27. Juni 2018 Christoph Ehlscheid/Dirk Neumann

Rentenkommission: zwischen Abbau und solidarischem Neuaufbau

Wer bei dem Stichwort Rentenkommission ein Déjà-vu-Erlebnis hat, liegt so falsch nicht. Bereits vor 15 Jahren fand sich eine Kommission zusammen, um am Ende umfassende Leistungskürzungen in der gesetzlichen Rente zu adressieren:

So waren die Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung von 65 auf 67 Jahre und die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors als zusätzlichem Dämpfungsfaktor in der Rentenanpassungsformel zentrale Vorschläge der Kommission. Benannt nach ihrem Vorsitzenden, hatte die Rürup-Kommission im August 2003 nach rund neun Monaten Arbeit einen Bericht vorgelegt,[1] der den bereits zuvor eingeschlagenen Weg der sozialen Kürzungen im Sinne des neoliberalen Zeitgeistes[2] und der Teilprivatisierung und Kapitalisierung der Alterssicherung konsequent fortsetzte.

Am 6. Juni 2018 hat eine neue Kommission ihre Arbeit aufgenommen. Anders als bei der Rürup-Kommission 2002/2003, die sich aus 26 Mitgliedern zusammensetzte, ist das »Expertengremium« diesmal deutlich kleiner aufgestellt. Neben zwei Vorsitzenden – Karl Schiewerling von der CDU und Gabriele Lösekrug-Möller von der SPD – gehören der Kommission acht weitere Mitglieder an: Je drei Vertreter aus der Politik (eine Person aus jeder Regierungsfraktion) und der Wissenschaft sowie mit Annelie Buntenbach für den DGB und Alexander Gunkel für die BDA je eine Vertretung der Arbeitnehmer- wie der Arbeitgeberseite.


Neue Leistungskürzungen?

Der sozialpolitische Quellcode hat diesmal seinen Ursprung weniger in den Stuben der konzeptiven Ideologen des Neoliberalismus. Vielmehr liegt der politische Entstehungskontext in der immer deutlicher werdenden mehrdimensionalen Strukturkrise des deutschen Alterssicherungssystems begründet: Gute Konjunkturdaten, hoher Beschäftigungsstand und aktuell steigende Renten können eben nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit mittelfristig sinkendem Rentenniveau, steigender Regelaltersgrenze und einer grundlegend gescheiterten privaten Altersvorsorge die »Reform«-Politik der vergangenen beiden Dekaden alles andere als einen zukunftsfesten und funktionsfähigen Neubau hinterlassen hat. Gewerkschaften und Sozialverbände haben mit ihrer Aufklärungsarbeit, ihren Initiativen und Kampagnen die eklatanten Mängel öffentlich herausgestellt und den politischen Druck für eine neue und solidarische Rentenreform deutlich erhöht.[3]

Christoph Ehlscheid ist Leiter des Bereichs Sozialpolitik beim Vorstand der IG Metall. Dirk Neumann ist Gewerkschaftssekretär im Ressort allgemeine Sozial- und Arbeitsmarktpolitik beim Vorstand der IG Metall.

[1] Damals nicht allein bei der Rente, sondern auch bei der Kranken- und Pflegeversicherung.
[2] Zu nennen sind hier exemplarisch die Riester-Reform 2001/2002 und die sogenannten Hartz-Gesetze ab dem Jahr 2002.
[3] Vgl. Hans-Jürgen Urban/Christoph Ehl­scheid/Dirk Neumann: Alterssicherung – auf dem Weg zu einem Strategiewechsel?, in: Sozialismus 1/2017.

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