27. Dezember 2024 Redaktion Sozialismus.de: Der schwierige Tarifabschluss bei Volkswagen
Schmerzhafte Zugeständnisse
Mehr als 70 Stunden haben der Volkswagenkonzern und der IG Metall-Bezirk Niedersachsen-Sachsen-Anhalt sowie der VW-Betriebsrat verhandelt, bevor nach mehreren Warnstreiks und Protestaktionen aus allen Werken am 20. Dezember ein Tarifergebnis erzielt werden konnte.
Die IG Metall verbucht als Erfolg, dass alle Standorte erhalten bleiben und betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2030 ausgeschlossen sind. Dafür musste sie schmerzhafte Zugeständnisse machen. Die Konzernspitze unterstreicht, dass es gelungen sei »die technischen Produktionskapazitäten der deutschen Volkswagen Werke mit neuen Strukturen und Technologien wettbewerbsfähig auszurichten, [die …] dazu um rund 734.000 Einheiten reduziert wird]. Damit reagiert das Unternehmen auf den gesunkenen Automobilmarkt in Europa«.
Das Management unter Führung von Oliver Blume, der zugleich Chef der zum Konzern gehörenden Marke Porsche ist, sieht die Marke VW schon lange als Sanierungsfall, hält die Produktivität und die Marge für chronisch schwach. Eine Folge davon sei die geringe Profitabilität. Diese konnte der Konzern in der Vergangenheit durch Gewinne im lukrativen chinesischen Markt und von Audi und Porsche ausgleichen. Das ist inzwischen vorbei. In der Volksrepublik hat VW bei den Elektroautos den Anschluss verloren, Audi kämpft mit großen Problemen, und selbst Porsche zeigt Schwächezeichen.
Strukturelle Probleme in der Automobilbranche, eine schwache Nachfrage und hausgemachte Fehler belasten den Konzern. Die VW-Unternehmensleitung machte geltend, dass rund 500.000 Fahrzeuge mehr produziert werden müssten, um alle Werke auszulasten, das aber gebe die Nachfrage in Europa nicht her. Außerdem sei man an einigen deutschen Standorten »doppelt so teuer wie der Wettbewerb«, was vor allem an den Lohnkosten liege. Die Kernmarke VW hätte im ersten Halbjahr nur noch eine Rendite von rund 2% statt der geplanten 6,5% erzielt, damit seien nötige Investitionen in die Digitalisierung, die Elektromobilität und das teilautonome Fahren nicht zu bewältigen.
Allerdings hatte die vorherige Konzernspitze mit den teils kriminellen Methoden der Verschleierung von Abgasemissionen Kosten in Höhe von mehr als 32 Milliarden Euro verursacht. Und das aktuelle VW-Management ging – wie bei anderen Automobilunternehmen auch – den Übergang in die Elektromobilität zu spät und halbherzig an, wofür das Desaster bei der Software nur ein Beispiel ist. So wurde ein erheblicher Teil der zuvor eingefahrenen Gewinne im Prozess der verzögerten Anpassung verschleudert.
All dies führte dazu, dass der VW-Vorstand am 2. September sechs Tarifverträge kündigte und damit erstmals in der Geschichte des Unternehmens einen dreifachen Tabubruch beging: die Schließung von bis zu drei Werken (Dresden, Osnabrück und Emden), Massenentlassungen und Angriffe auf den Haustarif wurden angedroht. Die Kündigung umfasste den weit über die Unternehmensgrenzen ausstrahlenden »Tarifvertrag zur nachhaltigen Zukunfts- und Beschäftigungssicherung«. Damit wären betriebsbedingte Kündigungen, die es in der Geschichte von Volkswagen noch nie gegeben hat, ab dem 1. Juli 2025 möglich gewesen. Unter Verweis auf die schwierige Lage des Konzerns wurden zudem 10% Lohnkürzung gefordert.
Die Beschäftigten von VW und ihre Interessenvertreter*innen wollten dagegen mindestens einen Ausgleich für die Kaufkraftverluste durchsetzen.