26. Januar 2024 Klaus Bullan
Südafrika vor politischer Neuaufstellung?
Südafrika ist in die internationalen Schlagzeilen geraten, weil es Israel wegen des Angriffs auf Gaza vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Völkermords angeklagt hat.
Schon zuvor waren die diplomatischen Beziehungen zu Israel von Südafrika auf Eis gelegt worden. Seit 2018 ist der Botschaftsposten Südafrikas in Israel unbesetzt.
In einigen Staaten des Westens ist diese Anklage auf Kritik gestoßen, in großen Teilen der übrigen Welt stößt Südafrikas juristische Nutzung des Völkerrechts auf Anerkennung. Auch innerhalb Südafrikas, das vor Parlamentswahlen in diesem Sommer steht, wird die Klage von großen Teilen der Bevölkerung, die aus vielen Hautfarben, religiösen Orientierungen besteht und aus vielen Regionen der Welt stammt, zustimmend zur Kenntnis genommen.
In Südafrika stößt die Aussage, Israel sei ein »Apartheidsstaat« vergleichbar dem früheren Südafrika, bei vielen Bürger*innen auf Zustimmung. Die Behandlung der Palästinenser*innen in Israel und in den besetzten Gebieten zeige Parallelen zur Apartheid in Südafrika, wo die weiße Regierung den Nichtweißen zentrale Bürger*innenrechte verweigerte und sie so als Menschen zweiter Klasse behandelte. In diesem Zusammenhang wird auch angeführt, dass Israel bis zuletzt als eines der wenigen Länder weltweit das südafrikanische Apartheidsregime unterstützt hatte, bis hin zu militärischer Kooperation.
Die Haltung Südafrikas in den jüngsten internationalen Konflikten zeigt, dass das Land zusammen mit anderen Staaten des Globalen Südens eigenständige Positionen vertritt, die sich nicht von den westlichen Hegemonialmächten vereinnahmen lassen. Der Ukraine-Krieg ist ein weiteres Beispiel dafür.
Innenpolitisch wird dieser Kurs Südafrikas von großen Mehrheiten unterstützt, jedenfalls regt sich kaum Widerstand dagegen. Das ist bemerkenswert, weil die Zufriedenheit mit der Regierung auf dem Tiefstand angekommen ist.
30 Jahre nach dem Ende der Apartheid und der ersten ANC-geführten Regierung der nationalen Einheit mit Nelson Mandela als Präsidenten, wählt Südafrika 2024 eine neue Regierung. Seit 1994 ist der ANC an der Macht, seit 1998 nach dem Ende der Regierung der nationalen Einheit der »Übergangsphase« zur Demokratie immer als Alleinregierung mit absoluter Mehrheit im Bündnis mit dem Gewerkschaftsdachverband COSATU und der kommunistischen Partei Südafrikas.
Seit vielen Jahren, zumindest seit der Zeit der Regierung Zuma ab 2009, wird dem ANC ein Ende seiner absoluten Mehrheit vorhergesagt – diesmal könnte es tatsächlich dazu kommen, auch wenn das keineswegs sicher ist.
Trotz zahlreicher Verbesserungen der Lebenslage der schwarzen Mehrheitsbevölkerung seit dem Regierungsantritt des ANC vor 30 Jahren ist es nicht gelungen, neben der politischen Gleichstellung der nichtweißen Bevölkerung auch eine ökonomische und soziale Gleichstellung zu erreichen.
Klaus Bullan ist Mitherausgeber von Sozialismus.de