24. Oktober 2018 Otto König/Richard Detje: »Selbstzerlegung« und vertane Chance der Arbeitnehmervertreter im montanmitbestimmten Konzern
thyssenkrupp: Riskante Aufspaltung
An der Ruhr geht die Ära eines traditionsreichen Industriekonzerns zu Ende: Der Aufsichtsrat von thyssenkrupp hat der Selbstzerlegung des Konzerns einstimmig zugestimmt.
Nach einem erbitterten Machtkampf haben die entscheidenden Akteure dem Druck der aktivistischen Investoren nachgegeben und den Konzern in zwei Teile zerlegt: einen guten namens »Industrials« und eine Art Bad Bank namens »Materials« für die Problemgeschäfte. Zur Gesichtswahrung setzen sich der amtierende Vorstand, die wichtigsten Aktionäre und die entscheidenden Kräfte im Aufsichtsrat – die Vertreter der Arbeitnehmer und der Krupp-Stiftung – vom negativen Begriff der Zerschlagung ab. Exakt dies sei verhindert worden, erklärt triumphierend der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und IG Metall-Vertreter, Markus Grolms und der bisherige Interims-Chef Guido Kerkhoff[1] fabuliert von einem Zwischenweg zwischen »Weiter so« und »Zerschlagung«, den er heroisch als »Befreiungsschlag« bezeichnet.
Das wird noch getoppt von der Dortmunder Mathematik-Professorin Ursula Gather, nebenbei Vorsitzende der Krupp-Stiftung, die durch ihren Eiertanz mit zur Führungskrise des Konzerns beigetragen hat und nun von einer »überzeugenden industriellen Logik« spricht. Inwieweit diese »Logik« zum Stiftungsauftrag passt, ist mehr als fraglich. Hatte doch Alfried Krupp von Bohlen und Halbach der Stiftung für die Zukunft des Konzerns den Auftrag mit auf den Weg gegeben, »die Einheit des Unternehmens« zu wahren und seine »weitere Entwicklung« zu fördern, wie es in der Satzung heißt.
Aktionäre wie der schwedische Cevian Capital Fund[2] und Paul Singers US-Hedge-Fonds Elliott Management,[3] die monatelang in Wirtschaftsgazetten offensiv die Zerschlagung des Konzerns und dessen personelle Neubesetzung gefordert hatten, betonen, nachdem sie die Aufteilung des Dax-Konzerns mit derzeit rund 160.000 Beschäftigten durchgesetzt haben, sie hätten nie eine Zerschlagung gewollt, sondern immer nur eine »Re-Organisation« eingefordert: »Mehr Freiheiten für Sparten-Manager; weniger Gängelung durch die Zentrale«, so Cevian-Repräsentant Lars Förberg. Doch das geht über die gegenwärtige Zweiteilung noch hinaus.
Otto König ist Mitherausgeber, Richard Detje Redakteur von Sozialismus.
[1] Der Aufsichtsrat bestellte Guido Kerkhoff zum Vorstandschef und stattete ihn mit einem Fünfjahresvertrag aus. Arbeitsdirektor Oliver Burkhard erhält ebenfalls einen neuen Vertrag bis 2023, der von Technologie-Vorstand Donatus Kaufmann läuft noch bis 2022. Der vakante Posten des Finanzchefs soll zeitnah besetzt werden.
[2] Die Investmentgesellschaft Cevian mit Sitz in Stockholm und Büros am Zürichsee und in London gehört zu den aktivistischen Investoren, die aktiv Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen. Sie verwaltet ein Vermögen von ca. zehn Milliarden Euro und ist an thyssenkrupp seit Dezember 2013 beteiligt.
[3] Auch Elliot zählt zum Kreis der aktivistischen Investoren, hat zugleich aber eine andere lukrative Geschäftssparte im »Schuldenmanagement«. Elliot »hatte nach der Insolvenz Argentiniens 2001 zusammen mit anderen Investoren zahlreiche Staatsanleihen dieses Landes zu billigsten Konditionen aufgekauft. Während sich ein Großteil der Gläubiger auf eine reduzierte Zurückzahlung einließ, verklagte Singer Argentinien und ließ argentinische Vermögenswerte auf der ganzen Welt beschlagnahmen. Eine ähnliche Vorgangsweise wurde schon vorher gegen die Staaten Peru und die Republik Kongo praktiziert. Ein New Yorker Bezirksrichter verurteilte Argentinien im Oktober 2012 zu einer Zahlung von 1,3 Milliarden US-Dollar an die Hedgefonds. Als weiteres Druckmittel wurde es Argentinien verboten, andere Schulden zu bedienen, solange die Hedgefonds nicht bezahlt worden sind, denn es dürfe kein Gläubiger bevorzugt bedient werden. Ein Berufungsantrag Argentiniens wurde vom Obersten Gerichtshof im Juni 2014 abgelehnt. Nachdem ein Schlichtungsverfahren zwischen Argentinien und den US-amerikanischen Hedgefonds, darunter insbesondere der zu Elliott Management gehörende Geierfonds NML Capital, bis 31. Juli 2014 Mitternacht (6.00 Uhr MESZ) zu keiner Einigung geführt hatte, erklärte der argentinische Wirtschaftsminister die Zahlungsunfähigkeit des Landes zumindest gegenüber diesen Hedgefonds.« (Wikipedia) Vgl. Otto König/Richard Detje: Argentiniens Kampf gegen die Geierfonds, SozialismusAktuell, 27.1.2015.