24. November 2016 Max Lill: Zur Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan

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Trotz über Jahre hinweg gestreuter Spekulationen ist es am Ende doch eine Überraschung, ein kleiner Coup sogar. Und so durchbricht am Mittag des 13. Oktober unter dem Jubel der versammelten Weltpresse für Sekunden ein Schmunzeln die demonstrativ gestrenge Miene von Sara Danius, Literaturwissenschaftlerin und ständige Sekretärin der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, als sie neu ansetzt, um die Entscheidung der Jury zu begründen: Bob Dylan werde für seine poetischen Neuschöpfungen innerhalb der großen amerikanischen Songtradition der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Der programmatische Charakter der Wahl war damit schon benannt. Denn es ist natürlich ein Signal, in Zeiten eines Donald Trump den populärsten amerikanischen Songwriter, eine Symbolfigur des progressiven und antirassistischen Aufbruchs der 1960er Jahre, ins Pantheon der literarischen Hochkultur zu heben. Nicht nur waren amerikanische Autoren viele Jahre leer ausgegangen, was der ehemalige Sprecher der Akademie, Horace Engdahl, 2008 damit begründete, die US-Literatur sei einfach »zu isoliert, zu insular«. Auch die viel diskutierte Erweiterung des Literaturbegriffs, die sich mit der Ehrung eines Rockmusikers verbindet, bildet lediglich einen Teilaspekt der Bedeutung, die dieser Entscheidung zukommt.

Wichtiger noch ist: In kaum einem anderen Werk seiner Zeit erkennen sich bis heute so viele Menschen wieder. Bob Dylan ist ein Lebensbegleiter für Millionen geworden.

Max Lill ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt Universität Berlin. Als Supplement zu Sozialismus (7-8/2011) erschien von ihm: Populärästhetik | Subjektivität | Öffentlichkeit. Sinnliche Aneignungsweisen zwischen Fordismus und flexiblem Kapitalismus.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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