25. August 2022 Elke Alsago: Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Sozialen Arbeit in schwierigen Zeiten
Systemrelevant und ausgenutzt
Im Februar dieses Jahres war es endlich soweit. Die Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) wurden wiederaufgenommen. Nachdem sie im März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen wurden, erfolgte ein Neustart.
Unter »Sozial- und Erziehungsdienst« fassen die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes Eingruppierungsmerkmale für (sozialpädagogische) Fachkräfte zusammen, die in der Sozialen Arbeit tätig sind. Im öffentlichen Dienst der Kommunen sind dies zurzeit etwa 330.000 Tarifbeschäftigte. Davon arbeiten ca. 245.000 Beschäftigte in der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern (Kitas, Horte, usw.), 55.000 in der Sozialarbeit und 30.000 in der Behindertenhilfe. Da dieser Tarifvertrag oft auf andere Arbeitsverhältnisse in der Sozialen Arbeit bei freien Trägern übertragen wird, gilt er als »Leitwährung« und daher sind deutlich mehr Beschäftigte von der Tarifauseinandersetzung betroffen.
In der Sozialen Arbeit sind ca. 1,66 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon 1,4 Millionen Frauen. Es handelt sich daher nach wie vor überwiegend um Frauenberufe. Fast zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten im Bereich der Kinderbetreuung und -erziehung (960.470 der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, 94% Frauen), 470.000 sind im Bereich der Sozialarbeit beschäftigt und 229.400 in der Behindertenhilfe (Daten der Bundesagentur für Arbeit, Stichtag: 30. Juni 2021). Die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit sind aufgrund ihrer Finanzierungsstrukturen stark von Teilzeit geprägt. Besonders deutlich ist dies im Bereich der Frühen Bildung. Hier stagniert der Vollzeitanteil seit Jahren bei 40%. Während des Kita-Ausbaus seit 2007 haben laut Fachkräftebarometer vollzeitnahe Arbeitsverträge leicht zugenommen. Zu beobachten ist die Strategie der Arbeitgeber, das Beschäftigungsvolumen durch zeitlich befristete Aufstockung von Arbeitsverträgen anzupassen, um auf Personalengpässe oder Veränderung der Nachfrage zu reagieren. Hier wird das Risiko, das den Trägern der Kitas durch schwankende Belegung der Plätze entsteht, auf die Beschäftigten abgewälzt.
Für die Entgeltordnung des Sozial- und Erziehungsdienstes wurde 2008 innerhalb der Tarifauseinandersetzung des öffentlichen Dienstes zwischen
ver.di und der VKA eine eigenständige Verhandlung der Entgeltordnung vereinbart. Dies war nötig, da die Eingruppierungsmerkmale bereits Jahrzehnte alt waren und bei der Überleitung vom BAT in den TVöD die Anforderungen nicht ausreichend berücksichtigt werden konnten. Damit wurde die mangelnde finanzielle Anerkennung der Tätigkeiten von Frauen und der professionalisierten Frauenberufe weiter reproduziert. Die Regelungen entsprachen bei Weitem nicht den derzeitigen Anforderungen und ausgeübten Tätigkeiten, was bedeutete, dass die Berufstätigkeit in der Sozialen Arbeit deutlich schlechter bezahlt wurde als andere Tätigkeiten im öffentlichen Dienst.
Elke Alsago ist Bundesfachguppenleiterin für die Fachgruppe »Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit« in der ver.di Bundesverwaltung.