1. Juni 2010 Jürgen Ostrowsky

Südafrika: Zusammengehalten durch die Fußball-WM?

"Monat für Monat gibt es 20 neue schwarze Millionäre – und 400.000 Menschen driften in die absolute Armut ab", lautet die bittere Bilanz des Buchautors Lutz van Dijk, der seit nahezu zehn Jahren in einem Township bei Kapstadt lebt. Hoffnung? "Das Einzige, was dieses Land noch zusammenhält, ist die Fußballweltmeisterschaft. Ich sehe ganz wenig konkrete Konzepte, um Armut abzubauen."

Die Zahlen und die Perspektive sind zumindest erörterungsbedürftig – das Fazit ist es nicht: "Nirgendwo auf der Welt klafft die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander wie heute in Südafrika."

Der so genannte Gini-Index, ein Koeffizient zur Darstellung von Ungleichverteilung in einer Gesellschaft, für Südafrika liegt bei 0,6 (0 bedeutet perfekte Gleichverteilung, 1 markiert eine Gesellschaft, in der eine Person alles besitzt). Und er ist seit dem (formalen) Ende der Apartheid 1994 sogar größer geworden; Südafrika hat Brasilien damit vom untersten Rang verdrängt.

Gewiss: Die Politik des African National Congress, der seit jenem Jahr alle Wahlen mit Mehrheiten von rund zwei Dritteln gewonnen hat, hat Erfolge zu verbuchen: Millionen Südafrikaner verfügen über kostenlose Wasseranschlüsse, Kliniken sind übers Land verteilt gebaut worden, "die Zahl der Haushalte mit Stromanschluss ist von 50 auf 80% gestiegen. Das Bankensystem wurde ausgeweitet und erfasst die schwarze Unterschicht … Und 86% der Haushalte besitzen ein Mobiltelefon. Es gibt eine sich ausdehnende schwarze Mittelschicht. Indes, die meisten dieser Verbesserungen sind kosmetischer Art." (Pusch Commey, New African, März 2010). Überdies kommen die Fortschritte vielfach nicht an.

Der Grund ist einfach: Die offizielle Apartheid ist zwar aufgehoben, aber "soziale Segregation hat die Rassentrennung abgelöst", wie es schon 2004 in der "Welt am Sonntag" hieß; das "fast ideale kapitalistische Land", wie es der Präsident der Börse von Johannesburg 1970 beschrieb, hat sich im Wesentlichen nur oberflächlich verändert.

Die "Freiheitscharta" des African National Congress, 1955 in Kliptown (ein Stadtteil des Townships Soweto) verabschiedet, sah zwar mit Vergesellschaftungen etwa von Bodenschätzen, Banken und Monopolindustrien den Einstieg in eine sozialistische Gesellschaft vor, in welcher alle Menschen Südafrikas ohne Ansehen der Hautfarbe Zugang zu Bildung und "ein Recht auf Arbeit" besäßen, doch in der Situation des Übergangs seit der Freilassung Nelson Mandelas und seiner Kampfgefährten gelten andere Regeln. Die hatte schon Jahre zuvor Harry F. Oppenheimer, Chef des Konzerns Anglo American/deBeers, 1976 formuliert: "Es ist eine irrige Annahme, dass es nur darum gehe, dieselbe Lösung (des Apartheidproblems; J.O.) entweder friedlich oder unter Blutvergießen zu erreichen. Der entscheidende Punkt … ist, dass jede friedliche Lösung eine völlig andere sein würde als jede mit Gewalt erzwungene."

So geschah es. 1990 musste das Apartheidregime zwar "kapitulieren", der ANC war der politische und moralische Sieger, aber "geschlagen" war die (weiße) Bourgeoisie keineswegs; die Revolution, auf die viele gesetzt hatten, blieb aus, die Eigentumsverhältnisse folglich intakt. So verkündete Mandela nach seiner Freilassung noch, dass die "Nationalisierung von Bergbaukonzernen, Banken und Monopolindustrie die Politik des ANC" sei, doch übrig blieb allein das – allerdings alternativlose – Projekt der "Versöhnung" zwischen den Bevölkerungsgruppen.

Mandelas Nachfolger im Amt des Staatspräsidenten, Thabo Mbeki, erklärte denn auch am Beginn seiner Amtszeit 1999: "Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft. Es ist daher unausweichlich, dass wir das Ziel der Auflösung der Rassenschranken (›de­racialisation‹) zu einem Teil – und ich wiederhole: zum Teil – im Rahmen der Eigentumsverhältnisse anstreben müssen, die für eine kapitalistische Wirtschaft charakteristisch sind." Das sah dann so aus, dass Mbeki 2000 einen "Internationalen Investorenrat" berief, dem u.a. der als Spekulant berüchtigte George Soros, der Vorstandsvorsitzende von Mitsubishi, sowie Jürgen Schrempp, damals Chef von Daimler-Chrysler, angehörten.

Das Ergebnis am Ende von Mbekis Amtszeit 2009: Südafrika rangiert, was die "Wettbewerbsfähigkeit" anbelangt, für das Weltwirtschaftsforum (Davos) auf Platz 45 unter 133 Staaten, vor der Türkei und Indonesien; doch der für ausländische Investoren und Anleger im Land attraktive Platz verdeckt – wie üblich – die soziale Realität dahinter.

Ein Programm wie "Black Economic Empowerment" (BEE) umfasste Aspekte wie die bevorzugte Einstellung Schwarzer in Unternehmen, den bevorzugten Einkauf bei afrikanischen Lieferanten und Dienstleistern, die Ausbildung von Schwarzen sowie das soziale Engagement von Unternehmen, vor allem aber den Verkauf von Unternehmensanteilen an Schwarze. Mithin: Die Hautfarbe des Kapitals sollte sich wandeln, das Wesen der Angelegenheit blieb erhalten. In den Worten des Fürsten von Salina aus Tomasi di Lampedusas Roman "Il Gattopardo": "Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert."

Nicht nur, dass eine deprimierende Anzahl von ANC-Mitgliedern nach 1994 lediglich gesinnt war, sich nunmehr ihrerseits die bisher verbotenen Früchte des Apartheidsystems anzueignen, es traten dem ANC auch zahllose Konjunkturritter bei – etwa jene Schwarzen, die es schon unter der Apartheid zu respektablem Reichtum gebracht hatten. Gemeinsam sorgten diese "politisch gut vernetzten Individuen" (Financial Times) auf verschiedene Weise dafür, dass sich in ihren Händen "ungeheure Geldmengen" (Foreign Affairs) anhäuften.

Weiße Bastionen des Kapitals

Zugleich entstand eine schwarze Mittelschicht – die Reg Rumney von der südafrikanischen Stiftung "Business Map" unverblümt "als Bollwerk gegen umstürzlerische Kräfte" bezeichnete. Das hat unter anderem auch die Bierindustrie erkannt. Deckte 1998 der südafrikanische Brauereikonzern SAB noch rund 98% des Biermarkts ab, so investierte ein Konsortium aus Heineken, Amstel, Diageo und einem namibischen Hersteller in einen 310-Millionen-Euro-Komplex, um in den "Premium"-Markt einzudringen: "Die Bierschlacht konzentriert sich zunehmend auf die Townships und schwarze Südafrikaner, die bislang durch die Apartheid von der ›Mainstream‹-Wirtschaft ausgeschlossen waren, die aber nun wachsenden Wohlstand genießen und Geschmack an den besseren Dingen des Lebens finden." (African Business, Mai 2010) Dennoch bleibt auch deren Zahl relativ beschränkt. Von den rund 80% der schwarzen Bevölkerung sind bisher nur 20% in einschlägigen Berufen tätig, etwa als Anwälte oder Buchhalter. Demgegenüber sind viele Bastionen des Kapitals nach wie vor "weiß". Im Bergbau etwa, sagt Frans Baleni, Generalsekretär der National Union of Mineworkers, sind 84% der Arbeiter Schwarze, das obere Management zu 83,7% "weiß". Am schlimmsten ist die Lange in der Landwirtschaft.

Südafrikas Exportwirtschaft zumal beruht auf einer auf großflächige Bewirtschaftung ausgelegten Struktur. Afrikanische Bauern hingegen kannten zum einen großenteils kein Privateigentum, zum anderen ist für sie das von den Vorfahren überkommene Land Teil ihrer Identität. Landflucht und Schwinden von Traditionen haben neue Probleme geschaffen: Wenn denn Land an die afrikanische Bevölkerung zurückübereignet wird – 87% des südafrikanischen Territoriums hatten Weiße für sich reserviert –, so fehlt es zumeist an Fachwissen, dazu kommt eine restriktive Kreditvergabe der Banken, die es unmöglich macht, in die Ländereien zu investieren. Und erst 6% des Landes sind bisher restituiert worden, ist BBC World zu entnehmen.

Thabo Mbekis Vorstellung bestand darin, durch Wachstum – initiiert durch ausländisches Kapital und eigene Unternehmeraktivitäten – Arbeitsplätze zu schaffen: ein Trugschluss. An die 1.000 Menschen drängen täglich auf den Arbeitsmarkt, und nur ein kleiner Teil findet Beschäftigung, der große Rest bildet in den gewaltigen Townships ein gärendes Potenzial an Unruhe. Hinzukommt, dass allein in der gegenwärtigen Rezession etwa eine Million Arbeitsplätze im formalen Sektor verlorengegangen sind.

Die auf diese Weise Ausgeschlossenen leben unter entwürdigenden Verhältnissen in Sichtweite der Wohlstandszitadellen der reich Gewordenen: in Wellblechhütten mit Plumpsklos, Standrohren als Wasseranschluss, abenteuerlichen und illegalen Anschlüssen ans Stromnetz, das wegen Überlastung immer wieder den Geist aufgibt. Geschätzt wird, dass real über 40% ohne Beschäftigung sind, in zahlreichen von Schwarzen und "Farbigen" bewohnten Townships steigt der Anteil unter den Jugendlichen auf über 70%. Für die katastrophalen sanitären Zustände ist die Unfähigkeit ebenso wie die Korruption der lokalen Verwaltungen verantwortlich.

Dass in diesen Armutsquartieren die Kriminalität Konjunktur hat, liegt auf der Hand. Mbekis Nachfolger Jacob Zuma gab unumwunden zu, dass das Ausmaß krimineller Gewalt eines "der schlimmsten der Welt" sei. Freilich konzentriert sich diese vor allem auf die Townships. Der Kriminalschriftsteller Roger Smith ("Kap der Finsternis") führt aus: "Meine Bücher beschreiben eine Welt von Raubtieren, die vor der Haustür lauern. Das Leben der Gangs spiegelt die Gesellschaft in Südafrika. Hier gibt es Vorbilder an Korruption von der höchsten Ebene der Regierung bis hinunter auf die Straße." Der Wohlstand – weiß wie schwarz – verschanzt sich vor diesen Problemen in so genannten "gated communities". Die schwarze Armut lässt ihre Wut an denen aus, die noch elender dran sind: den auf bis zu sechs Millionen geschätzten Migranten (die Südafrika zum an der Einwohnerzahl gemessen größten Einwanderungsland der Welt machen). Hass und Wut entluden sich vor allem 2008 – die Migranten wurden empfunden "als Konkurrenten im Verteilungskampf um knappe Güter: Arbeit, Lebensmittel, Wasser, Strom. Medikamente, Baumaterial, Brennholz, ein Dach über dem Kopf", so Bartholomäus Grill in der "Zeit". Mehr als 100.000 neue Polizisten sind rekrutiert und ausgebildet worden, um die Fußball-WM sicher über die Bühne zu bringen.

Zwischen Kriminalität und Armut besteht "genauso ein Zusammenhang wie zwischen Armut und mangelnder Bildung" (Thomas Scheen, Südafrika-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung). Doch Bildung war den Schwarzen Südafrikas nicht nur durch das Apartheidsystem versagt ("Es gibt für sie keinen Platz in der Gemeinschaft der Europäer oberhalb des Niveaus bestimmter Tätigkeitsbereiche", so Ministerpräsident Verwoerd 1954). Südafrikas Industrie verlangt sehr wohl nach qualifizierten Arbeitskräften. Indes sind die flächendeckend ausgebauten staatlichen Schulen in einem vielfach trostlosen Zustand: viel zu große Klassen, Lehrer, die sich nur selten blicken lassen und dennoch kaum kündbar sind. Das führt dazu, dass etliche Schulen nicht einen einzigen Schüler hervorbringen, der seine Abschlussprüfung besteht.

Gettorevolte und Eskapismus ins Religiöse

Unmut und Zorn entladen sich in Südafrika immer häufiger. Neben den Streiks der Gewerkschaften, die mit dem ANC sowie der Südafrikanischen Kommunistischen Partei seit Jahrzehnten in einer zunehmend fragilen Allianz verbunden sind, kommt es immer häufiger zu Gettorevolten. Allein im ersten Halbjahr 2009 kam es zu über 25 Demonstrationen in den Armenvierteln, die sich mit Gewalt Luft verschafften. Das South African Institut for Race Relations warnte, dass sich die Spannungen zunehmend verschärften. Und Nozipho Mteshane, Vorsitzende der Arbeitslosenbewegung erklärt: "Die Menschen sind wütend, ich kann sie nicht stoppen, dies ist nur die Spitze des Eisbergs." Was sagte Thabo Mbeki im Jahr 1999, als er Mandela nachfolgte? Er zitierte den revolutionären US-Schriftsteller Langston Hughes: "Was geschieht mit aufgeschobenen Träumen? Sie explodieren!"

Freilich gibt es auch noch eine andere Form der Frustration – den Eskapismus ins Religiöse. Im "commuter train", dem Pendelzug von Kliptown nach Johannesburg, versammeln sich allmorgendlich Scharen von Menschen, um einer bizarren Gottheit zu huldigen: Shemba, einer Art Schöpferwesen, kreiert aus "afrikanischer Gottheit" und fremden Einflüssen, der sie ihr Seelenheil anvertrauen. Shemba ist nur eine Gestalt aus dem Panoptikum der Gott- und Götterverehrung, die unter den Armen um sich greift.

Dass der ANC gleichwohl bei Wahlen souverän abschneidet, ist der hohen Loyalität vor allem der schwarzen Bevölkerung geschuldet. In ihr vereinen sich das hohe Ansehen der Bewegung – und nicht zuletzt der überragenden Symbolfigur Mandelas – aus dem langen Befreiungskampf und immer wieder neu genährte Hoffnungen, vor allem auf den seit 2009 amtierenden Präsidenten Jacob Zuma und den ihm unterstellten Kurswechsel. Allerdings stellt dies ein riskantes Spiel dar, wie Bongani Santos, ein Mitglied der ANC-Jugendliga im Township Thokoza bei Johannesburg mutmaßt: "Sie haben nicht erfüllbare Erwartungen geweckt."

Diese verbinden sich vor allem mit dem fraglos ehrgeizigen und auf lange Sicht angelegten Investitionsprogramm, das schon unter Thabo Mbeki begonnen wurde und dessen Kernstück die Fußball-WM darstellt, ohne freilich den Hauptanteil zu bilden. So sind beispielsweise von den für die WM für mehr als drei Milliarden Euro errichteten Stadien einige von vornherein "weiße Elefanten", etwa die in Polokwane im Nordosten des Landes oder in Nelspruit im Osten: überdimensioniert, ohne Anbindung an die lokale Bevölkerung, ohne sie umgebende Infrastruktur, ohne Relevanz für die Wirtschaft. Für sie dürfte gelten, was Experten über die Hinterlassenschaften der Olympiaden in Atlanta und Athen konstatierten: verödende Infrastrukturen.

Das Investitionsprogramm – über 100 Milliarden Dollar schwer – sieht u.a. eine regelmäßige Schnellzugverbindung ("Gautrain") zwischen Johannesburg und der Hauptstadt Thshwane (Pretoria) vor, den Ausbau von Straßennetzen, Häfen und Flugplätzen bzw. deren Modernisierung; das Eisenbahnnetz soll ausgebaut werden und Johannesburg z.B. eine U-Bahn erhalten. Außerdem soll das marode Stromnetz des Versorgers ESCOM auf den neusten Stand gebracht werden. Das keynesianische Programm dürfte erheblich dazu beitragen, die Weltwirtschaftskrise abzumildern. Allerdings kommen neue Probleme hinzu: Was geschieht, wenn die mehrere zehntausend Arbeitskräfte, die bislang an Stadien, Hotels und Zubringerstraßen arbeiten, ab Mitte 2010 nicht mehr benötigt werden?

Immerhin: Das "Gautrain"-Vorhaben etwa vermag erheblich zur Qualifizierung schwarzer Arbeitskräfte beizutragen. Durch den Bau wurden fast 2.500 Menschen von Ausbildungsmaßnahmen erfasst, und Danny Jordaan, Leiter der WM-Vorbereitungen, schätzt, dass von den hierbei Beschäftigten die meisten "unschätzbare Fähigkeiten erworben haben, die es ihnen ermöglichen, Arbeit bei anderen größeren Bauprojekten zu finden."

Alles in allem: "Seit dem Ende der Kolonialherrschaft in den 1960er Jahren gab es kein Ereignis, das das afrikanische Selbstwertgefühl mehr gestärkt hätte" als die WM, schwärmte Bartholomäus Grill in der "Zeit" Ende 2009. Etwas prosaischer Danny Jordaan: "Das Ereignis wird nicht gekannte Aufmerksamkeit auf unser Land lenken und ihm neue Märkte öffnen, die bislang unerschlossen waren."

Dem steht jedoch zunächst einmal die geballte Macht des Weltfußballverbandes FIFA entgegen. Die "kommt wie eine Diktatur über das jeweilige Gastland und schreibt alle Maßnahmen bis ins kleinste Detail vor. (…) Die FIFA nimmt keine Rücksicht auf lokale Gegebenheiten und zieht ihr exklusives Marketingprogramm durch" (B. Grill).

Das betrifft vor allem die Vielzahl kleiner Händler in Südafrika, die einen Großteil des informellen Arbeitssektors repräsentieren: ihnen diktiert die FIFA, dass für die Nutzung der WM-Embleme Lizenzgebühren fällig sind, die die Händler in der Regel nicht bezahlen können. (Dafür blüht der Markt in der BRD, etwa mit "Schwartau"-Konfitüre nebst Elefanten-Etikett oder mit "Wiesenhof"-"Bruzzlern" Marke "Hot Safari", oder der Automobilhersteller Hyundai verspricht sich von ganzseitigen Werbeanzeigen mit dem WM-Symbol mehr Absatz.)

Ohnehin werden internationale Konzerne die WM zu einem Höhepunkt ihres Geschäfts machen, so Adidas, Nike und Puma, die nicht nur als Ausrüster der Teams präsent sind, sondern sich darüber hinaus eine Ankurbelung ihres Geschäfts erhoffen.

Andere versprechen sich von dem Investitionsprogramm lukrative Aufträge: Bilfinger Berger zum Beispiel besorgt für den Stromkonzern ESCOM Wartung, Modernisierung und Umbau von Kraftwerken, und mit dem Neubau weiterer Kraftwerke beginnt das Geschäft erst richtig. Überhaupt deutsche Firmen: Sie sind seit rund 40 Jahren auch und gerade schon unter der Apartheid in Südafrika aktiv. Die "Welt am Sonntag" schwärmt in einer Beilage vom Frühjahr 2010: "Wie überhaupt die Bundesrepublik als verlässlicher politischer und wirtschaftlicher Partner hohes Ansehen in Südafrika genießt."

Wobei Südafrika vor allem eine Rolle als Drehscheibe zugedacht ist: in Südafrika hergestellte Produkte lassen sich vor allem nach dem Ende der Apartheid sehr gut ins übrige Afrika exportieren. 1966 hörte sich das in der Diktion von Franz-Josef Strauß so an: "Südafrika (könnte) zur Quelle des Wohlstands im ganzen südlichen Teil des Kontinents werden … im Sinne eines großen Wirtschaftskooperativs, das Südwest (!), Rhodesien (heute Zimbabwe; J.O.), die portugiesischen Überseegebiete (Angola und Mosambik; J.O.) und einige schwarze Staaten umfassen könnte." Ironie der Geschichte: Diesen gemeinsamen Markt, der das subäquatoriale Afrika umfasst, gibt es seit den 1990er Jahren – befreit von Apartheidsregimen und Kolonialismus – etwa in Form der Entwicklungskonferenz für das südliche Afrika, SADCC, aber eben als Block dem internationalen Kapital ausgelieferter Staaten. "Wenn wir den Löwenanteil" des Biermarktes in Südafrika haben, so der Marketingchef des erwähnten Brauereikonsortiums, Gerald Mahinda, "nehmen wir uns den Rest Afrikas vor."

Jürgen Ostrowsky lebt als freier Publizist in Düsseldorf.

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