23. Februar 2017 Stefan Körzell

Tarifsysteme stärken, aber Lohnpolitik nicht überfrachten!

Wir setzen die in Heft 2-2017 begonnene Debatte über »europaweite Stärkung der Tarifverträge statt lohnpolitischem Interventionismus« (Beiträge von Schulten/Van Gyes/Müller und Janssen im Forum Gewerkschaften) fort: zum Verhältnis von nationaler und europäisch koordinierter Lohnpolitik, zu den ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen und zu Erfahrungen in Belgien.

Thorsten Schulten, Guy Van Gyes und Torsten Müller beschreiben zutreffend, wie sich im Zuge der Anti-Krisenpolitik ein lohnpolitischer Interventionismus entwickelte. EU-Institutionen und nationale Regierungen begannen entweder direkt in die Lohnentwicklung einzugreifen, um die Arbeitseinkommen zu drücken – vor allem über die Anpassungsprogramme der Krisenstaaten. Oder sie schufen neue Institutionen wie den Mechanismus gegen makroökonomische Ungleichgewichte oder den Euro-Plus-Pakt, die die Löhne dauerhaft in einem niedrigen, politisch vorgegebenen Rahmen halten sollten.

Es muss eine oberste Priorität sein, diese Entwicklungen rückgängig zu machen. Sie haben insbesondere in den Krisen-Staaten zur Verarmung der Menschen und zu einer strukturellen Schwächung der Gewerkschaften beigetragen. In anderen Ländern, wie Deutschland, sind die politischen Eingriffe in die Lohnfindung der Tarifpartner noch nicht so spürbar. Aber die Tatsache, dass für die gesamte EU Institutionen geschaffen werden, die die Lohnentwicklung ins Visier nehmen, muss alle Alarmglocken läuten lassen.

Stefan Körzell ist Mitglied im geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand, zuständig für Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik, Struktur-, Industrie-, Dienstleistungs- und Handwerkspolitik.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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