieser »kulturellen Diskontinuität«, der »situativen Identität« mit dem »Wettbewerb als Interaktionsmodus«, und wachsender existenzieller Unsicherheit der arbeitenden Menschen bei Hartmut Rosa: »Weltbeziehungen…«, a.a.O. Rosa verweist darauf, dass die Paradigmen des radikalisierten Kapitalismus die notwendige Sinngebung von Arbeit nicht herstellen können. Es sind dafür ethische, soziale und kulturelle Quellen erforderlich, die diesen Paradigmen äußerlich sind, inzwischen aber durch »Individualisierung und Beschleunigung« zerstört werden.
[33] Zur Überschätzung vom IT siehe Peter Brödner: Der überlistete Odysseus. Über das zerrüttete Verhältnis von Menschen und Maschinen. Berlin 1997.
[34] In dem bereits genannten Film »Work hard – play hard« sehr eindrücklich dokumentiert.
[35] taz-Artikel a.a.O., Telefon-Umfrage 2004.
[36] Mail-Reaktion auf den taz-Artikel.
[37] Edsel Murphy und D.L. Epstein: »Die Gesetze über das Verhalten lebloser Gegenstände«, überlieferte Ingenieur-Weisheiten, in mehreren Varianten verschriftlicht. Beispiel: »Die Ausfall-Wahrsacheinlichkeit eines Bauteils ist umgekehrt proportional zu seiner Zugänglichkeit… In allen Überlegungen ist diejenige Größe die häufigste Fehlergröße, die vorher über jeden Zweifel erhaben war« etc.
[38] Frankfurter Rundschau vom 8.2.2010.
[39] Jürgen Schneider, »Bekenntnisse eines Baulöwen«, Berlin 1999.
[40] Günter Ogger: Nieten in Nadelstreifen, ein 1993 erschienener, heiß diskutierter Sachbuch-Bestseller.

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