21. Februar 2014 Günter Busch: Tarifrunde Öffentlicher Dienst Kommunen und Bund 2014

Streik oder nicht Streik?

Mit einer Forderung von durchschnittlich 6,8% geht ver.di in diesem Jahr in die Tarifrunde mit den Städten, Landkreisen und dem Bund. Auf eine Grunderhöhung von 100,00 Euro für alle als Sockelbetrag soll zusätzlich eine Erhöhung von 3,5% erfolgen.

Diese Kombination von sozialer Komponente und linearer Erhöhung ergibt in der untersten Entgeltgruppe in Stufe 1 eine Erhöhung von 10% oder plus 153,92 Euro und in der obersten Gruppe E 15 in der letzten Stufe einen Einkommenszuwachs von 5,2% gleich 305,18 Euro.

Dazu kommt eine Reihe weiterer Forderungen:

  • 30 Tage Urlaub für alle, auch für die Auszubildenden. Bisher gibt es 27, 29 und 30 Tage.
  • Befristete Arbeitsverträge sollen nur noch mit Sachgründen erlaubt sein. Die gesetzliche Regelung einer sachgrundlosen Befristung von bis zu zwei Jahren soll tarifvertraglich ausgeschlossen werden.
  • Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 100,00 Euro/Monat.
  • Unbefristete Übernahme aller Auszubildenden.
  • Spartenspezifische Sonderforderungen: Für die Beschäftigten des Nahverkehrs eine Zulage von 70,00 Euro/Monat und für die Krankenhäuser eine Erhöhung des Nachtzuschlags auf 20%.
  • Schließlich gibt es noch eine Reihe von Forderungen, die aus Nachteilen bei der Umstellung des alten BAT auf den TVöD im Juli 2005 resultieren.
  • Die Laufzeit der Entgelterhöhungen soll zwölf Monate betragen.

Insgesamt dürfte sich das Forderungsvolumen auf über 7% addieren.

Ein ambitioniertes Unterfangen, vergleicht man es mit Tarifabschlüssen in anderen Tarifbereichen und Branchen:

  • Öffentlicher Dienst der Länder plus 2,95%,
  • Chemiebranche plus 3% (auf zwölf Monate gerechnet),
  • Metall und Elektro haben bereits seit dem 1. Juli 2013 eine Erhöhung von 3,4%, die ins Jahr 2014 hineinwirkt. Ab dem 1. Mai 2014 gibt es noch einmal ein Plus von 2,2%.

Mit dem Abschluss des TVÖD Bund und Kommunen 2014 entscheidet sich, ob dieser Bereich 2014 die Tarifführerschaft übernehmen wird. Mit 2,3 Millionen direkt betroffenen Beschäftigten und weiteren über zwei Millionen, die an die Abschlüsse des Öffentlichen Dienstes angekoppelt sind, wird ein Maßstab gesetzt, an dem sich die weiteren Tarifabschlüsse orientieren werden. Metall und Elektro haben diese Funktion der Tariflokomotive in diesem Jahr nicht, ob Chemie die Marge vorgeben wird, wird sich erst im Laufe der Tarifrunde zeigen.

Begründet wird die ambitionierte Forderung mit

  • einem verteilungsneutralen Spielraum von circa 2,8% (1,6% Preissteigerung, 1,2% Produktivitätszuwachs),
  • sprudelnden Steuereinnahmen bei Bund (plus 3,2%) und Kommunen (plus 3,8%)
  • einer Tarifdrift von 10% zulasten des staatlichen Dienstleistungssektors gegenüber Chemie, Metall und Energie, die sich in den letzten zehn Jahren herausgebildet hat. Diese Branchen haben deutlich besser abgeschnitten, sodass ver.di hier einen deutlichen Nachholbedarf sieht und eine Umverteilungskomponente in die Forderung eingebaut hat.

Die Arbeitgeber verweisen auf ihre hohen Schulden, die sich nach 2008 angehäuft haben, die Einhaltung der Schuldenbremse, das lohnpolitische Umfeld, die ganz unterschiedliche und nicht vergleichbare Situation der Finanzen der Kommunen und die aus ihrer Sicht völlig falsche Verteilungswirkung einer Grundbetragsforderung als soziale Komponente. Ein überproportionaler Anstieg im unteren Bereich hätte ihrer Meinung nach weiteres Outsourcing zur Folge, während man in den oberen Entgeltgruppen nicht konkurrenzfähig sei, um qualifiziertes Personal zu bekommen. Hier müssten dann ggf. Zulagen gezahlt werden, was den Abschluss weiter verteuere.

Der Koflikt ist also programmiert. ver.di muss drei Tabus der Arbeitgeber durchbrechen:

  • Ein Abschluss oberhalb der Privatwirtschaft würde dort die Erwartungen nach oben schrauben und die gesamtgesellschaftlichen Verteilungsauseinandersetzungen 2014 verschärfen. Außerdem gerieten die öffentlichen Haushalte 2014 und der darin vorgesehene Schuldenabbau bzw. die geringere Schuldenaufnahme unter Druck.
  • Einen Grundbetrag als Sockel wollen die Arbeitgeber auf keinen Fall. Sie halten eine tendenzielle Nivellierung der Einkommen für leistungsfeindlich und arbeitsmarktpolitisch für fatal: Die unteren Einkommensgruppen würden sich damit zu sehr von den Entgelten der prekär Beschäftigten abheben. Nach neoliberaler Lesart hätte das zusätzliche Arbeitslosigkeit zur Folge und würde den Druck auf eine Erhöhung der Löhne der prekär Beschäftigten erhöhen. Die Arbeitgeber wollen eine weitere Spreizung und nicht eine Erhöhung des realen Lohnniveaus insgesamt.
  • Die Beendigung der sachgrundlosen Befristungen durch Tarifverträge werden sich die Arbeitgeber nicht freiwillig nehmen lassen. Die in vielen Fällen wie eine Verlängerung der Probezeit wirkenden befristeten Arbeitsverträge sollen die Wirkung des Kündigungsschutzgesetzes aushebeln und die Beschäftigten disziplinieren. Wer wehrt sich schon als befristet Beschäftigter oder streikt gar, wenn die Aussicht auf eine Entfristung winkt.

Alle drei Tabupunkte haben das Zeug zum Arbeitskampf. Die Erwartungen der gewerkschaftlichen Funktionärinnen und Funktionäre sind hoch.

Die Mitglieder wollen vor allem Geld sehen. Für sie sind die Preissteigerungen bei Lebensmitteln, bei Strom, Verkehr und Mieten der Grund für einen »kräftigen Schluck aus der Pulle«. Und sie wollen in dieser Tarifrunde auf jeden Fall eine soziale Komponente sehen. Hier wirkt noch die letzte Tarifrunde nach, in der ein Sockel vehement gefordert, dann aber nicht umgesetzt werden konnte.

Für die Beschäftigten insgesamt sorgen die anziehenden Gewinne der Wirtschaft und die sprudelnden Boni der Banken für das Gefühl einer grundsätzlichen Benachteiligung in der Verteilung des wieder wachsenden gesellschaftlichen Reichtums. Mit jedem Monat, in dem sich die Prognosen über das Wirtschaftswachstum als real erweisen, wird der Widerspruch sichtbarer, werden die Erwartungen höher und steigt die Bereitschaft zum Kämpfen.

Am 13. März beginnen die Verhandlungen. Wenn sich nichts bewegt, wird es Warnstreiks – auch längere – geben, die den Druck politisch und ökonomisch steigern sollen. Kommt es bis Anfang April zu keiner Einigung, geht es über Ostern in die Schlichtung, wenn mindestens eine Seite das will. Wird ein Schlichtungsergebnis nicht akzeptiert, beginnen Urabstimmung und Arbeitskampf. Der muss vorbereitet werden, muss ökonomischen Druck erzeugen und glaubhaft auf längere Zeit angelegt sein. Und weitere Branchen, deren Lohnrunden im Frühjahr 2014 anstehen, müssen hinzukommen.

Auch in 2014 werden nicht nur die klassischen Streikbereiche Nahverkehr und Müllabfuhr dabei sein. Erzieherinnen und Erzieher, Kindertagesstätten, Krankenhäuser und sogar kirchliche Beschäftigte werden den Druck aufbauen, um zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen. Wie sich die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes aufstellen werden, wird spätestens am 13. März sichtbar werden. Aber auch in diesem Jahr gilt: Jedes Tarifergebnis endet mit einem Kompromiss.

Günter Busch ist stellvertretender Landesleiter des ver.di Landesbezirks Baden-Württemberg.

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